Sonntag, Dezember 22, 2024
Die ersten Schritte in die digitale Zukunft

Alle Welt spricht von Digitalisierung. Viele sehen das enorme Potenzial, nicht wenigen bereitet das Thema aber auch Unbehagen. In der Bauwirtschaft stehen viele Unternehmen noch am Beginn der digitalen Transformation. Der Bau & Immobilien Report zeigt, welche ersten Schritte Unternehmen setzen sollten, wenn sie sich auf die Reise in eine digitale Zukunft machen.

Unternehmen im deutschsprachigen Raum messen der digitalen Transformation große Bedeutung zu. Im Schnitt fließt mehr als ein Drittel ihrer Investitionen in diesen Bereich. Für knapp neun von zehn Firmen hat die Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle sowie der Kundenschnittstelle höchste Relevanz. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie »Digital Value 2019“», für die im Auftrag von Horváth & Partners 300 Führungskräfte befragt wurden.

So gut die theoretischen Überlegungen rund um die Digitalisierung der internen Abläufe und Prozesse klingen, so schwierig gestaltet sich oft die praktische Umsetzung. Viele Unternehmen stehen noch ganz am Beginn und damit vor der entscheidenden Frage, welche ersten Schritte sie setzen sollen. »Der erste Schritt muss sicher der sein, bei den Mitarbeitern das Bewusstsein zu schaffen, dass die Digitalisierung nichts ›Böses‹ ist, das Arbeitsplätze kostet«, sagt Gerhard Poschinger vom BMD Systemhaus. Vielmehr sei die Digitalisierung gerade in der Bauwirtschaft eine Möglichkeit, um Arbeitsabläufe zu vereinfachen, rascher auf Kundenwünsche zu reagieren, Informationen zentral abzulegen und eine genauere und optimierte Baustellenabrechnung sowie Nachkalkulation zu erreichen. »Gerade dieses Bewusstsein, dass die Digitalisierung Zeit und Raum lässt für die wirklich wichtigen Dinge, steigert auch die Akzeptanz, was die Digitalisierung interner Abläufe und Prozesse angeht«, ist Poschinger überzeugt.

Bild oben: »Zuallererst muss bei den Mitarbeitern das Bewusstsein geschaffen werden, dass die Digitalisierung nichts ›Böses‹ ist, das Arbeitsplätze kostet«, sagt Gerhard Poschinger vom BMD Systemhaus.

Für Christoph Weber von der Managementberatung Horváth & Partners steht am Anfang der digitalen Reise vor allem die Frage des Mehrwerts, den die Digitalisierung bringen soll. »Strebt man Kosteneffektivität, Geschwindigkeit, Datengenerierung an oder möchte man durch die Digitalisierung seine Kundenschnittstelle und seine Geschäftsmodelle anders gestalten?« Darauf folgend gelte es die für die Digitalisierung relevanten Prozesse zu einer übersichtlichen Anzahl an End-to-end-Prozessen zu verbinden. »Essentiell dabei ist es, abteilungsübergreifendes, prozessuales Denken aufzubauen und die Mitarbeiter von Anfang an einzubinden«, sieht auch Weber in der Personalfrage einen wesentlichen Knackpunkt.

Chancen vor der Digitalisierung

Selbst wenn die Mitarbeiter an Bord sind und Skepsis und Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung ausgeräumt werden konnten, sollte man weiter behutsam vorgehen. »Man darf bei der Digitalisierung nicht die Bodenhaftung verlieren. Abläufe und Prozesse werden nicht automatisch besser, nur weil sie digital sind, der Prozess selbst muss verbessert werden. Das sollte unbedingt vor der Digitalisierung beachtet werden«, sagt Oliver Krizek, Eigentümer und Geschäftsführer der Navax Unternehmensgruppe. Durch die Digitalisierung bekommt man auch die Möglichkeit, Abläufe und Prozesse neu zu überdenken und damit zu optimieren. Diese Chance sollte man auch nutzen.

