Samstag, November 09, 2024
Coronavirus: Schadenersatz wegen Vertragsbruchs „ohne Not“?

Das COVID 19 Maßnahmengesetz sowie darauf basierende Verordnungen sind nun bereits seit Mitte März in Kraft und führten mit dem Ziel der Eindämmung des Coronavirus zu einschneidende Maßnahmen, die scheinbar das Wirtschaftsleben in Österreich beinahe zum vollständigen Erliegen gebracht haben. De facto gibt es keinen Fremdenverkehr mehr, die Kundenbereiche der meisten Unternehmen sind gesperrt, öffentliche Orte dürfen nur aus bestimmten Gründen betreten werden und auch die Bauindustrie steht teilweise still. Gerade die Einstellung von Baustellen hat dramatische Folgen. Und wer zahlt, wenn eine Baustelle "ohne Not" eingestellt wird?

Ein Gastkommentar von Günther Billes, Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte

Steht der Bau, steht auch die Baustoffindustrie. Gibt es keine Baustoffe mehr, können selbst dort keine Leistungen mehr erbracht werden, wo noch leistungswillige Unternehmer vorhanden wären. Auch die mit der Aussetzung der Bautätigkeit einhergehenden Bauverzögerungen haben natürlich nachteilige Folgen für die künftigen Nutzer der in Bau befindlichen Objekte.

Erst vor wenigen Tagen haben sich daher die Bau-Sozialpartner auf eine „Handlungsanleitung für sicheres Arbeiten auf Baustellen“ geeinigt, die offenbar auch vom Gesundheitsminister akzeptiert wurde, sodass Rechtssicherheit bestehen sollte, was die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor COVID-19 auf Baustellen betrifft. Trotz dieser Richtlinien scheint es aber keineswegs so, als würden nun alle Baustellen wieder hochgefahren werden. So stehen etwa zahlreiche Baustellen weiterhin still, weil auf der einen Seite Baukonzerne generell die Bauausführung unterbrochen und auf der anderen Seite viele Auftraggeber Baustopps verhängt haben.

Insbesondere Großauftraggeber, darunter auch zahlreiche Wohnbaugenossenschaften, weigern sich ihre Baustellen für ihre Auftragnehmer wieder zu öffnen und wenden ein, im Interesse der auf den Baustellen beschäftigten Arbeitnehmer zu handeln. Einzelne Wohnbaugenossenschaften argumentieren sogar, sie würden trotz der von ihnen verhängten Baustopps den beauftragen Bauunternehmen keine Pönalen in Rechnung stellen und den zukünftigen Mietern die Mehrkosten nicht weitergeben.

Die von vielen Unternehmen ohne rechtliche Notwendigkeit praktizierte Einstellung der Leistungserbringung kann damit für den Vertragspartner ganz gravierende, mitunter existenzbedrohende, Folgen haben. Daher stellt sich die Frage, ob jemand für diese wirtschaftlichen Einbußen zur Verantwortung gezogen werden kann. Denn eines ist klar, wer Leistungen nicht wie vereinbart erbringt oder annimmt, wird vertragsbrüchig und handelt somit rechtwidrig. Dabei hat er dem Vertragspartner die verursachten Schäden zu ersetzen, wenn ihm am Vertragsbruch zusätzlich ein Verschulden trifft. Dabei wird stets gefragt, ob der vertragsbrüchigen Seite ihr rechtswidriges Handeln oder Unterlassen persönlich vorwerfbar ist. Dies wird bei einer Leistungsverhinderung durch von den Behörden verhängten Maßnahme nicht der Fall sein. Schwieriger sind jedoch die Fälle, in denen die Leistungen hätten erbracht oder angenommen werden dürfen, also kein (behördliches) Verbot entgegenstand.

Tatsächlich spricht in diesen Fällen vieles für das Bestehen von Ersatzansprüchen für Schäden, die ein Vertragspartner wegen „grundloser“ Verweigerung der Leistungserbringung oder -annahme durch die andere Vertragspartei erleidet. Zwar verlangt die Bundesregierung die Einhaltung der Hygienevorgaben, hat aber gleichzeitig auch das Interesse, dass die Wirtschaft nicht in sich zusammenbricht. Es entspricht daher wohl auch dem Willen des Gesetzgebers, dass in den nicht untersagten Bereichen (freilich unter Beachtung der angeordneten Sicherheitsmaßnahmen) bereits abgeschlossene Verträge nicht gebrochen werden sollen. Werden daher beauftragte, leistungsbereite Bauunternehmer vom Bauherrn an der Leistungserbringung auf der Baustelle gehindert, kann dieser daher womöglich Ansprüche wegen erheblichem Verdienstentgangs geltend machen. Eine Rechtsfrage, von der in der Zeit nach COVID-19 wohl noch öfter die Rede sein wird.

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