Bei Bauvorhaben kommt es regelmäßig zu Konflikten in der Bauabwicklung. Ein bewährtes Instrument zur baubegleitenden Beilegung dieser Konflikte ist das Schlichtungsverfahren, bei dem die Parteien außergerichtlich Einvernehmen über strittige Fragen auf Grundlage von sachverhaltsbezogenen Vorschlägen eines unabhängigen und sachkundigen Dritten finden.
Teil 2 der Serie »Modelle zur außergerichtlichen Streitbeilegung«
Voraussetzungen und Begriff
Voraussetzung für ein Schlichtungsverfahren ist die Vereinbarung der Parteien, einen oder mehrere Konflikte in einem geordneten Verfahren unter Beiziehung eines gemeinsam beauftragten Schlichters abzuhandeln, um eine einvernehmliche Lösung des/r Konflikts/e auf Grundlage vom Schlichter ausgearbeiteter Vorschläge zu finden. Die Abrede kann bereits im Grundvertrag enthalten sein oder während der Bauabwicklung getroffen werden; die Parteien können vereinbaren, ein Schlichtungsverfahren ad hoc lediglich für einzelne Streitigkeiten abzuführen oder eine ständige »Clearingstelle« für bestimmte oder alle Streitigkeiten einzurichten.
Im Anlassfall wird dem Schlichter im Rahmen eines Schlichtervertrags der Auftrag erteilt, die Parteien anzuleiten, allenfalls in mehreren Schritten die jeweiligen Standpunkte aufzuarbeiten, um unter Anwendung seiner Fachkenntnis und unter Berücksichtigung der wechselseitigen Standpunkte konkrete Vorschläge für eine einvernehmliche Streitbeilegung durch die Parteien vorzulegen. Ziel des Schlichtungsverfahrens ist eine möglichst einfache, unbürokratische und rasche Streitbeilegung durch die Parteien selbst zu erzielen. Im Kern geht es darum, die Projektebene zu entlasten und Konflikte einer »geregelten« sowie entemotionalisierten Eskalation zuzuführen, wobei ein fachkundiger Schlichter in diesem Prozess an der konkreten Lösungsfindung mitwirkt. Die Wahl des Schlichters ist für den Erfolg der Schlichtung essentiell: i. d. R. hat nur eine Person, die das Vertrauen aller Beteiligten genießt und über entsprechende Fachkenntnisse verfügt, die Kompetenz, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
Verfahrensvorschriften
Das Schlichtungsverfahren unterliegt keinen Form- oder Verfahrensvorschriften. Die Parteien können daher insbesondere die Person des Schlichters, den Verfahrensablauf und die Ablaufdauer frei wählen, wobei hier auf standardisierte Verfahrensordnungen zurückgegriffen werden kann (etwa Verordnung der Bundesinnung Bau). Es empfiehlt sich, den zeitlichen Ablauf, die Mitwirkungsobliegenheiten der Parteien, die Hemmung der Verjährung, die Tragung der Verfahrens-kosten sowie allenfalls die Art der Beendigung des Schlichtungsverfahrens zu regeln. Insbesondere bei der Festlegung des Verfahrensablaufs sollte die Art der im Schlichtungsverfahren zu bereinigenden Konflikte berücksichtigt werden. Je nach Art des Konfliktes können unterschiedliche Verfahrensschritte sinnvoll sein.
Etwa kann gerade bei komplexen bauwirtschaftlichen Mehrkostenforderungen eine schrittweise Lösungsfindung (zunächst zum vertraglichen Leistungsumfang, in der Folge zum Anspruch dem Grunde nach und erst in einem letzten Schritt zum Anspruch der Höhe nach) zielführend sein. Weiters können im Schlichtungsverfahren zunächst einseitige Gespräche des Schlichters mit der jeweiligen Partei und insofern eine »gefilterte« Weitergabe der Standpunkte an die jeweils andere Seite bei bereits fortgeschrittenen Konflikten entemotionalisierend wirken.
Das Schlichtungsverfahren endet i. d. R. mit einem Protokoll über das Scheitern des Schlichtungsverfahrens oder die einvernehmliche Lösung. Die Parteien können in der Folge die Lösung als Vereinbarung umsetzen oder gar einen vollstreckbaren prätorischen Vergleich oder vollstreckbaren Notariatsakt abschließen. Auch die Regelung, dass ein Schlichtungsvorschlag mangels ausdrücklichem Widerspruch einer der Parteien bindend wird, ist möglich.
Bindungswirkung und Durchsetzung
Aussagen der Parteien im Schlichtungsverfahren sind weder bindend noch präjudiziell. Ein Schlichtungsvorschlag erlangt erst dann Bindungswirkung, wenn die Parteien ihren Konflikt einvernehmlich bereinigt haben. Sofern die Parteien keinen vollstreckbaren Exekutionstitel (prätorischer Vergleich; vollstreckbarer Notariatsakt) geschaffen haben, ist die vereinbarte Lösung lediglich materiell-rechtlich bindend; diese ist daher in einem weiteren Schritt gerichtlich durchzusetzen.
Scheitert das Schlichtungsverfahren, können die Parteien ihre Ansprüche, ungeachtet der Aussagen und allenfalls Zugeständnisse im Schlichtungsverfahren, gerichtlich geltend machen. Zu beachten ist jedoch, dass ein Anspruch, für den eine Schlichtungsabrede besteht, so lange nicht klagbar ist, solange das Schlichtungsverfahren nicht endgültig gescheitert ist.
Fazit
Das Schlichtungsverfahren eignet sich in Bausachen vor allem zur Abklärung von Meinungsverschiedenheiten in der Bauabwicklung aufgrund unterschiedlicher Vertragsauslegung sowie über bauwirtschaftliche und monetäre Folgen eines geänderten Bauablaufs.
Die Gestaltung des Verfahrens unterliegt im Wesentlichen der Parteiendisposition. Für den Erfolg des Schlichtungsverfahrens ist wichtig, dass das Verfahren möglichst einfach und unbürokratisch abgewickelt wird und kein umfassender Schriftsatzwechsel zwischen den Parteien erfolgt. Vielmehr sollten beide Parteien schon vor Durchführung des Schlichtungsverfahrens bereit sein, von ihren äußersten Standpunkten abzugehen und Kompromisse zu finden. Der Erfolg einer Schlichtung hängt wesentlich von der Person des Schlichters und dem Einigungswillen der Parteien ab.
Aussagen der Parteien im Verfahren sind für eine weitere Verfolgung der Ansprüche bei Scheitern des Schlichtungsverfahrens unbeachtlich. Das Schlichtungsverfahren entfaltet erst dann Bindungswirkung, wenn die Parteien tatsächlich ihren Konflikt einvernehmlich bereinigt haben.
Die Autoren
Katharina Müller ist Partnerin bei Müller Partner Rechtsanwälte mit den Beratungsschwerpunkten Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
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Mathias Ilg ist bei Müller Partner Rechtsanwälte spezialisiert auf Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
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