Gefragt ist die optimal unvollständige Leistungsbeschreibung
Diese Forderung stellt Klaus Eschenbruch für die Beschreibung, Definition und Detaillierung der Aufgaben eines Projektsteuerers (»PS«) im Projektsteuerungsvertrag.1 Auch wenn diese Forderung auf den ersten Blick viele Bauherren erschaudern lässt – wer will schon »unvollständige« Verträge? – spiegelt sie doch die hohe Kunst des Vertragsmanagements wider.
Die Anforderungen an die erfolgreiche Abwicklung von Bauprojekten steigen: Auftraggeber (»AG«) kalkulieren (zu ?) knappe Kosten und Bauzeit und bestehen auf hohe Qualität der Bauleistungen. Der spätere Nutzer einer Immobilie erwartet höchste Standards bei Komfort, Energieverbrauch und Langlebigkeit eines Gebäudes. Um all diesen Anforderungen zu entsprechen, ist die Organisation und Steuerung von Bauprojekten immer stärker gefordert.
Mit 01.02.2021 wurde die ÖNORM B1801-1 »Bauprojekt- und Objektmanagement – Teil 1: Objekterrichtung« neu aufgelegt. Sie legt Standards für die Planung und Gliederung der Handlungsbereiche Qualität, Kosten und Termine fest, welche die wichtigsten Erfolgskriterien im Hochbau darstellen.
Leistungsbild Projektleitung
Um den Bauherren angesichts der steigenden Organisationsherausforderungen zu unterstützen, hat sich die Funktion des Projektsteuerers entwickelt und bewährt. Es gibt keine gesetzliche Definition von »Projektmanagement« oder »Projektsteuerung«, für welche Begriffe oft ein anglo-amerikanisches Verständnis prägend ist. Ebenso findet man keine gesetzlich vorgeschriebenen Leistungsbilder oder Standards.
Die TU Graz (Prof. Lechner und Prof. Heck) hat im Rahmen der »Leistungsmodelle.Vergütungsmodelle 2014« aber ein für den österreichischen Markt sinnvoll anwendbares Leistungsbild »Projektleitung« und ein Leistungsbild »Projektsteuerung« geschaffen.
Transaktionaler Vertrag
Angesichts der Vielfalt an möglichen Projektsteuerungsleistungen gibt es konsequent auch »den« Projektsteuerungsvertrag nicht; es gilt die »optimal unvollständige Leistungsbeschreibung« selbst zu finden. Die Verwendung eines »Vertragsmusters« für einen Projektsteuerungsvertrag kann lediglich als Checkliste dienen.
Der Projektsteuerungsvertrag ist in besonderem Maße transaktional, also von einem laufenden Austausch zwischen dem AG und dem PS geprägt. Für die sinnvolle Zusammenarbeit ist es daher notwendig, auch die Aufgaben des AG klar zu definieren, da dessen aktive Mitwirkung für das Immobilienprojekt unerlässlich ist.
Oft sind sich AG nicht bewusst, dass sie Arbeit einbringen müssen, die über bloße »Bemusterung« hinausgeht. Betreffend die »Preisseite« des Projektsteuerungsvertrages gibt es die auch sonst bei Planer- oder Bauverträgen üblichen Spielarten mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen im Einzelfall.
So können pauschale Vergütungen, manchmal verknüpft mit anrechenbaren Projektkosten oder auch abhängig von Zeiteinheiten, möglich und sinnvoll sein. Besonderes Augenmerk sollte auf den qualifizierten Personaleinsatz gelegt werden, da nicht genügend qualifiziertes Personal oder häufiger Personalwechsel in besonderem Maße schädlich sind.
Preiswettbewerb ungeeignet
Für die Wahl des Projektsteuerers und den Vertragsabschluss mit diesem ist (unabhängig vom Vergaberecht) ein Verhandlungsverfahren sinnvoll, in dem in mehreren Verhandlungsschritten die wechselseitigen Rechte und Pflichten konkret festgelegt werden; ein reiner Preiswettbewerb für den Billigstbieter ist hier ungeeignet. Ein erzielter Minderpreis bei der Honorierung des PS steht mit den Mehrkosten eines aus den Fugen geratenen Bauprojektes in keiner vernünftigen Relation.
Wenn der Projektsteuerungsvertrag werkvertraglich angelegt ist, sind die Projektziele genau zu definieren. Die Vertragskunst ist es, hier nicht bloß schön klingende Präambeln und Wünsche des AG zu formulieren, sondern konkrete und vom AG selbst für das Projekt gesetzte Ziele niederzuschreiben: Je besser der AG seine eigenen Ziele definiert, desto besser kann er diese für den Projektsteuerungsvertrag vorgeben.
Ganzheitliches Verständnis
Auch wenn es trotz Anwendung von Leistungsbildern unmöglich ist, jede einzelne Tätigkeit im Detail zu regeln, so sollte doch der Versuch der »optimal unvollständigen« Leistungsbeschreibung unternommen werden: Dabei geht es weniger um die möglichst detaillierte Formulierung von gewünschten Leistungen, sondern um das Herstellen des ganzheitlichen Verständnisses für die beiderseitigen Pflichten. Standard-Leistungsbilder sind z. B. an die Projektleitungs-Struktur des AG anzupassen, um »Schnittstellenprobleme« zu vermeiden.
Die sorgfältige gemeinsame Erarbeitung eines Projektsteuerungsvertrages durch Auftraggeber, Projektsteuerer und Vertragserrichter schafft so eine solide Basis für gutes Management im Bauprojekt.
Der Autor
Dr. Konstantin Pochmarski ist Spezialist für Zivilrecht und all den damit verbundenen Arten der gerichtlichen und außergerichtlichen Streitsachen. Vor der Gründung der KPK (Kanzlei Pochmarski Kober) war er als Zivilrichter, Exekutionsrichter sowie Mitglied eines Rechtsmittelsenats mit der Zuständigkeit für Amtshaftungen in der Justiz bundesländerübergreifend tätig. Hierauf folgte eine mehrjährige Phase als Partner einer Grazer Rechtsanwaltskanzlei.
1 Klaus Eschenbruch, Projektmanagement und Projektsteuerung 5, 169 (Hürth 2021).