Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Lukas Scherzenlehner, Vorstandsvorsitzender von Cleen Energy, über die Vorteile von Photovoltaik-Contracting, den Unterschied zum Leasing und das Potenzial von Energie-gemeinschaften.
Report: Energie-Contracting Modelle gibt es schon länger und in verschiedenen Formen und Ausprägungen. Was unterscheidet Cleen Energy von anderen Anbietern?
Lukas Scherzenlehner: Was es schon länger gibt, sind Contracting-Modelle im Heizungs- und Wärmebereitstellungsbereich. Relativ neu ist das Photovoltaik-Contracting. Gerade in den letzten Monaten ist die Investitionsfreudigkeit im Gewerbe- und Industriebereich deutlich gesunken. Deshalb sucht man nach Möglichkeiten, bestimmte Projekte auszulagern und an einen Betreiber abzugeben.
Man genießt den Nutzen, ohne die Investition zu tätigen. Was uns von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir ein Komplettanbieter sind, von der Beleuchtung über Photovoltaik, Wärmepumpe und Speicher bis zur Ladeinfrastruktur und Warmwasseraufbereitung. Wir kümmern uns um die Einsparung des Kunden.
Report: Schon in der Vergangenheit hat man gesehen, dass Krisenzeiten Rückenwind für Outsourcing-Modelle gibt. Profitieren Sie von der aktuellen Coronakrise?
Scherzenlehner: Die Nachfrage nach Betreiber- und Contractingmodellen ist enorm gestiegen. Investitionsbudgets wurden gestrichen und es wird auch noch eine Zeit dauern, bis die Investitionsbereitschaft wieder steigt. Contracting löst genau diesen Knoten. Man kann sinnvolle Maßnahmen umsetzen, ohne selbst investieren zu müssen. Dazu kommt, dass der Kunde ab dem ersten Tag eines Contractings profitiert.
Report: Wie hoch ist der Wissensstand bei Unternehmen in Sachen Contractingmodelle?
Scherzenlehner: Das ist sehr unterschiedlich. Es wird aber täglich besser, weil die mediale Berichterstattung mehr wird und auch die Energieversorger das Thema kommunizieren. Das ändert aber nichts daran, dass man immer noch einen sehr hohen Erklärungsbedarf hat. Vor allem der Unterschied zwischen Contracting und Leasing ist im Markt nicht bekannt.
Report: Was sind die Unterschiede?
Scherzenlehner: In erster Linie sind es Bilanzierungsunterschiede. Es geht darum, ob ein Unternehmen nach IFRS oder UGB bilanziert. Leasing ist bei IFRS zur Gänze im Aufwand enthalten, hilft bilanztechnisch also nichts. Erfolgsorientiertes Contracting ist hingegen bilanzneutral.
Report: Klingt nach der eierlegenden Wollmilchsau. Mit welchen Vorbehalten seitens der Kunden sehen Sie sich dennoch konfrontiert?
Scherzenlehner: Unser Produkt ist tatsächlich ein absoluter Selbstläufer. Der Kunde hat keine Investitionen, aber Einsparungen. Die Standardlaufzeit beträgt 20 Jahre. Es ist davon auszugehen, dass der Energiebedarf ebenso wie die Energiepreise steigen werden. Es gibt für den Kunden de facto kein Risiko. Es gibt auch kaum Vorbehalte, sofern man das Modell sauber erklärt. Aber natürlich kostet Contracting auch Geld. Deshalb entscheiden sich Kunden auch immer wieder dafür, eine Anlage doch zu kaufen oder zu leasen.
Generell muss in jedem Fall einzeln bewertet werden, welche Finanzierung für den Kunden das beste Ergebnis erzielt. Das Einsparungspotenzial ist beim Contracting aber höher. Außerdem tragen wir das alleinige Risiko. Deshalb werden die Einsparungen auch geteilt. Davon profitiert natürlich auch der Kunde. Die Anlagen werden von uns bestens serviciert und gewartet. Denn je höher die Einsparung oder im Bereich Photovoltaik die Produktion, umso höher ist auch unser Ertrag und die Einsparung des Kunden.
Report: Wo sehen Sie Ihre Zielgruppe? Ab welcher Größenordnung ist Photovoltaik-Contracting sinnvoll?
Scherzenlehner: Ab 500 m² Dachfläche ist es sinnvoll. Damit erreichen wir einen 100 kW-Peak. Es geht aber nicht nur um die Fläche. Bei einem hohen Eigenbedarf kann auch eine kleinere Fläche sinnvoll sein, weil die Stromverwertung eine andere ist.
Report: Welches Potenzial sehen Sie in Energienetzen, in der Verbindung von Photovoltaikanlagen?
