Im Rahmen des Forschungsprojekts Reduced Carbon Concrete werden die Eigenschaften von CO2-reduzierten Performancebetonen und konventionellen Betonen verglichen und untersucht, unter welchen Voraussetzungen CO2-arme Betone auf Baustellen zum Einsatz kommen können. Die Ergebnisse werden aktuell beim Bauprojekt Taborama einer praktischen Prüfung unterzogen.
Das Forschungsprojekt: Who is who
- Projektnehmer: Strabag Real Estate GmbH
- Projektkoordinatoren: bauXund forschung und beratung gmbh, forschen planen bauen Romm ZT
- Statik: Dr. Roland Mischek ZT GmbH
- Betontechnik: Dr. Johannes Horvath
- Prüfinstitut: Materialprüfanstalt Hartl GmbH
- Baufirma: Strabag SE
- Betonhersteller: Wopfinger Transportbeton Ges.m.b.H.
Die Bekämpfung des Klimawandels und die Ökologisierung der Bauweisen sind untrennbar mit der Notwendigkeit zur Minderung von Treib-hausgasen verbunden. Dabei kommt Beton, dem weltweit meistverwendeten Baustoff, eine zentrale Rolle zu. Von seiner Zusammensetzung her ist klar, dass der überwiegende Anteil am CO2-Footprint des Betons vom eingesetzten Zement bzw. dem Zementklinker stammt. Somit kann eine signifikante Reduktion der dem Beton zugeordneten CO2-Emissionen durch den Einsatz von Bindemitteln mit vermindertem Klinkeranteil erreicht werden.
Aus betontechnologischer Sicht bedeutet das entweder den Einsatz von Zementen mit niedrigerem Klinkeranteil, eine Änderung der Betonrezeptur hinsichtlich des Verhältnisses Zement zu Zusatzstoffen oder den Einsatz gänzlich alternativer Bindemittel.
Bild oben: Im Wohnbauprojekt Taborama am Wiener Nordbahnhof wird der Einsatz von CO2-armen Beton in der Praxis getestet
Aus formaler Sicht ist damit weiters die Abkehr vom bisherigen deskriptiven Konzept der Betonnorm verbunden, welches derzeit wesentliche Parameter wie Mindestbindemittelgehalt, maximalen Wasser/Bindemittelgehalt oder die Auswahl der Zementsorten explizit vorgibt, hin zum Konzept der gleichwertigen Betonleistungsfähigkeit.
Bei diesem sind Abweichungen von den deskriptiven Vorgaben grundsätzlich zulässig, jedoch muss durch Prüfungen nachgewiesen werden, dass der Beton eine gleichwertige Leistungsfähigkeit hinsichtlich der jeweiligen Expositionsklassen aufweist. Die normativen Rahmenbedingungen für den Einsatz solcher Performancebetone sind allerdings noch nicht vollständig ausgearbeitet und darüber hinaus mangelt es bis jetzt auch an bereits praktisch umgesetzten Bauvorhaben.
Performancebetone in der Praxis
Am Wiener Stadtentwicklungsgebiet Nordbahnhof befindet sich zurzeit ein herausforderndes Bauprojekt, welches genau diese Fragestellungen aufgreift. Bei dem von der Strabag Real Estate GmbH als Bauträger geplanten 19-stöckigen Taborama Wohnhochhaus (213 Wohneinheiten, ca. 20.000m² BGF) soll die praktische Einsetzbarkeit von CO2 reduzierten Betonen umfassend evaluiert werden und idealerweise auch im Zuge der Bauausführung umgesetzt werden. Die konsequente Anwendung dieser neuen Performancebetone bei diesem Bauvorhaben wäre ein wesentlicher Schritt, um hier ein Leuchtturmprojekt in Bezug auf CO2-Einsparung zu schaffen.
Da sich die Wopfinger Transportbeton Ges.m.b.H. als innovativer Betonhersteller bereits seit Langem mit dem Thema CO2-armer Beton befasst, wurde sie vom Bauträger eingeladen, zusammen mit den weiteren Projektpartnern einen Plan zum praktischen Einsatz dieser Betone zu entwerfen. Das Konzept der Performancebetone ist mit den am Markt verfügbaren Produkten grundsätzlich sofort umsetzbar.
Eine erste Abschätzung zeigt ein theoretisches Einsparungspotential der gebäudebezogenen CO2-Emissionen im Bereich von 10-20%, verglichen mit dem Einsatz konventioneller Betone. Gleichzeitig sind aber wesentliche Fragen betreffend die alltägliche Baupraxis sowie die Übertragbarkeit von Laborergebnissen auf reale Baustellenbedingungen noch offen. Aus diesem Grunde wurde unter dem Titel RCC (Reduced Carbon Concrete) ein praxisnahes achtmonatiges Forschungsprojekt gestartet, welches vom Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) und der MA20 Energieplanung der Stadt Wien gefördert wird.
