2020 ist für die Dämmstoffindustrie besser gelaufen als erwartet. Die befürchteten Katastrophen sind nicht eingetreten. Am Ende stand ein kleines, aber für die meisten Unternehmen verkraftbares Minus. Für 2021 rechnen führende Branchenvertreter wieder mit Wachstum. Dafür braucht es aber auch die Hilfe der Politik. Konkrete Ideen zur Ankurbelung der Konjunktur gibt es genug.
Aktuell ist das Bild, wie die österreichische Dämmstoffindustrie durch das Krisenjahr 2020 gekommen ist, noch ziemlich unscharf. Die Schätzungen gehen deutlich auseinander. Die letzten verlässlichen Zahlen stammen aus dem Branchenradar-Trend vom Juli 2020. Dabei wurde bei den Herstellern das erste Halbjahr 2020 abgefragt sowie ein Ausblick auf das Gesamtjahr erhoben.
»Demnach sank die Nachfrage im ersten Halbjahr 2020 im umsatzgewichteten Mittelwert um -7,4 % gegenüber dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr erwartete man ein Minus von 4,3 %«, erklärt Branchenradar-Geschäftsführer Andreas Kreutzer, der aus heutiger Sicht aber davon ausgeht, dass das Gesamtjahr »deutlich besser gelaufen ist«.
Ein Rundruf unter führenden Branchenvertretern erhärtet diese Einschätzung. Wolfgang Folie, Capatect Marktmanager WDVS, geht von einem leichten Minus von 1,5 bis 2,5 % für den Gesamtmarkt aus. »Bei Nicht-WDVS-Dämmungen wie EPS-Platten für die Dachbodendämmung oder EPS/Mineralwolle-Dämmungen für hinterlüftete Fassaden wird das Minus etwas geringer ausfallen als bei den klassischen WDVS-Dämmmaterialien«, erklärt Folie, der zu Beginn der neuen Bausaison aber ein leichtes Ansteigen der Verkaufspreise erkennt. Roland Hebbel, Geschäftsführer von Steinbacher Dämmstoffe, spricht von einem reduzierten Marktvolumen um die 8 % durch den ersten Lockdown und den völligen Stillstand im März 2020.
»Das konnte im restlichen Jahr nicht mehr alles aufgeholt werden. Prinzipiell hat sich die Baubranche in dieser turbulenten Zeit als Fels in der Brandung erwiesen, sodass auch die Dämmstoffindustrie ein geringeres Minus verbuchen kann als der Rest von Österreich«, so Hebbel. Austrotherm-Geschäftsführer Klaus Haberfellner spricht ebenfalls von einem Absatzrückgang, der allerdings von einer erhöhten Nachfrage aus dem Ausland kompensiert wird. »Die Dämmstoffbranche ist trotz ungünstiger Voraussetzungen gut durch das Jahr gekommen«, sagt Haberfellner. Auch laut Manfred Wagner, Geschäftsführer von Rockwool, hat sich »die Krise nicht dramatisch auf die Branche ausgewirkt«.
Der Blick nach vorne
Naturgemäß noch etwas unschärfer als das Bild 2020 ist der Ausblick auf das laufende Jahr. Viel wird davon abhängen, wie lange der aktuelle Lockdown dauert und ob es zu weiteren Lockdowns kommen wird. »Im Durchschnitt erwarte ich ein Wachstum von 3 %, je nach Sparte mehr oder weniger. Im Tourismus beispielsweise wird es weniger sein, im Wohnungsbau dagegen mehr. Vorausgesetzt, die Projekte, die lange auf Eis lagen, wurden durch die öffentlichen Stellen bewilligt«, sagt Hebbel. Für die Bauwirtschaft wird ein Wachstum von 2,5 % prognostiziert. »Ob das hält, hängt wenig überraschend vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.
Da sich mit Stand Anfang Februar keine wirkliche Verbesserung abzeichnet, werden diese 2,5 % ein ehrgeiziges Ziel sein«, sagt Wolfgang Folie. Eine starke Nachfrage nach Dämmstoffen sieht hingegen Klaus Haberfellner. Der Auftragsstand der Kunden sei gut und die Rahmenbedingungen würden passen. »So sind die Zinsen weiterhin auf niedrigem Niveau, wodurch gute Voraussetzungen für Investitionen in Immobilien gegeben sind«, ist Haberfellner überzeugt.
Auch Manfred Wagner rechnet mit einem Wachstum, geht aber davon aus, dass Privatinvestitionen im Zusammenhang mit Tourismus weitestgehend ausfallen und die Investitionen in Gewerbe- und Industriebauten sinken. Auch Gemeindefinanzierungen werden laut Wagner geringer ausfallen. »Da Gemeinden die größten Auftraggeber der Republik sind, wäre eine Unterstützung durch Bund und Länder äußerst wichtig.«
Wünsche an die Politik
Im Kampf gegen den Klimawandel kommt der Bau- und Immobilienwirtschaft eine bedeutenden Rolle zu (siehe auch beigelegtes Sonderheft). Immerhin zehn Prozent der nationalen Treibhausgas-Emissionen entfallen auf Gebäude. »Hier gibt es nach wie vor Handlungsbedarf«, sagt Austrotherm Geschäftsführer Haberfellner. Zwar sei die thermische Sanierung als klimapolitische Maßnahme als wesentliche Priorität erkannt, die Realisierung und Umsetzung dieses Zieles erweise sich allerdings bis jetzt als schwierig. »Seitens der Politik bedarf es zielgerichteter Maßnahmen, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern und den CO2-Verbrauch zu reduzieren“, so Haberfellner.
Die Neuauflage des Sanierungsschecks wird von der Branche wenig überraschend begrüßt. Sauer stößt vielen aber auf, dass die »Raus aus Öl und Gas«-Initiative von der Politik medial deutlich stärker kommuniziert wird. »Dabei ist gerade zuerst die Reduktion des Energieverbrauches und dann erst die Heizsystemumstellung der Hebel gegen den Klimawandel«, ist Haberfellner überzeugt. Damit der Sanierungsscheck besser angenommen wird, müsste er zudem unbürokratischer sein und die Deckelung angehoben werden.
Diese liegt aktuell bei 30 % bzw. maximal 6.000 Euro. »Hier müsste der Staat etwas großzügiger sein. Gerade in Zeiten wie diesen muss man Sanierungswillige unterstützen, das fördert das Handwerk und sichert Arbeitsplätze«, so Haberfellner. Roland Hebbel wünscht sich steuerliche Anreize nach dem Vorbild anderer europäischer Länder. »Beispielsweise ermöglicht das italienische oder französische Modell, Investitionen im Bau steuerlich abzusetzen. Dies wiederum führt unter anderem zu einem deutlichen Anstieg im Bereich der thermischen Sanierung«, ist Hebbel überzeugt.
Wolfgang Folie fordert zusätzlich eine direkte Unterstützung der angeschlagenen Tourismus- und Übernachtungsbranche. »Zu viele Wirtschaftsbereiche, darunter auch der Bau, hängen an der Investitionskraft dieser Branche.« Und Manfred Wagner hofft auf beschleunigte Bauinvestitionen von Bund, Ländern und Gemeinden sowie eine rasche Erteilung von Baugenehmigungen, damit sich die gesamte Bauwirtschaft rasch erholen kann.