Nach dem klassischen Allianzvertrag »Infrastruktur« und dem Allianzvertrag »light« wird mit dem House of Science & Engineering der FH Campus Wien erstmals auch ein Hochbau als Allianzprojekt umgesetzt. Basis ist ein hybrides Vertragsmodell, das exakt auf die Bedürfnisse des Hochbaus zugeschnitten ist. Nach den ersten positiven Erfahrungen ist ein neues Projekt schon in Vorbereitung.
Lange Zeit galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass sich Allianzverträge nur für große Infrastrukturprojekte ab einem Volumen von rund 35 Millionen Euro eignen. Mit dieser vorherrschenden Meinung haben Auftraggeber Donau Chemie und Auftragnehmer Swietelsky mit Unterstützung von der auf Ingenieurdienstleistungen spezialisierten Bernard Gruppe und Heid und Partner im letzten Jahr gebrochen. Die weitgehend unspektakuläre Aufweitung eines bestehenden Stollens beim Projekt Kraftwerk Wiesberg wurde als Allianzvertrag »light« abgewickelt – zur vollsten Zufriedenheit von Auftraggeber und Auftragnehmer.
Bild oben: »Die Idee ist, die positiven Erfahrungen aus dem Allianzvertrag Infrastruktur in den Hochbau zu transferieren. Weil im Hochbau viele Auftraggeber keine eigenen Bauabteilungen haben, haben wir den Allianzvertrag Hochbau entsprechend angepasst«, sagt Daniel Deutschmann, Heid und Partner.
Beim Allianzmodell »light« werden nur bestimmte Aspekte aus dem klassischen Allianzmodell entnommen. Im konkreten Fall des Kraftwerks Wiesberg war das die gemeinsame Risikosphäre (risk sharing), die in einem eigenen Vergütungsmodell mit Bonus-Malus-System umgesetzt wurde. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch der von Daniel Deutschmann von Heid und Partner entwickelte Allianzvertrag »Hochbau«.
»Wir haben dieses neue Modell entwickelt, um den Besonderheiten des Hochbaus zu entsprechen. Denn im Gegensatz zu großen Infrastrukturprojekten wie Tunnelbauten gibt es im Hochbau in der Regel nicht die ganz großen Risiken und Unbekannten«, erklärt Deutschmann. Herausgekommen ist ein hybrides Modell, bei dem die Vergütung über Pauschal- und Maximalpreisvertrag erfolgt und mit einer gemeinsamen Risikosphäre ergänzt wird.
»Der Pauschalpreis kommt in den Bereichen zum Einsatz, die gut kalkulierbar sind und wo es kaum Optimierungspotenzial gibt. Die Leistungen werden in Form eines Generalunternehmers oder Totalunternehmers funktional ausgeschrieben«, erklärt Deutschmann. Der Maximalpreis-Anteil bietet Raum für eine gemeinsame Optimierung des Projekts durch Auftraggeber und Auftragnehmer. »Hier kann etwa versucht werden, gemeinsam die Subvergaben zu optimieren«, erklärt Deutschmann.
Bleibt man unter dem Maximalpreis, teilt man den Gewinn, bei Überschreitung des Maximalpreises trägt der Auftragnehmer die zusätzlichen Kosten. Dazu kommt eine gemeinsame Risikosphäre, die als Puffer für den Maximalpreis dient. »In diese gemeinsame Risikosphäre kann man die Aspekte des Projekts nehmen, die im Vorfeld nicht gut abschätzbar sind, etwa der Baugrund oder Bestandsrisiken wie Asbest«, erklärt Deutschmann. Durch diese vertraglichen Anreizsysteme soll eine echte Partnerschaft entstehen. Das Bonus-Malus-System sorgt bis zum Erreichen des Maximalpreis für Win-Win-Situationen.
Erste Praxiserfahrungen
Erstmals umgesetzt wurde der Allianzvertrag »Hochbau« beim Projekt House of Science & Engineering der FH Campus Wien. Dabei hat sich schon in der Vergabephase gezeigt, dass durch den Allianzvertrag und die partnerschaftliche Herangehensweise viel Input von Bieterseite gekommen ist. »Die bisherigen Erfahrung sind sehr positiv«, sagt Doris Link, Departmentleiterin Bauen und Gestalten an der FH Campus Wien. »Es besteht großes Interesse sowie eine hohe Bereitschaft und Offenheit auf Bieterseite und bei unseren Projektpartnern, neue Wege zu beschreiten, um eine Win-Win-Situation für alle Projektbeteiligten zu schaffen und sich nicht im gegenseitigen Zuschieben von Risiken, Verantwortungen und Fehlern zu verstricken«, so Link.
Die Vorteile des Allianzvertrag »Hochbau« sind laut Link vielfältig: So werden etwa die Ressourcen deutlich besser zur gemeinsamen Erreichung der Projektziele und gemeinsamen Problemlösung eingesetzt. Dazu konnten viele Bieterfragen rund um das BauSoll schon in der vorvertraglichen Phase klarer und widerspruchfreier definiert werden. »Bei der vorgegebenen kurzen Bauzeit konnten durch die kooperative Lösungsfindung hinsichtlich des Baulaufes die Risikozuschläge des Bieters entschärft werden«, ergänzt Martin Stopfer, Leiter Stabstelle Bauherrenmanagament. Als Hürden nennen Link und Stopfer das aufwendigere Vergabeverfahren und die Open-Book-Abrechnung, die eine kompetente und auch ressourcenmäßig ausreichend ausgestatteten Bauherrenorganisation erfordert.
Neues Projekt in den Startlöchern
Aufgrund der positiven Erfahrungen steht mit dem Neubau des House of Health Professionals das nächste Allianzvertrag »Hochbau«-Projekt der FH Campus Wienbereits in den Startlöchern. Aktuell wird das Projekt als Early Contractor Involvement-Modell mit einer Totalunternehmerausschreibung vorbereitet. »Durch das Know-how der Unternehmen erwarten wir, dass die Planungsarbeiten bereits bautechnische Optimierungen, wie beispielsweise vorgefertigte und standardisierte Elemente, berücksichtigen, um eine kurze Durchlaufzeit der Planungs- und Bauphase und monetäre Einsparungen zu gewährleisten«, erklärt Stopfer. Weiters ist vorgesehen, die Philosophie des Allianzmodells »Hochbau« mit den drei Säulen »Allianzvertrag«, »Lean Management« und »BIM« durch eine Verknüpfung von BIM mit dem Facilitymanagement System der FH Campus Wien zu ergänzen. »Das Aufsetzen eines solchen Modells bereits in der Planungsphase ist mit einem Totalunternehmer einfacher zu gestalten«, sagt Stopfer.n
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: Der Allianzvertrag »Hochbau« aus Sicht der Auftragnehmer.