Mehrparteienverträge sollen die Kultur auf Baustellen nachhaltig und langfristig verändern. An die Stelle von Konfrontation und Streit tritt das Streben nach dem bestmöglichen Projekterfolg. Möglich werden soll dies durch eine frühzeitige Einbindung der ausführenden Unternehmen und eine neue Projektkultur. Ein in den Niederlanden äußerst erfolgreiches Partnerschaftsmodell ist das Bauteam-Verfahren, dass das Miteinander aller Beteiligten in den Vordergrund stellt. Dabei zeigt sich, dass gute Kommunikation deutlich mehr ist als strukturierte Information.
Die Baubranche ist in Bewegung. Immer öfter wird der Wunsch nach weniger Konflikten im Projekt geäußert. Die Menschen möchte miteinander und nicht gegeneinander bauen, fachlich anspruchsvoll und mit gegenseitigem Vertrauen. Und so ist die Zeit reif, um neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren. In den Niederlanden werden viele Bauprojekte inzwischen nach dem Prinzip des Bauteam-Modells umgesetzt.
In Bauteams ziehen Planer schon in der Vorentwurfsphase Ausführende hinzu. Ganz bewusst gibt es keine klaren Trennungen von Verantwortung oder Zuständigkeiten, sondern alle an dem Projekt Beteiligten arbeiten gleichberechtigt und gemeinsam. In Deutschland ist der Name „Bauteam“ leider nicht mehr als Fachbegriff frei, unter dem Titel der integrierten Projektabwicklung, der Mehrparteien- und Allianzverträge wird aber wie in Österreich an ähnlichen Konzepten gearbeitet.
In einer Vielzahl von Projekten werden Vertragsformen erarbeitet, Preismodelle und Haftungskonzepte entwickelt. Mit BIM wird die Plantiefe deutlich verbessert und die Detailabstimmung erleichtert. Lean-Methoden zeigen Konfliktpunkte im Ablauf lange bevor das Problem auftritt und Verträge regeln das Vorgehen im Haftungsfall.
Bild oben: Ohne einer Klärung des Projektzieles ist der Projekterfolg dem Zufall überlassen.
Verändern diese Werkzeuge aber auch die Art der Zusammenarbeit, das zwischenmenschliche Miteinander? Auf den ersten Blick schon, denn die Informationen werden besser strukturiert und übersichtlicher präsentiert, das führt zu weniger Missverständnissen. Aber es gibt kein fehlerfreies Bauprojekt. Verbesserte Prozesse, mehr Zahlen und Vereinbarungen verringern die Anzahl der Fehler. Aber ein Delta zwischen »perfekt« und »so ist es« wird es immer geben. Damit wir in Bauprojekten gut zusammenarbeiten, müssen wir erst die Frage beantworten, wie wir mit diesem Delta umgehen. Die integrierte Projektabwicklung bietet sehr gute Rahmenbedingungen dafür.
Gute Kommunikation hat viele Bausteine
Der erste Schritt in Richtung einer offenen Kommunikation sind Projektklärungsgespräche. In der Abbildung rechts hat niemand überprüft, wieso der Auftraggeber die Schaukel so und nicht anders haben möchte. Niemand hat nachgefragt, ob der Planer das Projektziel richtig verstanden hat. Ohne einer Klärung des Projektzieles ist der Projekterfolg dem Zufall überlassen. In dieser Bilderfolge werden zwischen den Projektschritten Informationen weitergegeben, aber es findet offensichtlich zu keinem Zeitpunkt Kommunikation statt.
Wenn der Auftraggeber und der Planer das gemeinsame Projektziel definiert haben, findet das Projektstartgespräch statt. Hier wird ein Gesamtrahmen für das Projekt entworfen und es werden die nächsten Projektschritte festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt wird entschieden, ob die Maßnahme klassisch ausgeschrieben werden soll oder ob nach einem integrierten Verfahren gearbeitet werden soll.
Soll im Rahmen einer integrierten Projektabwicklung gearbeitet werden, erarbeitet der Planer die Vorplanung. Anhand der Anforderungen der Vorplanung werden die fachlichen Anforderungen an das Bauunternehmen festgelegt. In der klassischen Auftragsvergabe werden Qualitätskriterien und Erfahrung abgeprüft und daraufhin beauftragt. Für eine integrierte Projektabwicklung werden im Rahmen von Workshops und anderen Formaten mögliche Partner gesucht. Um die geforderte kollaborative Projektkultur leben zu können, müssen die Beteiligten neben der fachlichen Eignung bereit sein, sich auf eine intensive Projektkommunikation einzulassen.
