Beim Bauprojekt Taborama am Wiener Nordbahnhof wurden die Laborergebnisse des Forschungsprojekts Reduced Carbon Concrete einer praktischen Überprüfung unterzogen. Fazit: RCC-Betone verursachen 30 Prozent weniger CO2-Emissionen, richtig verarbeitet und nachbehandelt erreichen sie ähnliche Kennwerte wie konventionelle Betone.
Fazit: RCC-Betone verursachen 30 Prozent weniger CO2-Emissionen, richtig verarbeitet und nachbehandelt erreichen sie ähnliche Kennwerte wie konventionelle Betone.Bei den Bestrebungen, die Treibhausgasemissionen weltweit zu reduzieren, steht auch die Bauwirtschaft im Fokus. »Hier sollen auch Projektentwickler in der Verantwortung stehen und ihren Beitrag leisten. Als innovatives und nachhaltiges Unternehmen ist es uns ein besonderes Anliegen, im Bereich Ressourceneffizienz wegweisend in der Baubranche zu sein und neue Maßstäbe zu setzen«, so Strabag Real Estate Geschäftsführer Erwin Größ.
Vor allem Beton haftet in der öffentlichen Diskussion zu Unrecht ein negatives Image an. Denn über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, fällt die Klimabilanz von Beton durchaus positiv aus. Der Stempel »Klimasünder« ist in den prozessbedingten Emissionen bei der Herstellung des Bindemittels Zement begründet: Kalkstein und Ton werden vermahlen und auf 1450 Grad erhitzt. Dabei wandelt sich der Kalk zu Calciumoxid und CO2 wird freigesetzt.
Um den »CO2-Rucksack« von Beton zu reduzieren, wird deshalb versucht, Bindemittel mit vermindertem Klinkeranteil einzusetzen. Im Rahmen des Forschungsprojekts Reduced Carbon Concrete wurden unter der Leitung von Strabag Real Estate die Eigenschaften von CO2-reduzierten Performancebetonen (RCC) und konventionellen Betonen verglichen. Anhand des Bauprojekts Taborama am Wiener Nordbahnhof wurde die Praxistauglichkeit von Betonrezepturen mit klinker-reduziertem Zement und damit einer bauteilspezifischen Reduktion von ca. 30 % CO2-Äquivalente untersucht und die Übertragbarkeit der Laborergebnisse auf Realbedingungen geprüft.
Die Laboruntersuchungen
Den Beginn machte eine vergleichende Laborstudie, bei der die Entwicklung der Betonfestigkeiten von Performance- und konventionellen Betonen bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen (5°/10°/20°/32°C) bis zu einem Probealter von 90 Tagen untersucht wurde. Dabei zeigte der RCC Beton eine langsamere Festigkeitsentwicklung bei niedrigeren Temperaturen, welche sich aber mit fortschreitendem Betonalter bzw. bei höheren Temperaturen immer mehr der des konventionellen Beton anglich und teilweise sogar übertraf.
Einsatz in der Praxis
Auf dem Baufeld des Wohnprojekts Taborama wurden Betonagen in einer extra dafür errichteten Versuchsanordnung unter realen Baustellenbedingungen durchgeführt. »Wir haben Wand- und Deckenelemente sowohl bei sommerlichen Temperaturen von 20 Grad als auch bei winterlichen Temperaturen von nur fünf Grad betoniert«, erklärt Mischek-Projektleiter Michael Härtel.
Parallel dazu wurden auch Performanceversuche mit RCC Beton im Fertigteilwerk der Mischek Systembau GmbH durchgeführt, die von Frisch- und auch Festbetonprüfungen begleitet wurden.Der Praxiseinsatz am Wiener Nordbahnhof hat die Laborergebnisse bestätigt und gezeigt, dass sich CO2 reduzierter Beton ähnlich gut zu Wand- und Deckenelementen verarbeiten lässt wie konventionelle Betone. Das Fließverhalten in der Schalung ermöglichte eine gute Verarbeitung, die 28-Tage Festigkeit wurde zielsicher erreicht und die gemessenen Dauerhaftigkeitsindikatoren waren bei entsprechender Nachbehandlung vergleichbar.
