Beschränkung der Rechtsfolgen von Mietzinsrückständen bei Wohnungsmietverträgen. Ein Gastkommentar von Alfred Nemetschke, Nemetschke Huber Koloseus Rechtsanwälte GmbH (www.nhk-rechtsanwaelte.at/de)
§ 1. Wenn der Mieter einer Wohnung eine Mietzinszahlung, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fällig wird, nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, kann der Vermieter allein wegen dieses Zahlungsrückstands den Mietvertrag weder kündigen noch dessen Aufhebung nach § 1118 ABGB fordern. Der Vermieter kann den Zahlungsrückstand bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 nicht gerichtlich einfordern oder aus einer vom Mieter übergebenen Kaution abdecken.
Daraus ergeben sich, ganz spontan und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, jede Menge Fragen:
- "als Folge der COVID-19-Pandemie" (hier jetzt mit zwei Bindestrichen...): Definition "Folge der "COVID-19-Pandemie"? direkte oder indirekte Folge? Unmittelbar werden wohl nur Selbständige und Unternehmer betroffen sein? Mittelbar auch zB die Arbeitnehmer von Selbständigen und Unternehmern.
- "in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt"....heißt was genau? Beeinträchtigung nur durch Arbeitsplatzverlust = Arbeitslosigkeit? Auch im Falle Kurzarbeit? Andere Beeinträchtigungen durch die COVID-19-Pandemie? Berücksichtigung Arbeitslosengeld, Mindestsicherung, Notfallshilfe?
- Re Arbeitsplatzverlust/Arbeitslosigkeit: ganz neu, dass das als Rechtfertigung für die Nichtzahlung des Mietzinses anerkannt wird.
- wenig erhellend die Gesetzesmaterialien (Ausschussbericht):erheblich beeinträchtigt sollen jene Personen sein, deren Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, genannt werden der Kellner oder Reiseleiter, dessen Arbeitsverhältnis wegen der Schließung des Restaurant- oder Touristikbetriebs gekündigt wird, oder der selbständige Friseur, der seinen Betrieb schließen muss, oder die selbständige Physiotherapeutin, deren Patient/innen nunmehr ausbleiben; die Liste der Beispiele ließe sich endlos fortsetzen.....in der Tat!!
- Eine erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt aber auch dann vor, wenn zwar die jeweilige Branche oder der jeweilige Berufsstand nicht von den allgemeinen Beschränkungen betroffen ist, aber etwa eine gesundheitliche oder gesundheitspolizeiliche Pandemiefolge zum Tragen kommt. Wenn etwa ein Selbständiger seiner Berufstätigkeit nicht mehr nachgehen kann, weil er an COVID-19 erkrankt ist und sich deshalb wochenlang in Spitalsbehandlung oder in berufsverhindernder Quarantäne befindet, kommt er selbstverständlich ebenfalls in den Genuss der Schutzregelungen. Wer aber andererseits weder gesundheitlich beeinträchtigt ist noch eine Einkommensminderung erleidet, kann diese Sonderregelungen nicht für sich in Anspruch nehmen.
Aber immerhin findet sich eine Klarstellung: im Ausschussbericht wird festgehalten, dass andere Fälle, wie etwa Geschäftsraummieten und Pachtverträge, auf Grundlage der bestehenden Gesetzeslage gelöst werden können. Dh: hinsichtlich §§1104 (Mietzinsbefreiung), 1105 (Mietzinsminderung) und 1117 (vorzeitige Auflösung) ABGB sieht der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf.