Hauseigentümer müssen sicherstellen, dass ihre Gebäude keine Gefahr für die Sicherheit von Personen und deren Eigentum darstellen, so das ABGB. Welche Kontrollen und welche Schritte hierfür zu setzen sind, regelt die ÖNORM B 1300.
In Deutschland liegen die Nerven von Hausbesitzern und -verwaltern blank. Die Eigentümerpflichten zur Objektsicherheit sind ebenso wie in Österreich in zahlreichen Gesetzesmaterien festgeschrieben, allerdings ist der Sorgfaltsmaßstab nirgendwo definiert. »Man könnte vor Gericht für jeden Schaden belangt werden, weil der Entlastungsbeweis fehlt«, berichtet Doris Wirth, Geschäftsführerin von Bluesave. In Österreich existiert seit 2012 die ÖNORM B 1300. Eigentümer, Betreiber und Verwalter erhalten damit eine Orientierungshilfe und einen Handlungsleitfaden, um die erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen für Objektsicherheitsprüfungen durchführen zu können. »Derzeit exportieren wir die B 1300 nach Deutschland«, informiert Wirth, die dem österreichischen Normungsausschuss vorsitzt
Alltagsthema Objektsicherheit
»Das Thema Objektsicherheit gibt es schon lange. Bisher hat sich jedoch kaum jemand damit auseinandergesetzt, weder die Mehrheit der Eigentümer noch kleinere Hausverwaltungen«, kritisiert Baumeister Andreas Kloiber, Teamleiter Bautechnik bei TÜV Austria. OGH-Urteile wegen eines falsch positionierten Handlaufs habe es schon vor 2000 gegeben. Vor 2012 waren die Instandhaltungspflichten im ABGB, im Wohnrecht, in den Bauordnungen und im BauKG festgeschrieben. Mit der B 1300 gibt es eine Definition des Sorgfaltsmaßstabes, die der Richter im Schadensfall heranzieht. Mit einem B 1300 geprüften Gebäude kann Mietern zudem eine bessere Leistung geboten werden, womit der Wert der Immobilie steigt.
»Viele Hausverwaltungen haben erkannt, dass sie mit der B 1300 ein Organisationsinstrument in die Hand bekommen haben, mit dem sie Verkehrssicherheitspflichten in den Griff bekommen«, betont Wirth zufrieden. Laut Doris Wirth geht es auch um die vorausschauende Instandhaltung und dadurch geringere Instandsetzungsinvestitionen. Die Kosten der B 1300-Prüfungen können in der Regel als Aufwendungen für Kontroll- und Wartungsarbeiten abgerechnet werden. Empfohlenes Mindestintervall ist laut TÜV Austria und ÖNORM ein Jahr. Usus sind laut Kloiber derzeit ein bis zwei Jahre. Die Kontrollen werden von fachlich qualifiziertem Personal durchgeführt.
Große Hausverwaltungen haben meist eigene technische Abteilungen. Kontrollen werden auch von externen Prüfern wie Baumeistern, Ziviltechnikern und Immobilientreuhändern durchgeführt, ebenso z.B. TÜV Austria und Bluesave. Erforderlich ist eine sorgfältige Dokumentation. Bluesave bietet dazu das digitale Gebäudebuch Bluebook, TÜV Austria den Inspection Manager. »Die meisten gehen positiv mit der B 1300 um«, berichtet Wirth, Verweigerer finden sich bei Groß und Klein. Einige würden unter Hausverwaltung wie vor 30 Jahren vorwiegend die kaufmännische Abrechnung eines Gebäudes verstehen.
B 1300 – und dann?
»Nicht jeder Riss stellt gleich eine Gefahr dar und erfordert den Umbau des Gebäudes«, beruhigt Andreas Kloiber. »Bei den Begehungen öffnen wir keine Bauteile oder empfehlen die Versetzung tragender Wände.« Oft ist Konsens entscheidend, selbst wenn die moderne Bautechnik etwas anderes sagt. Die Entscheidung dazu trifft der Sachverständige, der Prüfer und priorisiert die auftretenden Mängel. Für Gebäude, die vor 1930 errichtet wurden, gilt Bestandsschutz, wobei Objektsicherheitsprüfer die Risken priorisieren. Von der B 1300 betroffen sind z.B. augenscheinliche Risse und Abplatzungen in der Fassade und in der Bausubstanz, Stolpergefahren in Bodenflächen, fehlende oder unzureichende Beschilderungen für die Hauptsperreinrichtungen Gas, Wasser, Strom, sowie erste Löschhilfen ohne Überprüfung. Absturzgefahren müssen beseitigt werden und Fluchtwege frei sein. Gerümpel am Gang oder vor der Wohnung wird laut Doris Wirth bei fast jeder Begehung beanstandet.
