Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erzählt Simone Oberndorfer, Geschäftsführerin des gleichnamigen Betonfertigteil-Spezialisten, wie das Unternehmen durch die letzten Monate gekommen ist, warum BIM Zukunftsmusik, aber Lean Construction die Gegenwart ist und welche Rolle Vertrauen und Weiterbildung für die Produktivität spielen.
Report: Sie haben im April 2020 die alleinige Geschäftsleitung von Oberndorfer übernommen. Unmittelbar davor brach die Coronakrise aus. Wie haben sich die ersten Wochen und Monate Ihrer Amtszeit gestaltet?
Simone Oberndorfer: Natürlich ist die Position der neuen Geschäftsführung eine große Herausforderung und mit viel Verantwortung verbunden. Vor allem auch in Zeiten während der Corona-Krise, welche eine völlig neue Situation für uns alle war und ist, war dies eine besondere Hürde. Meine Geschäftsführerkollegen Werner Pröll, Christian Nussbaumer und ich sind tagtäglich intensiv zusammengesessen und haben Strategien und Notfallpläne entwickelt, falls wir einen Produktionsstopp in den Werken durch erkrankte MitarbeiterInnen oder durch geschlossene Behörden erleiden werden.
Zudem versuchten wir, unsere MitarbeiterInnen bestmöglich mit schwer erhältlichen Masken und Desinfektionsmitteln zu versorgen. Nichtsdestotrotz haben wir diese Herausforderung viel mehr als Weiterentwicklungsprozess für uns und unser Team gesehen, neue Erfahrungen gesammelt, an einem neuen Markenauftritt und Vision gearbeitet.
Report: Wie ist Oberndorfer wirtschaftlich durch die letzten Monate gekommen?
Oberndorfer: Die letzten Monate waren – nicht nur bei uns – stark durch die Corona Pandemie gekennzeichnet. Während des ersten Lockdowns im März haben wir den gesamten Betrieb für 14 Tage geschlossen. Ab 1. April wurden die Baustellen wieder geöffnet, wir sind dann als Zulieferer auch mitgezogen. Wirtschaftlich gesehen hinterlässt dies seine Spuren, wobei sich ab Mitte des Jahres eine gewisse Erholung eingestellt hat. Es ist aber kein Geheimnis – und das gilt sicher auch für andere Branchen –, dass das, was einmal verloren wurde, nicht mehr aufgeholt werden kann.
Report: Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? In welche Richtung soll sich das Unternehmen entwickeln?
Oberndorfer: »Mit Digitalität und Innovation machen wir Bauen noch einfacher und sicherer«, so lautet unsere Vision und in diese Richtung geht auch unsere Entwicklung. Das Interesse von Oberndorfer besteht darin, neue Möglichkeiten zu entdecken und diese Chancen zu nutzen. Wir sind dahinter, Potenziale klar zu identifizieren und zu kommunizieren und Fehlerquellen frühzeitig zu erkennen und zu eliminieren. Dabei steht Digitalität ganz zentral im Vordergrund und die Sicherheit an oberster Stelle.
Report: Welche Rolle spielen aktuelle Trendthemen wie BIM oder Lean Construction für Oberndorfer?
Oberndorfer: Für uns ist BIM noch in weiter Ferne, da bei unseren Kunden nach wie vor die baubegleitende Planung vorherrscht. Grundsätzlich ist unsere Branche vorbereitet, in diesem Segment sehr erfolgreich unterstützend tätig zu sein. Jedoch sind wir nur ein kleiner wichtiger Teil des Gesamten. Spannend ist die Frage, wer Eigentümer des BIM-Modells sein wird und wie sich das Bauen dadurch in der Verantwortung ändern wird.
Lean Construction wird bei uns in der eigenen Produktion bereits umgesetzt. Im gesamten Errichtungsprozess hatten wir hier zwei Projekte, wo die Abwicklung mit dem Kunden in dieser Form umgesetzt wurde. Diesbezüglich können wir von sehr guten Erfolgen sprechen und verfolgen dies auch weiterhin.
Report: In letzter Zeit ist auch viel von kooperativer Projektabwicklung die Rede, Partnerschaftsmodelle stehen – zumindest in der Theorie – hoch im Kurs, nicht zuletzt durch die Coronakrise. Inwieweit spüren Sie bei Kunden und Partnern ein Umdenken? Stehen wir tatsächlich vor einem Paradigmenwechsel in der Branche?
Oberndorfer: Das Unternehmen Oberndorfer hat immer schon besonderen Wert auf Partnerschaften und enge Kooperationen mit anderen österreichischen Firmen gelegt. Doch jetzt während der Corona Krise ist das natürlich von ganz besonderer Bedeutung. Wir legen größten Wert auf Regionalität dort, wo es möglich ist, und ich wünschte, dass alle Österreicher so handeln würden, um die heimische Wirtschaft zu stärken und sich in der Krise gegenseitig zu unterstützen.
