Dienstag, März 19, 2024
Historisches Hoch

Ein Börsianer schlägt Purzelbäume angesichts von nahezu 300 Prozent Kurssteigerung in einem Jahr. Die Freude der Holzbaufirmen ist bei der Preissteigerung von rund 350 Dollar im Mai 2020 auf aktuell über 1.350 Dollar bei Schnittholz enden wollend. Produktionseinbrüche gibt es noch nicht. Für Forscher bietet Holz ein reiches Spektrum.

Beeindruckende Fakten stellt holzbau austria in Aussicht: 2030 könnte der Baustoff Holz europaweit im Sektor Neubau einen Marktanteil von 33 Prozent erreicht haben, in den alpinen Landschaften bis zu 40 Prozent, beim Bauen im Bestand und Nachverdichten sogar 50 Prozent. Das sind gute Aussichten für den Klimaschutz und die Verringerung der CO2-Emissionen im Bauwesen. proHolz hat mit Hilfe von Experten berechnet, dass durch das Bauen mit Holz statt mit herkömmlichen Materialien wie Ziegel und Beton allein in Tirol im Zeitraum von zehn Jahren 500.000 t CO2-Emissionen eingespart werden konnten und die dafür verwendeten Bäume bereits etwa 650.000 t CO2 aus der Atmosphäre gebunden haben.

Bild oben: »Ressourcenschonung und effizientes Bauen mit Holz sind die wichtigsten Innovationstreiber«, stellt Georg Jeitler, Hasslacher Gruppe, fest.

Hermann Huber, Fachbereichsleiter Holzbau beim Studiengang Holztechnologie & Holzbau an der FH Salzburg, warnt allerdings vor unreflektiertem Verbrauch von Holz. Holz sei zwar ein nachwachsender Werkstoff – der heimische Holzvorrat wächst pro Jahr um 4 Mio. m³, die Waldfläche steigt jährlich um rund 3.400 ha. Die Ressourcen sind aber doch endlich. »Man sollte daher Überlegungen anstellen, wie das Material in Mengen eingesetzt wird, ohne die Ressource zu übernutzen,« fordert Hermann Huber und spricht damit eines seiner Forschungsprojekte an, den optimierten Holz-Kreislauf.

Mengenrallye bei Holz

Die Schnittholzmärkte boomen weltweit. In den vergangenen Monaten kam es bei fast allen Produkten konstant zu starken Preissteigerungen und damit verbunden zu Hamsterverhalten. Die Gründe der unglaublichen Marktdynamik sind vielfältig:

- Stark steigende Nachfrage nach Schnittholz durch die USA und China. Betroffen sind v.a. Deutschland und Tschechien. Der Exportanteil Österreichs in die USA liegt bei etwa vier Prozent.

- Schwierigere Rundholzbeschaffung nach Jahren des »billigen Holzes«, viele Waldbesitzer schlagen wegen der sehr niedrigen Preise weniger Holz.

- Regional rückläufige Rundholzverfügbarkeit wegen Nutzungsvorgriffen infolge des Borkenkäfers.

- Starke Nachfrage aus dem Privatbereich infolge Corona und der niedrigen Zinslage. Immobilien und v.a. Fertighäuser mit hohem Holzanteil werden zur Veranlagung.

»Rohstoffproblem gibt es keines von der Menge her. Seit Jahrzehnten wurde in den österreichischen und europäischen Wäldern ein hoher Holzvorrat aufgebaut. Eine Übernutzung ist auszuschließen, weil sowohl das Österreichische Forstgesetz als auch europäische Klimaschutzbestimmungen dies regeln«, informiert Martin Höbarth, Geschäftsführer Waldverband Österreich. Die Nachfrage sei Anfang des Jahres durch kurzfristig eingegangene Großaufträge v.a. aus den USA und China stark angestiegen und hat die Preise mitgezogen. Mit einer spürbaren Entspannung rechnet Höbarth nicht vor Herbst, der Zeit verstärkter Holzernteaktivitäten. Bernd Troppmann, Area Sales Director Stora Enso Wood Products, geht davon aus, dass sich die Rohstoffversorgung der Säge- und Holzindustrie verbessern wird.

Preisrallye

Bild oben: Nach oben führt nicht nur der Blick an dieser Holz-Fassade (Ilse Wallentin Haus, Universität für Bodenkultur, Wien, Holzbau bestehend aus vier Obergeschoßen, gestützt auf Betonkern). Auch die Bauholzpreise steigen krisenbedingt.

Die Preise für Bauholz befinden sich allgemein auf Rekordniveau, ebenso wie andere Baumaterialien – bei Betonstahl gab es ein Plus von rund 30 Prozent, bei Dämmstoffprodukten etwa 20 Prozent, bei Bewehrung 45 Prozent von Dezember bis März. Auswirkungen auf den Holzpreis haben auch eklatante Preissteigerungen bei Produkten wie Leimbinder, Holzwerkstoffplatten und KVH-Produkten. Aus der Holzbranche ist zu hören, Namen will keiner nennen, dass sich der steigende Schnittholzpreis bereits auf die Produktpreise niederschlägt. Holz werde in Form von Schnittholz am freien Markt zugekauft. Stora Enso legt großen Wert auf langfristige Geschäftsbeziehungen, weshalb auch keine tagesaktuellen Volatilitäten berücksichtigt werden. »Wir schließen quartalsweise Verträge über Preise ab und halten uns dann auch daran«, betont Troppmann.

