Weltweit werden Ressourcen knapper, Basis-Rohstoffe verteuern sich. Bietet grüne Bauchemie eine Alternative?
Kaum ein Begriff ist in öffentlichen und fachlichen Diskussionen so gegenwärtig wie Nachhaltigkeit. Auch im Bauwesen ist das Thema zentral, steht es doch für die Verwendung lokaler, möglichst emissionsarmer und zunehmend recycelter Rohstoffe, für die Herstellung in regionalen Produktionsstätten unter umweltgerechten und sicheren Bedingungen und z.B. für die Rezeptierung und Produktion möglichst emissionsarmer Produkte. »In gewissen Bereichen kann nachhaltiges Bauen durch Bauchemie unterstützt werden«, versichert Gunther Sames, Geschäftsführer von Ardex, schränkt aber gleichzeitig ein, dass grüne Bauchemie beim aktuellen Stand der Technik als echte Alternative zu bewährten Systemen noch Herausforderungen zu bewältigen hat.
Bild oben: »Ohne moderne Bauchemie ist nachhaltiges Bauen nicht realisierbar«, erklärt Samuel Plüss. »Bei Verwendung von 1.000 kg Sika MonoTop-412 Eco anstelle eines gleichwertigen herkömmlichen Mörtels reduziert sich die CO2-Emission um 29 Prozent.«
Neben einer rein ökologischen Betrachtung sei immer entscheidend, ob die eingesetzten Baustoffe hinsichtlich Funktionalität und Qualität die Nachhaltigkeit beispielsweise eines Gebäudes bezogen auf den gesamten Lebenszyklus positiv beeinflussen. Sika hingegen sieht in grüner Bauchemie bereits definitiv eine Alternative. Laut Geschäftsführer Samuel Plüss ermöglicht sie, in den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten umweltfreundlich zu bauen und den Energieverbrauch im kompletten Lebenszyklus eines Bauobjekts drastisch zu reduzieren. Zu nennen sind v.a. neue Kleb- und Dichtstoffe, umweltfreundliche Beschichtungen, neue Abdichtungs- und Dämmsysteme, CO²-reduzierende Mörtel und neue Technologien bei Betonzusatzmitteln.
Bild oben: »Etwa ein Drittel unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit Produkten, die nicht älter als fünf Jahre sind. Das beweist, dass der Markt für ökologische Innovationen offen ist«, sagt Murexin-Vertriebsleiter Peter Reischer.
Murexin erwirtschaftet bereits ein Drittel des Umsatzes mit neuen Produkten. Das beweist für Geschäftsführer Bernhard Mucherl, dass der Markt für ökologische Innovationen offen ist. Vertriebsleiter Peter Reischer verweist z.B. auf die neue MSP-Technologie, mit der Verfestigungsharze, Gießharze, Feuchtigkeitssperren, Grundierungen und Klebstoffe gewonnen werden, sowie auf einen neuen Designbelagsklebstoff als ökologische Alternative zu bisher verwendeten Klebstoffen auf PUR-Basis. Eine Grenze für ökologische Bauchemie sieht Manfred Gahleitner, Produktmanager bei Avenarius Agro.
Bild oben: »Wir optimieren vor allem die Produktionsprozesse stetig, um energieeffizienter und auch ressourcenschonender produzieren zu können«, sagt Ardex-Geschäftsführer Gunther Sames.
»Kunstharzbeschichtungen werden überall dort eingesetzt, wo bestimmte Anforderungen an mechanische und/oder chemische und/oder thermische Eigenschaften gestellt werden. Anders als bei Abdichtungssystemen, die dank Bitumenfreiheit als grün bezeichnet werden, sehen wir keine Alternativen für die Basisharze.« Gunther Sames bezieht sich auf die Kombination »Nachhaltigkeit und Grün«. Nachhaltigkeit und Bauchemie lassen sich durchaus verbinden. »Wir optimieren vor allem die Produktionsprozesse stetig, um noch energieeffizienter und auch ressourcenschonender produzieren zu können. In diesem Bereich gibt es immer Potenzial, wenngleich unsere Produktionsanlage in Loosdorf heute schon als Musterbeispiel für energieschonende Produktion gilt.«
20 Jahre danach
Im Jahr 2000 gab es laut Bauchemikern weder emissionsarmen Klebstoff noch emissionsarme Wandfarbe. Heute sei das dagegen selbstverständlich. Weltweit arbeiten Entwickler und Chemiker daran, alternative Rohstoffe zu finden. Das ist laut Gunther Sames nicht ganz einfach, denn die Produkteigenschaften sowie die Produktperformance dürfen sich dadurch nicht ändern. Bauprodukte haben einen erheblichen Einfluss auf die Nachhaltigkeitsperformance eines Gebäudes. Dafür ist moderne Bauchemie erforderlich. Bei Murexin liegt der Fokus daher unter anderem auf ressourcenschonender Herstellung, Umweltverträglichkeit und Anwenderfreundlichkeit.
