Montag, Dezember 23, 2024
Schlanke Baustellen
Foto: iStock

Lean Management und Lean Construction zählen aktuell zu den wichtigsten Schlagworten der Bauwirtschaft. Der Bau & Immobilien Report zeigt, welche Rolle die Baulogistik dabei spielt und warum eigentlich alle aktuellen Trendthemen der Bauwirtschaft, von BIM bis zum Fachkräftemangel, in das Thema reinspielen.

Lean Management auf der Baustelle ist die logische Konsequenz aus BIM«, sagt Dominik Müller, Geschäftsführer von Zeppelin Rental Österreich, und führt damit zwei Themen zusammen, die wie kaum andere die Diskussion in der Bauwirtschaft bestimmen. Einzig die Steigerung der Produktivität, der Fachkräftemangel und alternative Vertragsgestaltung können da noch annähernd mit.

Aber sauber zu Ende gedacht, ist eine Trennung dieser Begriffe und Themen ohnehin obsolet, hängen sie doch alle eng zusammen und greifen wie ein Rädchen ins andere. »Bei Lean Management geht es in erster Linie um eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Das geht meist sogar mit einer Senkung der Arbeitszeit, nicht allerdings Arbeitskräften einher«, erklärt Gottfried Mauerhofer vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft TU Graz. Ein wesentliches Prinzip von Lean Management ist »Arbeiten im Fluss«.

»Ein Arbeitsprozess läuft dann besonders gut, wenn nicht zu viel oder zu wenig zu tun ist, sondern die Arbeit kontinuierlich erfolgen kann«, sagt Mauerhofer. Damit kommt mit der Bau- und Baustellenlogistik zwangsläufig eine Disziplin ins Spiel, die in Österreich in vielen Fällen immer noch ein Schattendasein fristet. »Die Frage, wie und in welcher Reihenfolge gebaut werden soll, wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen«, ist Müller überzeugt und skizziert, wie sich Lean Management und BIM künftig auf die Baustellenabläufe auswirken könnten:

»In ein paar Jahren wird uns zu Baubeginn eine widerspruchsfreie und digitale Planung eines Bauprojekts vorliegen. Mit Hilfe von Tablets oder VR-Brillen ist ein Zugriff auf das digitale Bausoll dann für jeden direkt auf der Baustelle möglich. Durch virtuelle Bemusterungen und Kollisionsprüfungen wird für alle Beteiligten transparent, was genau gebaut werden soll.« Ähnlich wie BIM die Planung verändert hat, wird Lean Management die Projektsteuerung beeinflussen.

Woran es scheitert

Die Anfragen nach Lean-Methoden halten sich bei den Baulogistikern derzeit noch in überschaubaren Grenzen. Gernot Kunz, Geschäftsführer von SiteLog Austria, stellt zwar fest, dass Lean Management, Lean Construction und Lean Logis­tics zunehmend Themen bei Grundsatzdiskussionen sind, von einer tatsächlichen Nachfragesteigerung sei aber noch nichts zu spüren. Auch bei Zeppelin Rental spürt man das Interesse laut Dominik Müller »leider noch zu wenig«. Dafür gibt es viele Ursachen.

»Bis vor kurzem war Lean Management vielen Baubeteiligten völlig unbekannt«, gesteht Thomas Baierl, Leiter Lean Management bei Porr Design & Engineering, ein. Obwohl Lean Management seit den 90er-Jahren in vielen Branchen – von der Produktion bis zur Administration oder im Healthcare-Bereich – zum Einsatz kommt, haben die Methoden in der Baubranche vor allem im deutschsprachigen Raum nur sehr langsam Fuß gefasst. Gottfried Mauerhofer sieht die größten Hürden im Mangel an Transparenz und der fehlenden Bereitschaft zu Veränderung.

Auch die frühzeitige Einbindung der Lieferanten und Hersteller sowie die Übertragung von Qualitätssicherung und Verantwortung bereitet vielen Bauchschmerzen. »Der größte Umdenkprozess ist jedoch die Vertragsgestaltung im Bauwesen«, sagt Kunz. So lange jedes Gewerk nur den eigenen Leistungsumfang und im Vertrag im Fokus hat und Early Contractor Involvement nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ist, wird es nicht gehen.  

Wo es schon klappt

Auch wenn von einer flächendeckenden Durchdringung von Lean Management auf Österreichs Baustellen noch lange keine Rede sein kann, gibt es doch Ausnahmen. Zeppelin Rental hatte laut Dominik Müller »das Glück«, für das Bauunternehmen Sedlak die nach Lean-Methoden umgesetzte Generalsanierung der SVA in Wien baulogistisch zu betreuen.