Report: Ein großes Thema der Bauwirtschaft ist die mangelnde oder stagnierende Produktivität. Der Vorfertigung wird im Streben nach Produktivitätssteigerung großes Potenzial zugeschrieben. Welchen konkreten Beitrag zur Produktivitätssteigerung kann Oberndorfer leisten?
Oberndorfer: Vor allem Vertrauen und Weiterbildung sind in Bezug auf Produktivität für uns von besonderer Relevanz. Nur wenn dies im Unternehmen gegeben ist und seitens der MitarbeiterInnen, Führungskräfte angenommen wird, können neue Ideen entstehen und Lösungen erarbeitet werden. Denn jede und jeder einzelne bei Oberndorfer trägt gleichwertig zum Erfolg des Unternehmens bei. Um unserem Personal die Chance auf Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen, bieten wir stets unterschiedliche Schulungen an.
Vor allem die Lehrlingsausbildung ist für uns ein sehr zentrales Thema. Wir wollen unseren Lehrlingen eine hochwertige Ausbildung bieten. Hierbei sollen Prämien einerseits zur Motivation und Leistungssteigerung der Lehrlinge dienen. Andererseits soll auf diese Weise die Ausbildung für sie noch attraktiver werden. Wir wollen unsere Lehrlinge so unterstützen und ausbilden, dass diese nach der Lehrzeit als hochwertiges Fachpersonal in unserem Unternehmen Fuß fassen können.
Report: Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für die Branche?
Oberndorfer: Die brennendste Aufgabe ist es, das große Wissen unserer langjährigen MitarbeiterInnen, die langsam an ihre Pensionierung denken, geregelt und gezielt an die nächste Generation zu übergeben, um von ihren Erfahrungen zu profitieren. Vor allem Digitalität wird dann in dem Prozess, der weiteren Gewährleistung von qualitativem Fachwissen, eine sehr wichtige Rolle einnehmen. Wir wollen Systeme installieren, die unsere MitarbeiterInnen im täglichen Arbeitsprozess unterstützen, um so für unsere Kunden Top-Leistungen anbieten zu können.
Report: Die Bauwirtschaft ist bislang von der Coronakrise im Vergleich zu anderen Branchen wenig berührt. Allerdings wird befürchtet, dass die Krise durch verzögerte Baugenehmigungen oder rückläufige Investitionen mit etwas Verspätung auch den Bau treffen wird. Mit welchen Erwartungen blicken Sie in die Zukunft?
Oberndorfer: Die Corona-Krise wirkt sich sehr wohl auch auf die Baubranche aus. Auch wir als Betonfertigteil-Unternehmen bekommen die Pandemie durchaus zu spüren. Jedoch hoffen wir, dass die geschaffenen Unterstützungen der Regierung und vor allem die Investitionsprämie einen Anreiz schafft, um die Wirtschaft schneller anzukurbeln.
Die Stärkung des Vertrauens unserer KundInnen, LieferantInnen und auch unserer MitarbeiterInnen und vor allem das Miteinander-Denken ist in solchen Krisensituationen von besonders großer Bedeutung und erleichtert so einiges. Niemand weiß, wie sich das Ganze noch entwickeln wird.
Report: Welche Schritte setzt Oberndorfer, damit 2021 trotz allem ein erfolgreiches Jahr wird?
Oberndorfer: Wir werden auch im neuen Jahr sehr stark auf unsere Werte Vertrauen, ganzheitliches Denken und Innovation setzen. Zusätzlich dazu natürlich vor allem auf die Digitalität. Unsere Werte sind Wegweiser unseres Handelns und auch die Stützen unseres Erfolgs. Wir setzen auf klare und transparente Kommunikation, durchdenken Dinge vom Anfang bis zum Ende.
Arbeiten gemeinsam am großen Ganzen. Und entwickeln so neue Ansätze für die Zukunft und zielen dabei stets auf das Beste ab. Ich kann durchaus sagen, dass wir mit vollster Vorfreude in die Zukunft blicken und weiterhin unser Bestes geben, um selbstverständlich auch 2021 all unsere Ziele zu erreichen.
Report: Sowohl die Bauwirtschaft als auch die Unternehmensführung sind zwei nach wie vor sehr männlich dominierte Felder. Haben Sie persönlich Erfahrungen gemacht, wo Geschlecht eine Rolle gespielt hat bzw. oder auch umgekehrt, wo Geschlecht nicht relevant war?
Oberndorfer: Fakt ist, in der Baubranche sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert, allerdings verzeichnete man in den letzten Jahren leichte Zuwächse, auch in den Führungsebenen. Das freut mich natürlich und ich denke, dass dies durchaus positiv wahrgenommen wird. Ich finde es überaus wichtig, Frauen in Führungspositionen zu bringen und dort zu stärken.
Außerdem bin ich überzeugt, dass die Zusammenarbeit von Männern und Frauen und generell Diversität in Führungsebenen zu großartigen Ergebnissen führen kann, da unterschiedliche Sichtweisen aufeinander treffen, so wie das auch bei mir und meinen beiden Geschäftsführer-Kollegen der Fall ist.