Projektnehmer ist die Strabag Real Estate GmbH. Neben den Projektkoordinatoren (bauXund forschung und beratung gmbh, forschen planen bauen Romm ZT) sind die weiteren Projektpartner Dr. Roland Mischek ZT GmbH (Statik), Dr. Johannes Horvath (Experte für Betontechnik), Materialprüfanstalt Hartl GmbH (Prüfinstitut, Experte für Betontechnik), Strabag SE (Baufirma) und Wopfinger Transportbeton Ges.m.b.H. (Betonhersteller).
Die Forschungsfragen
Die wesentlichen Themenbereiche, die mit dem Forschungsprojekt RCC behandelt werden sollen, sind:
n Vergleich grundsätzlicher Eigenschaften von Performance- und konventionellen Betonen im Labor und unter realen Baustellenbedingungen; Übertragbarkeit der Laborergebnisse auf Realbedingungen; Einsatz spezieller Prüfmethoden zum direkten Monitoring von Betoneigenschaften auf der Baustelle
- Durchführung von Praxistests mit realen Bauteilen zur Ermittlung des Aufwandes hinsichtlich Nachbehandlung und Ausschalfristen unter Sommer- und Winterbedingungen
- Ermittlung des Schulungsaufwandes für die Ausführenden
- Erstellung eines umfassenden Konzeptes für die praktische Anwendung von RCC (Reduced Carbon Concrete)
- Einfließen der Ergebnisse in die Normungsarbeit zur Umsetzung des Konzepts der gleichwertigen Betonleistungsfähigkeit
Die praktische Durchführung des Forschungsprojektes erfolgte in mehreren Schritten. Zunächst wurde im Rahmen einer vergleichenden Laborstudie von Wopfinger Transportbeton die Entwicklung der Betonfestigkeiten von Performance- und konventionellen Betonen bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen (5°/10°/20°/32°C) bis zu einem Probealter von 90 Tagen untersucht. Dabei zeigte der RCC Beton eine langsamere Festigkeitsentwicklung bei niedrigeren Temperaturen, welche sich aber mit fortschreitendem Betonalter bzw. bei höheren Temperaturen immer mehr der des konventionellen Beton anglich und teilweise sogar übertraf. Aus langfristiger Sicht ist somit kein Problem hinsichtlich der Festigkeit zu erwarten.
In weiterer Folge wurden zwei Versuchsbetonierungen unter tatsächlichen Sommer- und Winterbedingungen direkt auf der Baustelle durchgeführt, wobei jeweils mehrere Decken- und Wandelemente in praxisrelevanten Dimensionen hergestellt wurden. An diesen Elementen konnten neben betontechnologischen Parametern (Festigkeit, E-Modul, Karbonatisierung, etc.) insbesondere auch die wichtigen Aspekte der Verarbeitbarkeit des Betons, des Einflusses unterschiedlicher Nachbehandlungsarten und die Dauer von Ausschalfristen untersucht werden. Ein Teil der Prüfungen ist noch nicht abgeschlossen, da Probekörper bis zu einem Alter von 90 Tagen untersucht werden.
Vergleichbar mit konventionellem Beton
Die Ergebnisse dieser Praxisversuche zeigten, dass die Verarbeitbarkeit des RCC Betons grundsätzlich vergleichbar mit der des konventionellen Betons ist. Hinsichtlich der Nachbehandlung (Feuchthalten, Schutz vor zu rascher Abkühlung) ist ein strikteres Augenmerk auf die Einhaltung der Vorgaben zu legen, als es der derzeitigen Praxis entspricht.
Die Ausschalfristen sind an die zu erwartende Festigkeitsentwicklung des RCC Betons anzupassen, wobei in der Praxis der Einsatz einer Messeinrichtung des Betonreifegrades dabei helfen kann, frühere Ausschalzeitpunkte zu erkennen. Es ist somit ein etwas höherer Aufwand seitens der Bauausführenden notwendig, um den Vorteil des CO2‑armen Baustoffs nutzen zu können. Eine entsprechende Schulung vor Baubeginn ist somit sinnvoll, um auf diesen Umstand deutlich hinzuweisen.
Aus den vorliegenden Ergebnissen konnte ein Konzept für die Anwendung von RCC Beton erstellt werden, welches derzeit in Hinblick auf die Anwendbarkeit und praktische Umsetzung beim Bauvorhaben Taborama geprüft wird.
Der Autor:
DI Hans-Jürgen Zeiler hat Technische Chemie an der TU Graz studiert und ist seit 2016 verantwortlich für Qualitätsmanagement und F&E bei Wopfinger Transportbeton. Davor war er 19 Jahre lang bei einem internationalen Zementhersteller tätig.