Sonntag, Dezember 22, 2024
Die Auswirkungen der Coronakrise im Bauvertragsrecht

Die unsicheren Zeiten der Corona-Krise haben, wie erwartet, sehr schnell ihre Auswirkungen auf Bauvorhaben gezeigt. Auftraggeber und Auftragnehmer sind mit einer Reihe von Fragen konfrontiert, die sowohl den Baustellenbetrieb als solchen als auch abgeschlossene Bauwerksverträge betreffen.

von Sebastian Mahr

Mit dem COVID-19-Gesetz und der damit einhergehenden COVID-Verordnung wurden österreichweit sehr viele Baustellen geschlossen. Die Bauunternehmen beriefen sich dabei auf die Tatsache, dass sie den erforderlichen Mindestabstand von einem Meter zwischen den Arbeitnehmern nicht gewehrleisten könnten. Für Bauherren und Auftragnehmer bedeutet andererseits jeder Tag Stillstand Mehrkosten und eine Zeitverzögerung. Eine Zwickmühle.

Welche Arbeiten sind noch möglich?
In der COVID-Verordnung bezieht sich das Betretungsverbot auf öffentlichen Raum. Jedoch handelt es sich bei einer Baustelle um einen Ort beruflicher Tätigkeit, welcher eine Ausnahme der Verordnung darstellt. Daraus folgt, dass Arbeiten an Baustellen grundsätzlich weitergeführt werden können, wenn die Einhaltung des verordneten Mindestabstandes gewährleistet ist. Falls dies nicht möglich ist, können Baustellen weitergeführt werden, sofern zweckdienliche Sicherheitsvorkehrungen (Tragen von Masken, häufiges Händewaschen, etc.) getroffen werden, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Sollte im Einzelfall eine regelmäßige Desinfektion nicht möglich sein, so ist auf eine ausreichende Ausrüstung mit Handschuhen zu achten.

Wer trägt die Mehrkosten?
Sollte eine Weiterarbeit auf der Baustelle möglich bzw. nötig sein, können aufgrund erschwerter Bedingungen für den Auftragnehmer Mehrkosten anfallen. Ob er diese vom Auftraggeber ersetzt bekommt, ist davon abhängig, ob es in die Sphäre des Auftraggebers fällt, dass die Arbeiten nur erschwert durchgeführt werden können. Im Anwendungsbereich des ABGB trifft prinzipiell das Risiko des Unterbleibens oder der Erschwernis der Arbeiten denjenigen, in dessen Einflussbereich der Grund dafür liegt. Der Auftragnehmer hat dabei auch für die „neutrale Sphäre“ einzustehen (z.B. Pandemie), die von ihm nicht beeinflusst werden kann. Somit bleibt in den meisten Fällen der Auftragnehmer auf den Mehrkosten "sitzen". Anders ist dies jedoch im Anwendungsbereich der ÖNORM B 2110, da es in diesem Fall zu einer Überwälzung des Risikos der höheren Gewalt auf den Auftraggeber kommt.

Sind Pönalforderungen gerechtfertigt?
In vielen Verträgen finden sich teils empfindliche Vertragsstrafen (Pönalen), die bei Vertragsverletzungen oder Bauverzögerungen fällig werden. Allerdings wird dabei in der Regel ein Verschulden des Auftragnehmers verlangt. Aufgrund der unvorhergesehenen Krisensituation ist das Nicht-Einhalten des Fertigstellungstermins jedoch häufig nicht vom Auftragnehmer zu vertreten, sodass eine Vertragsstrafe unter Berufung auf mangelndes Verschulden abgewendet werden kann. Auftragnehmer sind in diesem Zusammenhang gut beraten, alle von ihnen gesetzte Schritte ordentlich zu dokumentieren, um später ihr mangelndes Verschulden leichter beweisen zu können.

Rücktritt vom Vertrag
Hinsichtlich eines möglichen Vertragsrücktritts ist zunächst zu prüfen, ob der jeweilige Vertrag Regelungen zur "höheren Gewalt" enthält. Fehlen derartige Regelungen, sind grundsätzlich die allgemeinen gesetzlichen Regelungen heranzuziehen. Sollte es dem Auftragnehmer nicht möglich sein, in angemessener Frist seine angebotenen Leistungen zu erbringen, so besteht für den Auftraggeber die Möglichkeit, nach Setzung einer angemessenen Nachfrist, vom Vertrag zurückzutreten und bereits erbrachte Leistungen rückabzuwickeln. Im Gegensatz dazu hat der Auftragnehmer keine Möglichkeit, sich auf ein Rücktrittsrecht zu beziehen, wenn der Auftraggeber das vollendete Werk unverschuldet nicht übernehmen kann (etwa weil ein behördlicher Baustopp anordnet wurde). Dem Auftragnehmer bleibt dann nur die Möglichkeit, Mehrkosten zu fordern. Wäre allerdings eine Annahme durch den Auftraggeber grundsätzlich noch möglich und wird die Übernahme dennoch verweigert, dann steht auch dem Auftragnehmer ein Rücktrittsrecht zu.

 Zum Autor: Sebastian Mahr ist Partner bei PHH Rechtsanwälte und Experte für Schiedsgerichtsverfahren

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