Darüber, welche Abläufe und Prozesse zuerst in Angriff genommen werden sollten, gibt es geteilte Meinungen. Christoph Weber denkt zuallererst an den Finanzbereich. »Hier kann eine Automatisierung meist schnell realisiert werden. Zusätzlich sehe ich ein hohes Einsparungspotenzial in den Purchase-to-pay-Prozessen. Hierbei liegt der Fokus weniger auf der Prozesseffizienz, sondern auf der gewonnenen Transparenz, die eine stärkere Einkaufsbündelung und günstigere Beschaffungswege ermöglicht.«

Bei Microsoft versteht man unter Digitalisierung, »gemeinsam mit dem Kunden neue Businessmodelle zu entwickeln, Alleinstellungsmerkmale zu identifizieren und mit unseren Lösungen einen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten«. Dabei sollte immer der Endkunde im Fokus stehen und somit jene Prozesse und Abläufe, mit denen das Unternehmen seinen Umsatz erwirtschaftet, ganz oben auf der Digitalisierungsagenda. »Dies kann eine simple Prozessänderung für eine papierlose Kommunikation sein oder seinen Endkunden mehr Transparenz durch Visualisierung auf das erworbene Produkt geben«, erklärt Andreas Höllrigl, Account Manager Construction & Infrastructure bei Microsoft Österreich.

Digitalisierung der Baustelle

Gerhard Poschinger vom BMD Systemhaus sieht für die Bauwirtschaft mehrere Ansatzpunkte für Win-win-Situationen. Als Beispiel nennt er die Baustellen-Stammdatenanlage und die Führung von Bautagebüchern. »Mit einer Baustellen-Stammdatenanlage können den Dokumenten Aufgaben und Termine zugeordnet werden, damit ein digitaler Baustellenakt entsteht.« Der Vorteil: Sämtliche Dokumente wie Angebote, Aufträge, Lieferscheine oder Mahnungen werden vollautomatisch der Baustelle bzw. dem Kunden zugeordnet. Der gesamte Schriftverkehr kann im Dokumentenmanagement einfach archiviert werden. E-Mails, Fotos, CAD-Entwürfe, aber auch gescannte Dokumente stehen rasch zur Verfügung. Ein weiterer Punkt, an dem die Digitalisierung optimal eingesetzt werden kann, ist, wenn mittels Leistungserfassung die sogenannten Bautagebücher geführt werden. Geleistete Arbeitszeiten werden auf die Baustellen gebucht und mit Mitarbeiterkosten bewertet. »Die Überleitung sowohl in Baustellenkalkulation als auch in die Lohnverrechnung vereinfacht Arbeitsabläufe und verhindert doppelte Erfassungstätigkeiten«, sagt Poschinger.

Auch Christoph Weber empfiehlt, die Digitalisierung der operativen Prozesse auf der Baustelle nicht zu vernachlässigen. Zwar gäbe es schon eine Vielzahl an Insellösungen, die den Arbeitstag der Bauleiter vereinfachen. »Die größten Hebel werden aber erst durch ein digitales voll-integriertes System ermöglicht«, ist Weber überzeugt. Digital abgebildete Bauprozesse liefern hierbei Daten, die ein zeitnahes Baustellencontrolling und genauere Kalkulationswerte durch einen automatische Datenrückfluss ermöglichen.

Konkrete Maßnahmen

Ein Unternehmen, das die ersten oder vertiefende Schritte in digitale Welt setzen will, ist gut beraten, das nicht alleine zu tun. Neben den Software- und Systemhäusern bieten Unternehmensberatungen wie Horváth & Partners eine unabhängige Begleitung von der Entwicklung der Digitalisierungsstrategie bis zur Umsetzung. »Dabei gilt es, zuerst die Ziele festzulegen und die Rahmenbindungen exakt zu definieren«, erklärt Weber. Aus der digitalen Strategie ergeben sich Maßnahmen und Projekte, die in einer Digitalisierungs-Roadmap zusammengefasst werden. Anschließend werden die notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen aufgebaut. Dazu zählen etwa ein Projektbüro zur Maßnahmenverfolgung, ein Digitalisierungs-Controlling und Steuergremien für schnelle Entscheidungswege. »Auch die interne Kommunikation muss proaktiv gesteuert werden, dies kann durch die Nutzung von Firmenzeitungen, Company-TV oder bei kleineren Unternehmen durch die Einbindung akzeptierter Stakeholder erfolgen«, so Weber.

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