Speziell in älteren Objekten fehlt vielfach der zweite Handlauf in den Stiegenhäusern und in den Keller. Die Mängel müssen bei Gefahr in Verzug sofort beseitigt werden, etwa wackelnde Geländer oder fehlende Absturzsicherungen. Bei Mängeln, für deren Behebung ein Handwerker beigezogen werden muss, setzt der Prüfer eine Frist fest. TÜV Austria nennt dazu zwei bzw. acht Wochen oder sechs Monate. Wenn die Tür in die falsche Richtung aufgeht, fällt das je nach Situation meist unter Konsens und muss erst im Zuge einer größeren Sanierung korrigiert werden.
So denkt die Branche über B 1300
ÖWG Wohnbau
»Als Hausverwaltung haben wir Gefahrenquellen ständig im Fokus«, betont Alexander Lackner, Stabstelle Aktives Anlagenmanagement bei ÖWG Wohnbau. Regelmäßig geprüft werden Anlagenteile mit besonders hohen Schutzzielen wie Lifte, Blitzschutzanlagen, Heizungs- und Elektroanlagen sowie Spielplätze. Die ÖNORM B 1300 erfordert laut Lackner eine sehr spezifische Auseinandersetzung mit dem zu prüfenden Gebäude. »Eine jährliche Überprüfung durch Sonderfachleute wäre zu kostenintensiv. In Abhängigkeit der Komplexität der Objekte und auf Basis einer Risikoanalyse werden wir voraussichtlich alle drei bis fünf Jahre Kontrollen durch externe Sonderfachleute durchführen lassen.«
Sozialbau
»Unsere Objekte befinden sich in einem sehr guten Zustand«, betont Ernst Bach, Direktor für Hausbewirtschaftung bei Sozialbau. Gebäude älter als 30 Jahre sind umfassend saniert. Mehrmals jährlich inspizieren Hausverwalter die Objekte. »Wir beginnen 2020 mit den B 1300-Kontrollen und haben uns ein Prüfintervall von zwei Jahren vorgenommen.«
Generali
»Als sinnvoll erachtet TÜV Austria eine Berücksichtigung von B 1300-Prüfungen bei Festsetzung der Versicherungsprämie, B 1300 soll zu einer Senkung führen. Die Reaktion von Versicherern ist durchwegs positiv. »Als zukünftige Pricing-Komponente steht B 1300 in unserem Fokus«, betont etwa Christoph Zauner, Leiter Retail und Corporate bei Generali.
TÜV Austria
»Das Thema Objektsicherheit gibt es schon lange. Bisher hat sich jedoch kaum jemand damit auseinandergesetzt, weder die Mehrheit der Eigentümer noch kleinere Hausverwaltungen«, sagt Andreas Kloiber von TÜV Austria.
Frigo Immobilientreuhand
»Wir versuchen B 1300-Kontrollbesichtigungen einmal pro Jahr durchzuführen«, informiert Christine Solchinger, Geschäftsführerin von Frigo Immobilientreuhand. Bei kleineren Gebäuden mit fehlendem Budget sei das manchmal nicht möglich. Durch die Checkliste der B 1300 könnten aber eigenständige Prüfungen vorgenommen werden. Zusätzlich gibt es quartalsweise Sicherheitskontrollen. Manchmal spielen steuerliche Überlegungen bei der B 1300 mit – »eine sehr sinnvolle Investition«.
Porr
»B 1300-Prüfungen betreffen in der Regel hausverwaltende Institutionen«, informiert Peter Panis, Prokurist bei Porreal. Die Berücksichtigung erfolgt jedoch optimalerweise bereits über den gesamten Bauprozess hinweg – von der Planung über den Bau bis hin zur Abnahme und laufenden Instandhaltung.
Bluesave
»Wie weist der Hausverwalter im Schadensfall dem Richter nach, dass er die notwendige Sorgfalt hat walten lassen, wenn er keinen B 1300-Bericht vorweisen kann?«, motiviert Doris Wirth zu regelmäßigen Prüfungen.