Allianzverträge eignen sich nur für Projekte ab einem Volumen von rund 35 Millionen Euro – dachte man bislang. Beim Kraftwerk Wiesberg zeigen Auftraggeber Donau Chemie und Auftragnehmer Swietelsky, dass Allianzverträge in abgespeckter Form auch schon bei deutlich kleineren Projekten ihre Stärken ausspielen können.
Der Bau eines 22 km langen Triebwasserstollens für das Gemeinschaftskraftwerk Inn war das erste Projekt im deutschsprachigen Raum, das in Form eines Allianzvertrags nach australischem Vorbild umgesetzt wurde. Vereinfacht gesagt versuchen Allianzverträge, »die Interessen der verschiedenen Projektbeteiligten auf ein gemeinsames Ziel, die bestmögliche Realisierung eines Bauprojekts, auszurichten«, erklärt Daniel Deutschmann, Experte für alternative Vertragsmodelle bei Heid und Partner Rechtsanwälte.
Im Gegensatz zum hierzulande üblichen Claim Management wird bei Allianzverträgen die Zufriedenheit einer Partei nicht auf Kosten der anderen erreicht. Allianzverträge setzen auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligten, um Projekte zum Erfolg zu führen.
Damit es nicht beim Lippenbekenntnis bleibt, ist vertraglich klar festgelegt, dass beide Seiten auch monetär profitieren, wenn sie zusammenarbeiten und das Projekt bestmöglich abwickeln.
»Allianzverträge basieren auf einem dreistufigen Vergütungsmodell«, erklärt Deutschmann. In Stufe 1 werden dem Auftragnehmer alle direkten Kosten vergütet, die mit der Bauausführung zusammenhängen. Stufe 2 umfasst sämtliche Overheadkosten und einen Teil des Gewinns. »Um keinen Anreiz für Kostensteigerung zu liefern oder Kostensenkungen zu bestrafen, wird hier eine Pauschale vereinbart«, erklärt Deutschmann.
Und schließlich folgt in Stufe 3 ein Bonus-Malus-System. Dafür werden im Vorfeld unter Berücksichtigung allfälliger Risiken Zielkosten vereinbart. Aus der Differenz zu den tatsächlichen Kosten ergibt sich bei Kostenunterschreitung ein Bonus, von dem auch der Auftragnehmer prozentuell profitiert, und bei Kostenüberschreitung ein Malus. Dieser Malus ist mit dem Gewinn aus Stufe 2 begrenzt, sodass der Auftragnehmer immer seine tatsächlichen Kosten erstattet bekommt.
Weitere Unterschiede zu klassischen Verträgen finden sich neben dem Risk-Sharing-Ansatz auch in der Organisationsstruktur, dem Auswahlverfahren und der gemeinsamen Problemlösung. Damit eignen sich Allianzverträge vor allem für Projekte mit hohem Risiko.
Das ist auch der Grund, warum Allianzverträge vor allem im Infrastrukturbereich zum Einsatz kommen und bislang das ungeschriebene Gesetz galt, dass sie aufgrund der höheren Komplexität erst ab einem Projektvolumen von etwa 35 Millionen Euro sinnvoll sind. Mit diesem ungeschriebenen Gesetz haben Auftraggeber Donau Chemie und Auftragnehmer Swietelsky mit Unterstützung von der auf Ingenieurdienstleistungen spezialisierten Bernard Gruppe und Heid und Partner beim Projekt Kraftwerk Wiesberg jetzt erfolgreich gebrochen.
Bild oben: »Ich hab bislang von keinem Bauunternehmen gehört, das mit dem Allianzmodell schlechte Erfahrungen gemacht hätte«, sagt Daniel Deutschmann von Heid und Partner.
Letzter Ausweg
Beim Projekt Kraftwerk Wiesberg geht es um die Aufweitung eines bestehenden Stollens. Das technisch weitgehend unspektakuläre Projekt bewegt sich in einer Größenordnung von vier bis fünf Millionen Euro und ist damit eigentlich viel zu klein für einen Allianzvertrag. Dennoch war der Allianzvertrag eine Art letzter Ausweg für das Projekt.
»Die Situation war ziemlich festgefahren. Wir wollten einen Pauschalpreis, der Auftragnehmer nach Regieleistungen abrechnen«, erklärt Marcel Amon, Leiter Kraftwerk bei Donau Chemie. Auf Initiative von Wolfgang Holzer von Bernard Ingenieure kam schließlich der Allianzvertrag ins Spiel. »Bei meiner Suche nach Lösungen, die Bauwirtschaft konfliktärmer zu gestalten, bin ich vor einiger Zeit auf das Allianzmodell gestoßen«, erklärt Holzer. „»In der festgefahrenen Situation ist es mir gelungen, den Auftraggeber zu überzeugen, es beim Projekt Kraftwerk Wiesberg mit dem Allianzmodell zu probieren.«
Aufgrund der Größe des Projekts entschloss man sich, nicht alle Maßnahmen eines Allianzmodells zu übernehmen, um den Aufwand in der Abwicklung möglichst gering zu halten. Die konkrete Vertragsgestaltung übernahm Daniel Deutschmann von Heid und Partner. Herausgekommen ist ein Allianzmodell »light«, das völlig neu entwickelt und an das Projekt angepasst wurde.
»Beim Allianzmodell light werden einzelnen Aspekte aus dem klassischen Allianzmodell rausgenommen und umgesetzt«, erklärt Deutschmann. Im konkreten Fall des Kraftwerks Wiesberg war das der Risk-Sharing-Ansatz, der in einem eigenen dreistufigen Vergütungsmodell mit Bonus-Malus-System umgesetzt wurde (siehe Kasten).
