Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Rainer Reichl, CEO und Gründer der Reichl und Partner Agenturgruppe, über Herausforderungen in der B2B-Kommunikation, »tödliche« Kurzarbeit und den Mehrwert von antizyklischer Werbung.
Report: Welche Rolle spielt die B2B-Kommunikation in Krisenzeiten? Worauf muss man besonders achten?
Rainer Reichl: B2B-Kommunikation ist ein langfristiger Prozess. Es gelten dieselben Regeln wie in der B2C-Kommunikation. Man muss sich die Frage stellen, was den Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens beeinflusst. Ziel einer guten B2B-Kommunikation ist eine nachhaltige Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Früher hat man dafür den Markt analysiert, von den Kunden über den Mitbewerb bis zu den Lieferanten, und dann versucht, seine Botschaften entsprechend zu platzieren. Jetzt kommen immer mehr Umfeldfaktoren hinzu, von denen wir abhängig sind. Es gibt ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungen, die den Unternehmenserfolg beeinflussen. Covid ist eine soziale Krise mit ökonomischen Folgen. Dazu kommt die digitale Transformation. Diese Faktoren verändern unsere Wirtschaftsarchitektur und Wirtschaftssysteme radikal.
Das hat auch massive Auswirkungen auf die B2B-Kommunikation. Die Geschichte hat auch gezeigt, dass große Disruptionen, und dazu zähle ich die Covid-Krise, immer die Chance für gewaltige Veränderungen waren. Die digitale Transformation schafft für die Unternehmen neue Aufgaben und Chancen. Das bedeutet für die Unternehmen aber auch, dass sie sich mit der Zukunft beschäftigen müssen. Das ist derzeit leider nicht der Fall.
Report: Warum nicht?
Reichl: Weil die Unternehmen mit dem Tagesgeschäft völlig ausgelastet sind. Zuerst lag das an der hohen Auslastung und guten Auftragslage, jetzt ist das Gegenteil der Fall. In vielen Unternehmen gibt es Kurzarbeit, da fehlen schlicht die Kapazitäten, über die Zukunft nachzudenken. Ich glaub, die Regierung hat vieles richtig gemacht, aber beim Thema Kurzarbeit hat sie sehr kurz gedacht. Die Kurzarbeit eignet sich vielleicht für Produktionsbetriebe, aber für Dienstleistungsbetriebe ist Kurzarbeit tödlich.
Viel sinnvoller wären Subventionen für die Lohn- und Lohnnebenkosten gewesen. Dann hätten die Unternehmen an ihrer Zukunft arbeiten können. Jetzt haben wir nicht nur eine Coronakrise, sondern eine Kurzarbeitskrise. Viele Unternehmen sind nicht handlungsfähig, weil die Mitarbeiter nicht verfügbar sind. Damit nimmt man den Unternehmen auch ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Report: Welche B2B-Kommunikationsstrategie empfehlen Sie Unternehmen, die von der aktuellen Krise betroffen sind? Etwa wenn man mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat?
Reichl: Wichtig ist für die Unternehmen, nach vorne zu blicken und an der eigene Zukunft zu arbeiten. Ein Unternehmen wie der Flugzeugzulieferer FACC wurde hart von der Krise getroffen, aber dort arbeitet man schon an Zukunftsideen. Das Ziel ist, sich seine eigene Konjunktur zu machen. Jammern hat noch keinem Unternehmen geholfen.
Report: Einer Ihrer Kunden ist Rubble Master. In der letzten Wirtschaftskrise wurde gerade der Baumaschinenmarkt arg gebeutelt.
Reichl: Gerade bei Rubble Master habe ich den Eindruck, dass es sich um ein sehr zukunftsorientiertes Unternehmen mit einer perfekten Produktpolitik handelt. Wichtig ist, sich nicht von dem geplanten Weg abbringen zulassen. So ein Unternehmen denkt ja nicht in Jahren, sondern in Dekaden. An der aktuellen Krise haben ja nicht die Unternehmen Schuld. Die ursprüngliche Strategie vieler Unternehmen ist richtig. Da gilt es dranzubleiben und das auch entsprechend zu kommunizieren. Wir empfehlen unseren Kunden auch, gerade jetzt in Kommunikation zu investieren, weil die Aufmerksamkeit im Moment enorm hoch ist.
Report: Eine Studie der Boston Consulting Group zeigt, dass mit gegen den Markttrend gerichteten antizyklischen Werbestrategien auch in konjunkturschwachen Phasen nachhaltig Marktanteile gewonnen werden. Teilen Sie diese Einschätzung?
Reichl: Absolut. Wir haben auch selbst als Agentur mitten in der Krise eine Radio-Werbekampagne gestartet. Das hat uns sehr gut getan. Es haben sich alte Kunden gemeldet und auch neue Interessenten. Kritik gab es vom Mitbewerb. Wir empfehlen unseren Kunden auch, antizyklisch zu werben. Die Unternehmen, die dieser Empfehlung folgen, verzeichnen auch richtig gute Ergebnisse.
Im B2C-Bereich haben wir Kunden, die jetzt schon knapp den Vorjahresumsatz erreicht haben. Aber auch im B2B-Bereich gibt es schöne Erfolgsprojekte. Nexus produziert aus Polymeren Teile für die Automobilindustrie. Als denen das Geschäft weggebrochen ist, haben sie innerhalb von vier Wochen auf die Produktion von recyclebaren Masken umgestellt. Die haben in kürzester Zeit ein neues Geschäftsfeld erschlossen, das natürlich auch nach außen kommuniziert wurde.
Schwierig ist es bei Firmen, die vom Controlling getrieben sind. Da wird sehr kurzfristig gedacht. Wir haben auch Kunden, die eine Vollbremsung hingelegt haben. Ich bin aber überzeugt, dass das der falsche Weg ist. Wer jetzt in Werbung investiert, kann mit weniger Mitteln mehr erreichen, weil viele Unternehmen gar nicht in Werbung investieren.
Report: In welche Richtung wird sich B2B-Kommunikation aus Ihrer Sicht in Zukunft entwickeln?
Reichl: Man wird in Zukunft viel fokussierter die Zielgruppen ansprechen. Ich denke auch, dass die Kommunikation durch Interaktion ersetzt wird. Dafür werden wir für unsere Kunden neue und zusätzliche Geschäftsmodelle entwickeln.