»Chemisch heißt für uns auch freundlich zur Umwelt und zum Verarbeiter«, betont Bernhard Mucherl. Die größte Herausforderung liegt für ihn darin, die Rezepturen der modernen Produkte so zu entwickeln, dass ihre technische Funktion sichergestellt ist. Das erfordert viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit, aber auch Know-how.
»Trotzdem erachten wir diesen Einsatz als lohnenswert, denn der Erfolg gibt uns recht.« Etwa ein Drittel des Umsatzes wird mit Produkten erwirtschaftet, die nicht älter als fünf Jahre sind. Auch AvenariusAgro substituiert bereits viele Wirkstoffe, etwa Rezepturbestandteile wie Weichmacher, Entschäumer, Filmbildehilfsmittel und Verlaufadditive mit Alternativen. Für sensible Bereiche werden emissionsminimierte und lösemittelfreie Bodenbeschichtungen angeboten.
Chemische Forschung
Nachhaltige Bauchemie-Produkte zur Sanierung beziehungsweise Renovierung werden laut Ardex verstärkt nachgefragt, beispielsweise Produkte zur Betonsanierung. »Damit kann Bestehendes erhalten bleiben. Das nimmt Einfluss auf den Gesamtlebenszyklus und damit sind die ursprünglichen Aufwendungen an Ressourcen nicht verloren«, gibt Gunther Sames eine sehr positive Bewertung. Am Stammsitz in Witten/Deutschland betreibt Ardex ein modernes Entwicklungslabor. Alternative Bauchemie setze aber oft einen veränderten Bauprozess voraus. »Das kann am Anfang zu Mehrkosten führen, was einige Bauunternehmen noch abschreckt«, schränkt Samuel Plüss ein.
Laut Sika wird nach wie vor sehr viel geforscht. Der Prozess hin zu alternativer Bauchemie sei langsam, aber sicher angelaufen. Einige komplett neue Systeme und Technologien befinden sich in der Pipeline. Ziel ist, alternative Rohstoffe zu finden, die die gewohnte gleiche Performance der Qualitätsprodukte sicherstellen. Eine erfolgreiche Öko-Schiene fährt die Bauwirtschaft bereits bei Beton, es gibt eine Vielzahl an Öko-Betonen. Recyclierte, aufbereitete und gewaschene Gesteinskörnungen erfordern bis zu 30 Prozent weniger CO2-Emissionen in der Herstellung und stellen einen bis zu 15 Prozent geringeren Primärenergiebedarf als Standardbeton.
Ausblick
»Vor allem im Bereich der Bodenbelagsklebstoffe nehmen wir wahr, dass die Endkonsumenten bei den eingesetzten Produkten mitreden möchten«, berichtet Bernhard Mucherl. Dem pflichtet Peter Reischer bei. Oft entstehen neue Produkte aus speziellen Anforderungen auf den Baustellen. Kunden würden bei den verarbeitenden Firmen konkret nach ökologischen Klebstoffen fragen, die weichmacherfrei und sehr emissionsarm sind, also ein gesundes Raumklima unterstützen.
Hier haben silan-modifizierte Polymer-Klebstoffe, MSP, laut Murexin großes Potenzial. Darauf aufbauend werden auch Feuchtigkeitssperren, Bauwerksabdichtungen und Verfestigungsharze die bisher bei speziellen Anwendungsfällen eingesetzten EP- und PUR-Harze oder Bitumenprodukte ablösen. Mit der neuen bitumenfreien Spezialabdichtung WD 1K wird heuer eine umweltfreundliche Flüssigabdichtung für den Innen- und Außenbereich als ökologische Alternative zu bituminösen Produkten auf den Markt gebracht. Avenarius Agro verweist auf ein neues schnellhärtendes, pigmentiertes, Zweikomponenten-Reaktionsharz, DisboPUR A 326.
Leitbetrieb Murexin Austria
Murexin wurde erneut als österreichischer Leitbetrieb zertifiziert. Im Rahmen einer Leitbetriebe Austria-Veranstaltung zum Thema »Digitalisierung unterstützt die Nachhaltigkeit« nahm Geschäftsführer Bernhard Mucherl die Auszeichnung von Leitbetriebe Austria-Geschäftsführerin Monica Rintersbacher entgegen. Als Leitbetriebe werden nach einem umfassenden Qualifikationsverfahren jene vorbildhaften Unternehmen ausgezeichnet, die sich zu nachhaltigem Unternehmenserfolg, Innovation und gesellschaftlicher Verantwortung bekennen.