»Unterschiede gibt es aber in der Frühfestigkeitsentwicklung«, erklärt Härtel. Innerhalb der ersten 28 Tage kommt es bei einer Außentemperatur von zwölf bis 20 Grad zu einer etwas verzögerten Festigkeitsentwicklung, bei fünf bis zwölf Grad zu einer deutlichen Verzögerung. Unter null Grad wird von einer konventionellen Verarbeitung von RCC-Betonen derzeit abgeraten.
Wichtige Nachbehandlung
Der Praxiseinsatz hat außerdem gezeigt, dass für die Gleichwertigkeit von RCC-Betonen der Nachbehandlung eine große Bedeutung zukommt. »RCC-Betone brauchen in dieser Hinsicht deutlich mehr Aufmerksamkeit als es der aktuellen Praxis bei herkömmlichen Betonen entspricht«, erklärt Reinhard Pamminger, Geschäftsführer der Materialprüfanstalt Hartl.
Die Art der Nachbehandlung ist abhängig von den Temperaturen. Bei höheren Temperaturen muss ausreichend Verdunstungsschutz zur Vermeidung von Rissbildung aufgebracht werden. Ideal sind Folien u. Ä. zum Schutz vor Austrocknung. Bei niedrigen Temperaturen sollte für eine bessere Frühfestigkeit ein Vlies aufgebracht werden, um die Ausschalzeiten zu verkürzen. »Werden diese Maßnahmen konsequent umgesetzt, sind die Betonkennwerte von RCC wie Carbonatisierung und Wasseraufnahme gut und mit konventionellen Betonen vergleichbar«, erklärt Strabag Bereichsleiter Wohnbau Lukasz Kujawa.
Einzug ins Normenwesen
Der Einsatz von RCC-Betonen erfordert auch ein Umdenken in der Normenlandschaft. In der aktuellen Betonnorm EN206/ONÖRM B 4710 wird konventioneller Beton über deskriptive Parameter wie Mindestbindemittelgehalt oder maximaler Wasserbindemittelwert definiert. RCC-Betone erfüllen einige dieser Anforderungen nicht, sondern folgen dem in der Norm als alternative Nachweismethode geführten Konzept für Performancebetone.
Dafür gibt es in Österreich bislang aber noch keine normative Parameterdefinition. »Um das aktuelle legistische Problem zu lösen, soll zeitnah mit der ÖNORM 23339 ein zweiter normativer Weg für Perfomancebetone definiert werden, der auch für RCC-Betone nutzbar sein wird«, erklärt der Sachverständige und Experte für Betontechnologie Johannes Horvath.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick
- Sommer- und Winterversuche haben gezeigt, dass sich RCC gleich gut zu Wand- und Deckenelementen verarbeiten lässt wie konventioneller Beton.
- Wesentlich für die Gleichwertigkeit von RCC ist die Nachbehandlung.
- Die Ergebnisse der Baustellenproben bestätigen die Laborversuche, die im Vorfeld und parallel zu den in-situ-Versuchen durchgeführt wurden.
- Ein Monitoring des Aushärtegrades durch ein System wie Concremote ist sinnvoll, um die Aushärtegeschwindigkeit zu beobachten und die Ausschalzeiten zu optimieren.
n RCC-Projektergebnisse sollten Einzug in das Normenwesen halten.
Das Forschungsprojekt: Who is Who
- Projektnehmerin: Strabag Real Estate
- Projektkoordinatoren: bauXund forschung und beratung gmbh, forschen planen bauen Romm ZT
- Technische Beratung: Dr. Roland Mischek ZT GmbH
- Betontechnik: Dr. Johannes Horvath
- Prüfinstitut: Materialprüfanstalt Hartl GmbH
- Baufirma: Strabag SE
- Betonhersteller: Wopfinger Transportbeton Ges.m.b.H.