Mittwoch, Juli 03, 2024
Stiefkind Brandschutz?

Die Folgen einer falschen statischen Bemessung von fehlendem Schall- und Wärmeschutz sind unmittelbar festzustellen und werden dementsprechend behoben. Mängel im Brandschutz werden dagegen vielfach erst erkannt, wenn die Flammen lodern.

Laut Statistik der Brandverhütungsstelle für Oberösterreich kommt es österreichweit jährlich zu etwa 7200 Bränden, die Hälfte betrifft den zivilen Bereich, davon 580 Mehrparteienwohnhäuser. Die typischen Brandquellen sind Koch- und Heizgeräte, offenes Feuer sowie elektrische Energie aber auch Brandstiftung. Diese Zahlen sind über die letzten Jahre relativ konstant. Relevant ist auch, dass der Brandschutz als Stiefkind (nicht nur) im Wohnbau behandelt wird. Prävention wird erst dann Thema, wenn etwas passiert. Univ.-Lektor Otto Widetschek, Präsident des Brandschutzforums Austria, erwartet eine Zuspitzung der Situation im Brandschutz vor allem durch neue Bauweisen, die zunehmende Technisierung und die nach wie vor mangelnde Brandschutz-Ausbildung der Planer und Errichter von Bauwerken.

Zweiklassenbrandschutz

Ein guter Brandschutz wird Neubauten zugeschrieben, die nach den neuen OIB-Richtlinien errichtet werden. »Mit dem hohen Anteil an Altbauten, die nicht oder nur partiell saniert wurden, haben wir allerdings einen hohen Grad an Altlasten«, betont Otto Widetschek. Bisher ist vermutlich erst die Hälfte des Altbestandes an Hochhäusern in Österreich gut saniert. So fehlt es vielfach an Überdruckbelüftungsanlagen, wodurch innen liegende Stiegenhäuser im Notfall nicht als Fluchtweg benutzt werden können. Eine erhebliche Gefahr liegt auch in der komplexen Haustechnik, die für größere Bauwerke notwendig ist.

Versorgungs- und Entsorgungsleitungen müssen durch Brandmauern und brandabschnittsbildende Wände geführt werden. Abschottungen in Brandabschnitten weisen oft gravierende Mängel auf. Nicht außer Acht lassen darf man die zunehmende Leistungsfähigkeit von Energieträgern. Leistungsstarke Akkus in Smartphones und elektrischen Geräten liefern hohe Leistungsstärke auf kleinstem Raum, können sich erhitzen und Feuer fangen. Ein großes Manko liegt zudem in den zur Wärmedämmung verwendeten organischen Isolationsstoffen an Fassaden. Nicht brennbare Dämmungen sind nur im Hochhausbereich vorgeschrieben. In den Gebäudeklassen 4 und 5, also Gebäuden zwischen sieben und 22 m, sind brennbare Fassaden möglich. Gerade dort hat aber die Feuerwehr im Wohnbau die Aufgabe über Rettungsmittel, in der Regel Drehleitern, den zweiten Rettungsweg herzustellen.

»Es braucht daher endlich eine Änderung in den entsprechenden OIB-Richtlinien, damit Fassadenbrände nicht zur Achillesferse der Feuerwehr werden«, fordert der Brandexperte. Die Schaumstofflobby sei aber hier anscheinend zu stark, Forderungen nach einer Verbesserung des Brandschutzes setzen sich nicht durch. Auch in der immer häufiger verwendeten Trockenbauweise mit ihren Ständerwänden sieht er eine potentielle Gefahr. Für den Bauherren bringt sie zwar große Vorteile, weil nicht mehr alles betoniert werden muss, allerdings können dabei auch zahlreiche Hohlräume entstehen, die nicht abgeschlossen werden.

Fehlende akademische Ausbildung

Brandschutz wird laut Widetschek heute nach wie vor vielfach nur als Nebendisziplin des Bauwesens betrachtet. Es gebe zwar Versuche für Studienlehrgänge zum Brandschutz, aber die einheitliche universitäre Ausbildung fehlt. »Ist der Brandschutz ein Stiefkind?«, lautet daher auch der Titel der Vorlesung von Otto Widetschek an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Als Positivbeispiel verweist er auf den berufsbegleitenden Universitätslehrgang Brandschutz an der DonauUni Krems (siehe Kasten). Dieser richtet sich an Praktiker mit einschlägiger Berufserfahrung im Bereich des Brandschutzes, die ihre Erfahrung aus der Praxis erweitern wollen, wie BrandschutzexpertInnen, Brandschutzbeauftragte, Mitglieder von Feuerwehren, MitarbeiterInnen von Baubehörden und Brandschutzdienststellen sowie Sicherheitsverantwortliche von Unternehmen.


Brandstatistiken Österreich

- Im Schnitt der letzten vier Jahre kam es in Österreich jährlich zu 7193 Bränden.
- Mehr als jeder zweite Brand betraf den zivilen Bereich (50,8 Prozent).
- Von den durchschnittlich 3650 Bränden im zivilen Bereich waren 580 Mehrparteienwohnhäuser betroffen.
- Im zivilen Bereich wurden Brandschäden von jährlich über 98 Mio. € verzeichnet. Der Anteil des Schadens an Mehrparteienwohnhäusern beträgt rund ein Fünftel (22 Prozent).
- 38 Prozent der Brände in Mehrparteienwohnhäusern werden durch Kochgeräte und Heizgeräte verursacht, 27 Prozent durch offenes Licht und Feuer, 15 Prozent durch elektrische Energie und Brandstiftung.


Aus- und Weiterbildung

Berufsbegleitender Universitätslehrgang »Brandschutz«, DonauUni Krems. Vermittelt werden die wesentlichen Fähigkeiten zur Entwicklung von praxisorientierten Brandschutzlösungen und deren Umsetzung.
- Grundlagen wie Brandschutz in Europa, rechtliche Grundlagen, Versicherung und Haftung
- Baulicher, anlagentechnischer Brandschutz
- Brandschutzkonzepte und Organisation
- Organisatorischer und abwehrender Brandschutz
- Ingenieurmethoden im Brandschutz
- Management- und Sozialkompetenz wie Konfliktmanagement und Leistung unter Belastung
- Dauer: drei Semester, berufsbegleitend

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