»Das gute Zusammenspiel der Gewerke hat beeindruckt. Eine tolle Erfahrung, aus der wir viel gelernt haben.« Etwa dass man Baulogistik bei »leanen« Baustellen möglichst früh einbinden soll, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen und Effizienzreserven zu heben.

Ein Unternehmen, das schon relativ früh auf den Lean-Zug aufgesprungen ist, ist die Porr. 2016 hat man im Zuge des Neubaus eines Bürogebäudes für BMW Feimann in München begonnen, sich intensiv mit Lean Construction und Lean Design zu beschäftigen. Zwischenzeitlich wurde ein eigener Lean-Standard entwickelt, der kurz vor dem gruppenweiten Rollout steht.

»Lean bedeutet für uns den Einsatz verschiedener Methoden, um die Effizienz zu steigern und ressourcenoptimiert zu arbeiten«, erklärt Lean Management-Leiter Thomas Baierl. Um Lean wirklich verstehen und leben zu können, müsse man sich auf Veränderungen einlassen. Auch Baierl bestätigt, dass der Baulogistik eine hohe Bedeutung zukommt, um einen Bauablauf mittels Lean Construction zuverlässig und planmäßig durchzuführen. Dabei spielen sämtliche Prozesse in der Versorgung – von der Baustelle bis zur Entsorgung – eine wichtige Rolle.

»Mithilfe von Lean Logistics nehmen wir bereits in einem frühen Projektstadium gemeinsam mit dem Projektteam diese Prozesse besonders genau unter die Lupe und entscheiden uns für die effizientesten. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Oft braucht es einige zusätzliche Diskussionen und Abstimmungsrunden, um im Team einstimmig die optimalen Strategien festzusetzen und die besten Entscheidungen zu treffen. Aber nur so ist es möglich, die ideale Lösung für eine erfolgreiche Projektabwicklung zu finden.«

Mit Lean wird eine neue Basis der Zusammenarbeit geschaffen. Jeder Prozessbeteiligte wird zum richtigen Zeitpunkt – sowohl in der Planung als auch in der Ausführung – im Projekt berücksichtigt und bekommt sein Mitspracherecht. »Wir delegieren plötzlich keine Aufgaben mehr, sondern überlegen gemeinsam mit unseren Subunternehmern oder Partnern, wie es uns gelingen kann, möglichst ressourcenoptimiert nachhaltige Werte zu schaffen«, sagt Baierl.

Die Vorteile reichen von verbesserter Kollaboration, erhöhter Transparenz bis hin zu einer positiven Fehlerkultur. Aber auch der Abwurf von »unnötigem Ballast« hilft dabei, schneller, besser und termintreuer zu arbeiten. Mithilfe von Key Performance Indikatoren soll ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess gelebt und transparent und messbar gemacht werden. »Dank Lean können wir analysieren, wie gut wir gestern waren, was heute vor uns liegt und was wir in Zukunft verbessern können«, ist Baierl überzeugt.


Was Lean ist und was nicht

Kurz-Interview mit Gottfried Mauerhofer, TU Graz

Report Auch wenn nicht jede Baustelle absolut »lean« sein kann, gibt es so etwas wie erste Schritte, um zumindest zu einem »Lean light« zu kommen?

Gottfried Mauerhofer:
Lean sein heißt nicht eine gewisse Produktivität zu erreichen oder gewisse Methoden anzuwenden. Lean bedeutet das Erkennen der eigenen Verschwendung, das Erarbeiten von Verbesserungen und das kontinuierliche Umsetzen und Evaluieren dieser Verbesserungen. Die Methoden wie das Last-Planner-System oder gewisse Werkzeuge sind eigentlich nur Hilfsmittel, wenn auch sehr erprobte, um diesen Prozess zu unterstützen. Nur durch das Aufhängen eines Taktplans im Baucontainer ist eine Baustelle nicht Lean, auch nicht Lean light.

Report Was machte eine echte Lean-Baustelle aus?

Mauerhofer
: Eine wirkliche Lean-Baustelle macht zum großen Teil die offene Kommunikation, der Umgang mit Fehlern, eine feinmaschige Evaluierung und die Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen aus. Lean zu sein heißt nicht, fehlerfrei und perfekt nach vorgegebenem Plan zu arbeiten. Das kann maximal als anzustrebendes Ziel angesehen werden. Da Baustellen jedoch keine Produktionshallen sind, sind Randbedingungen viel schwerer einzuschätzen als beispielsweise in der produzierenden Industrie. Allerdings muss mit diesen Randbedingungen proaktiv umgegangen und nicht immer bloß reagiert werden. Auch das macht eine Lean-Baustelle aus.

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