Bauprojekte würden nicht verschoben. Die Waldbewirtschafter, die in den letzten Jahren Preisrückgänge von 30 Prozent erfahren haben, profitieren etwas durch die Preissteigerungen – plus 20 Prozent. Von 300 Prozent sind sie meilenweit entfernt. Diese Steigerungen werden vom Holzhandel und v.a. von den Großexporteuren betrieben. Innungsmeister Herbert Brunner fordert daher die Einführung von Ausfuhrzöllen für heimische Hölzer, um die regionale Wertschöpfungskette am Leben zu erhalten und lokale Arbeitsplätze zu garantieren.

Hybrides Rückgrat

Bild oben: »Nicht wir in Österreich machen die Weltmarktpreise für Holz – das ist umgekehrt«, gibt Herbert Jöbstl, Obmann des Fachverbandes der Holzindustrie Österreichs, zu bedenken.

Holz muss laut Stora Enso möglichst umfangreich eingesetzt werden. »Für bestimmte Anwendungen wie z.B. das Fundament braucht es allerdings andere Materialien«, so Troppmann. Der Weg ist frei für Holz-Hybrid. Durch den Verbund von Holz mit Beton wird laut proHolz die Aussteifung und Traglast der Gebäudestruktur erhöht, bei gleichzeitiger Erfüllung der erforderlichen Anforderungen an Brand- und Schallschutz. Im Innenbereich bleibt die Sichtoberfläche von Holz bestehen und trägt so zu einem wohligen Ambiente der Räume bei. Standard sind laut Fachverband der Holzindustrie Österreichs Decken, Bodenplatten, Treppenhauskerne und Fahrstuhlschächte in Holz-Beton-Verbund. Es gebe auch Forschung und Firmen, die seit etwa 15 Jahren Beton durch Anhydrit-Estrich ersetzen wollen. Das habe ökologische und ökonomische Vorteile.

Erreicht werde eine hohe Pufferkapazität für die kurzzeitige Speicherung raumklimatisch nicht erwünschter Luftfeuchte- und Lufttemperaturschwankungen. Bei der Hybride Holz/Holz werden laut Manfred Brandstätter leistungsfähigere Holzarten mit weniger festen gemischt. »Für Biegeträger kann man in der Zugzone Buche mit einer höheren Festigkeit einsetzen, im oberen Bereich wird mit Nadelholz wie Fichte gearbeitet.« Holz-Stahl-Hybridbauteile befinden sich laut Georg Jeitler, zuständig für Innovation in der Hasslacher Gruppe, noch in der Entwicklungsphase, mit Holz-Beton-Verbundwerkstoffen sei man hier schon wesentlich weiter, aber sicherlich noch nicht am Ende der Entwicklung. Immer mehr Architekten arbeiten sehr professionell mit Holzhybriden, stellen die Holzforscher ein gutes Zeugnis aus. Durch die Kombination mit anderen Materialien bleibe Holz kein Nischenprodukt.


Holzforschung Austria

Die Holzforschung Austria hat gemeinsam mit der Waldviertler Firma Holzbau Willibald Longin ein neues Deckenelement in Holz-Beton-Verbundbauweise ohne Stahlbewehrung und Klebefugen entwickelt, das trotzdem große Spannweiten erlaubt. Das Brettstapelsystem von Longin verbindet stehende Holzlamellen durch Buchendübel miteinander und gewährleistet damit eine hohe Steifigkeit und Biegetragfähigkeit. Die Geometrie erlaubt raumseitige Schallabsorber, die eine gute Akustik schaffen. 2020 wurde das Projekt mit dem Innovationspreis der ACR ausgezeichnet.

Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zellulose oder Stroh sind Thema des Forschungsprojekts ThermNat, durchgeführt in Kooperation mit Fraunhofer Deutschland. »Im Mittelpunkt stehen Wärmeleitfähigkeit und Dauerhaftigkeit, Faktoren, die bei nachwachsenden Dämmstoffen oft kritisch gesehen werden«, informiert Institutsleiter Manfred Brandstätter.

Der Forschungsbereich Holzfenster ist dominiert vom Vakuumglas, das infolge des geringeren Gewichts und reduzierter Glasdicke neue Konstruktionen und Öffnungsmechanismen erlaubt. »Beim Brandschutz befassen wir uns mit Simulationsrechnungen, um das Brandverhalten zu ermitteln.« Verbesserungspotential sieht er bei der Nutzung von Holz im gemeinnützigen Wohnbau. Da gebe es noch ungerechtfertigte materialspezifische Vorbehalte.

 

 

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