Scherzenlehner: Hier sehe ich großes Potenzial. Wir haben eine fertige Funktion für dezentrale Energienetze. Wir können Energiegemeinschaften bauen. Das ist absolut sinnvoll, vor allem auch in Hinblick auf große Speicher, die man sich teilen kann. Tagsüber produzieren Gebäude Strom, liefern ihn an einen gemeinsamen Speicher und bei Bedarf wird er aufgeteilt.
Report: In Wien soll zukünftig kein Neubau mehr ohne Photovoltaik-Anlage errichtet werden. Was können solche Maßnahmen bewirken?
Scherzenlehner: Um unsere Klimaziele bis 2030 zu erreichen, brauchen wir eine Verzehnfachung der aktuellen Anlagen. Diese Gesetzesänderung kann ein wesentlicher Baustein sein. Aber das viel größere Potenzial liegt natürlich in den Millionen von Bestandsdächern in Österreich, die ungenutzt brach liegen.
Report: Wie groß ist der Aufwand, Bestandsdächer nachzurüsten?
Scherzenlehner: Wenn bei der Errichtung schon mitgedacht wurde und eine Leerverrohrung vorhanden ist, ist es kein Problem. Aber auch, wenn nichts vorhanden ist, gibt es Lösungen. Es gibt praktisch kein Szenario, in dem eine Nachrüstung nicht möglich ist. Aber natürlich sind der Aufwand und die Kosten etwas höher. Der Mehraufwand ist überschaubar. Denn die Infrastruktur vom Trafo zum Haus und vom Verteiler zum Dach muss immer hergestellt werden, sowohl im Neubau als auch der Sanierung.
Report: Gerade im Gebäudebereich braucht es die Bauherrn und Architekten. Wie offen erleben Sie die Beteiligten?
Scherzenlehner: Photovoltaik ist absolut zeitgemäß und mittlerweile auch optisch ansprechend. Vorbehalte optischer Natur gibt es kaum noch. Wir haben aber auch Projekte, wo es gar keine Schnittstelle zum Architekten gibt. Etwa wenn es kein Budget dafür gibt, der Bauherr aber unbedingt eine Photovoltaikanlage möchte. Dann kommen wir mit unserem Contracting-Modell ins Spiel und arbeiten parallel zum Generalunternehmer.
Report: Wird ein Projekt durch diese Parallelität nicht unnötig verkompliziert?
Scherzenlehner: Gar nicht. Das ist sogar sehr effizient. Der GU ist nach Fertigstellung aus dem Projekt raus, mit uns gibt es eine langjährige Vertragsbeziehung.
Report: Wie hoch schätzen Sie das Potenzial von Photovoltaik in Österreich ein?
Scherzenlehner: Der Photovoltaikanteil an den erneuerbaren Energien liegt derzeit bei 3 %. Das Ziel sind 30 %. Was alles möglich ist, sieht man auch bei einem Ländervergleich mit Deutschland. Alleine Bayern etwa hat zehnmal mehr Anlagen als Österreich.
Report: Worauf führen Sie das zurück?
Scherzenlehner: In Deutschland waren die Strompreise immer schon höher. Und in Deutschland gibt es seit zehn Jahren von der Politik unterstützte Contracting-Modelle inklusive Ausfallshaftung, die sehr gut angenommen werden.
Report: Im aktuellen Regierungsprogramm kommt der Dekarbonisierung des Gebäudesektors eine große Rolle zu. Dazu wird es auch Förderungen geben. Ist das ausreichend oder braucht es weitere Maßnahmen?
Scherzenlehner: Förderungen sind nett, aber im Bereich Photovoltaik eigentlich nicht nötig. Photovoltaik, speziell auch mit unserem Modell, rechnet sich auch ohne Förderung. Aber es macht natürlich in der Bewusstseinsbildung einen großen Unterschied, wenn es diesen Rückenwind der Politik gibt. Wichtig ist auch, dass die Politik Anreize für den privaten Sektor schafft und es leichter wird, an Fremdkapital zu kommen.
Referenz
Für den oberösterreichischen Verpackungshersteller Donauwell hat Cleen Energy eine rund 8.000 m² große Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 400 kW errichtet. Zusätzlich stattet Cleen Energy den Produktionsstandort mit LED-Beleuchtung aus, wodurch der Stromverbrauch um rund 75 % gesenkt wird. Der gesamte Auftrag von 563.000 Euro wird über Contracting finanziert und verursacht damit für Donauwell keinerlei Investitionskosten.
Über die Laufzeit von 25 Jahren wird Donauwell über 8000 Tonnen CO2, über 21 Millionen kWh Strom – das entspricht dem Verbrauch von rund 6000 Haushalten – und 2,5 Millionen Euro an Energie- und Wartungskosten einsparen.
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