Neben der Risikosphäre Auftraggeber und der Risikosphäre Auftragnehmer wurde eine dritte, gemeinsame Risikosphäre eingeführt. Gemeinsam mit den Projektbeteiligten wurden Risiken identifiziert und Eintrittswahrscheinlichkeiten berechnet und daraus die Zielkosten abgeleitet.
»Wir sind überraschend schnell zu einer Einigung gekommen«, erklärt Deutschmann. »Es gab von beiden Seiten großes Interesse, rasch zu einem guten Ergebnis zu kommen«, bestätigt auch Auftraggeber Marcel Amon. Aus diesen Zielkosten ergeben sich auch die Bonus- und Maluszahlungen.
Positives Zwischenfazit
Bild oben: »Es geht bei diesem Projekt nicht in erster Linie darum, billiger zu bauen. Uns ist wichtig, dass das Budget eingehalten wird und beide Seiten versuchen, das Projekt schnell abzuschließen. Das ist durch den Allianzvertrag gewährleistet«, sagt Marcel Amon, Projektleiter bei Donau Chemie.
Das Allianzmodell ist für Auftraggeber Donau Chemie absolutes Neuland, ein erstes Zwischenfazit fällt aber äußerst positiv aus. »Man sieht, dass alle an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Ziel verfolgen«, sagt Marcel Amon. Das positive Fazit ist insofern bemerkenswert, als es aufgrund von anfänglichen Problemen mit den Behörden zu zeitlichen Verzögerungen gekommen ist und sich deshalb ein Bonus kaum noch ausgehen wird.
»Preislich wird es ein Nullsummenspiel. Aber das ist eigentlich schon ein Fortschritt, denn welches Tunnelbauprojekt kommt schon mit dem budgetierten Preis aus«, lacht Amon. Das Ziel war für Donau Chemie nicht in erster Linie, billiger zu bauen, sondern dass das Budget eingehalten wird, das Projekt schnell zu einem Ende gebracht wird und nach Abschluss der Arbeiten Rechtssicherheit herrscht. »Das ist durch den Allianzvertrag geährleistet.«
Auch für Wolfgang Holzer steht »die Projektrealisierung als Team und nicht als Kontrahenten im Mittelpunkt«. Dazu kommt, dass die gemeinsame Analyse der Projektrisiken zur Berechnung der Zielkosten ein Bewusstsein beider Vertragspartner für die Risiken des Gegenübers schaffen. Probleme, weil es sich lediglich um die Light-Version handelt, sieht Holzer nicht. »Die wesentlichen Eckpunkte des Allianzmodells werden gelebt.«
Steigende Nachfrage
Das Projekt Kraftwerk Wiesberg bietet allen Parteien die Möglichkeit, anhand eines relativ kleinen Projekts die Vor- und Nachteile eines Allianzmodells auszuloten. Vor allem bei den Bauunternehmen steigt das Interesse. »Eine gewisse Aufbruchsstimmung ist derzeit absolut spürbar. Ich hab auch noch von keinem Unternehmen gehört, dass man mit dem Allianzmodell schlechte Erfahrungen gemacht hätte«, sagt Deutschmann.
Lesen Sie in der kommenden Ausgabe des Bau & Immobilien Report: Was Auftragnehmer über das Allianzmodell »light« denken.
Allianzmodell »light« am Beispiel Kraftwerk Wiesberg
Das Vergütungsmodell für das Projekt Kraftwerk Wiesberg besteht aus drei Teilen. Besondere Berücksichtigung erfährt die Geologie, die das größte Risiko des Projekts darstellt. Abgesehen davon handelt es sich um ein eher einfaches Projekt.
Teil 1: Sonstige Leistungen
Diese beinhalten sämtliche nicht in Abhängigkeit mit der Geologie zu erbringenden Leistungen wie etwa die Baustelleneinrichtung oder die Herstellung des Schutz-Aquädukts. Die Vergütung erfolgt gemäß den angebotenen Preisen ohne Bonus-Malus.
Teil 2: Leistungen Geologie
Hier geht es um die Vergütung der Stützmittel sowie der Vortriebsmannschaft inklusive zeitgebundener Kosten. Dabei werden die Einheitspreise mit den tatsächlichen Massen und der jeweilige Tagessatz mit den tatsächlichen Arbeitstagen multipliziert.
Teil 3: Bonus-Malus Geologie
Das Herzstück des Vergütungsmodells ist das Bonus-Malus-System. Liegen die tatsächlichen Kosten aus Teil 2 unter den geschätzten Kosten inklusive Risikogelder, greift die Bonusregelung, liegen sie darüber, kommt es zu einem Malus. Auftraggeber und Auftragnehmer teilen sich in einem vorab vereinbarten Schlüssel sowohl den Bonus als auch die Mehrkosten.
Allianzmodell – die nächsten Schritte
Nach dem klassischen Allianzmodell »Infrastruktur«, das Heid und Partner für den Bau des Triebwerksstollens des Gemeinschaftskraftwerks Inn entwickelt hat, und dem Allianzmodell »light« arbeitet Daniel Deutschmann derzeit an einem Allianzmodell »Hochbau«, das sich aktuell beim Projekt House of Science & Engineering der FH Campus Wien in der Ausschreibung befindet. »Wir versuchen seit zehn Jahren, der Branche das Thema schmackhaft zu machen«, erklärt Deutschmann. »Aber erst in den letzten zwei Jahren steigen das Interesse und die Bereitschaft, sich auf neues Terrain zu wagen.«