Ohne Miteinander keine Kommunikation
Der Begriff Kommunikation wird gerne als Synonym für Information verwendet. Echte Kommunikation bedeutet aber, dass Information gegeben und verstanden wird. Der Austausch von Zahlen, Daten und Fakten wird in der Kommunikation um die zwischenmenschliche Ebene erweitert, es geht um das WIE des zwischenmenschlichen Miteinanders.
Denn wie soll zum Beispiel der Fachplaner damit umgehen, wenn der Bauleiter ihm wiederholt zeigt, dass seine Detailplanung in der Praxis nichts taugt? Wie geht andersherum der Bauleiter damit um, wenn der Fachplaner ihm erklärt, dass der Stand der Technik sich längst weiterentwickelt hat? Wie gehen beide damit um, dass der Bauherr danebensteht und sich so seine Gedanken dazu macht? Es geht um Stolz, Verletzlichkeit, Ehre.
In einem Team arbeiten Menschen miteinander, und in einem Bauteam wissen diese Menschen darum, wie wichtig gegenseitige Wertschätzung ist, wie Vertrauen aufgebaut wird und wächst und wie schwer es sein kann, einen Fehler zuzugeben.
Woran Projekte scheitern
Projekte scheitern nicht an der Technik, sie scheitern an den Menschen. Das Konzept der Bauteams nimmt diese Idee auf. Stehen die Partner im Bauteam fest, wird im Rahmen eines Workshops zur Teamausrichtung das gemeinsame Projektziel definiert. Was erst einmal offensichtlich scheint, birgt Schwierigkeiten in der Art der Abstimmung, der Einsatzbereitschaft und der Klarheit von Aufgaben.
Das große Wort Projektkultur kann leicht geschrieben werden, muss aber auch mit Inhalt gefüllt werden. Für eine starke Teambindung brauchen die Menschen Vertrauen zueinander. Wenn bereits zu Projektbeginn gemeinsam daran gearbeitet wird, wie man mit Konflikten und Fehlern umgehen möchte, erleichtert das die Lösung von später auftretenden Problemen.
Im laufenden Projekt ist es wichtig, die Stimmung im Team immer zu beobachten. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist die Voraussetzung für erfolgreiche kollaborative Arbeit. Regelmäßige Workshops und Teambuildingmaßnahmen unterstützen den Zusammenhalt und die Belastbarkeit der Beziehungen. Jede personelle Veränderung im Team muss beachtet und bearbeitet werden. Mit sogenannten »Onboarding« und »Offboarding«-Ritualen werden Menschen verabschiedet oder in das Team aufgenommen. Die Menschen kommen im Team an und das Team gewöhnt sich an den Menschen, ein neues Wir-Gefühl kann sich entwickeln.
Erfolge feiern
Zum regelmäßigen Austausch der Projektinformationen werden gerne sogenannte »open-rooms» oder Obeya-Räume genutzt. Hier werden alle Projektinformationen zentral gesammelt. Neben den aktuellen Planunterlagen liegen hier alle Terminpläne, Protokolle und Vertragsunterlagen zur Einsicht bereit. Falls Lean-Methoden eingesetzt werden, ist das Lean-Board oder Dashboard in diesem Raum aufgebaut.
Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt sind die zufälligen Gespräche in diesen Räumen. Ebenso wie zufällige Treffen auf dem Flur oder in der Kaffeeküche sind sie ein wichtiger Baustein damit die Projektbeteiligten im persönlichen Kontakt bleiben. Die Bereitstellung der Projektinformationen und der persönliche Austausch ist auch online möglich. In dafür vorgesehenen Projekträumen können die Beteiligten sich auch über Videoportale austauschen.
Schließlich gehört zu einer guten Kommunikation im Projekt auch das Feiern von Erfolgen. Der selbstgebackene Kuchen zum Geburtstag, das Lob zu Beginn einer Besprechung sind wichtige Zeichen der Wertschätzung und fördern den Zusammenhalt im Team. Wer feiert heute noch das Richtfest?
Das Konzept des Bauteams und der integrierten Projektabwicklung bietet sehr gute Rahmenbedingungen, um Bauprojekte zur Zufriedenheit aller Beteiligten erfolgreich durchzuführen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine bewusste und geschulte Kommunikation während des gesamten Projektes gelebt wird.
Zur Autorin:
Dipl.-Ing. Barbara Nilkens: ist Bauingenieurin und Kommunikationsexpertin. 2017 hat sie das Ingenieurbüro für Baukommunikation in Ostfildern gegründet.