Building Information Modeling (BIM) ist derzeit eines der meistdiskutierten Themen in der Baubranche. Dennoch gibt es viele Missverständnisse, was BIM tatsächlich ist oder kann. Diese spiegeln sich in die verschiedenen Sichtweisen und Interpretationen der Thematik wider. Doch wenn es um den strategischen Einsatz von BIM geht, ist es unabdinglich, diesem ein fundiertes Verständnis von Building Information Modeling zugrunde zu legen.
Der Autor: Sven-Eric Schapke ist Director BIM/PLM bei think project! und leitet seit 2013 die Entwicklung von Cloud-Lösungen für Zusammenarbeit mit BIM. Nach dem Studium an der TU Braunschweig und dem Georgia Institute of Technology, USA war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bauinformatik der TU Dresden. Er ist aktiv in BIM-Arbeitsgruppen von DIN und VDI sowie Mitglied des Advisory Board von buildingSMART Deutschland.
Im Folgenden die zentralen Missverständnisse im Zusammenhang mit BIM und deren Klärung:
Mythos 1: Bei BIM geht es nur um 3D-Modellierung
Der Begriff »Building Information Modeling« wird oft gleichgesetzt mit der reinen 3D-Planung und mit 3D-Modellierungsprogrammen. Dies greift jedoch zu kurz und übersieht, dass BIM viel eher eine Methodik darstellt, mit der verschiedene Informationstypen eines Bauprojekts organisiert werden können – auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Dieser Aspekt eines transparenten, digitalen Informationsmanagements ist der wahre Mehrwert von BIM.
Mythos 2: Für BIM braucht man nur die richtige Software
Bei BIM geht es nicht nur um den Einsatz einer bestimmten Software. Auch wenn der Einbezug von Autorensoftware bei BIM-Projekten unerlässlich ist, bildet dies nur einen Aspekt von BIM ab. Building Information Modeling geht über die reine IT-Dimension hinaus. Mit BIM zu arbeiten heißt zum einen, die dafür nötige digitale Infrastruktur zu verwenden, und zum anderen, darauf aufbauend einen Prozess zu etablieren, der eine kollaborative Projektarbeit ermöglicht. Erst mit einer geordneten Informationsstruktur, auf die jeder Beteiligte Zugriff hat, kann von einer echten BIM-Arbeitsweise gesprochen werden.
Mythos 3: BIM kann nur in der Planung eingesetzt werden
Während des gesamten Projektverlaufs spielt BIM eine bedeutende Rolle. Nicht nur bei der Projektplanung, auch zu einem späteren Zeitpunkt ist ein transparenter und sinnvoll strukturierter Informationsfluss, auf den alle Beteiligten zugreifen können, relevant. Die einzelnen Abschnitte eines Bauprojekts sind nie gänzlich losgelöst voneinander – genauso wenig sind es die jeweils relevanten Daten des Projekts. Die Dokumentation und der erleichtere Zugang zu den Projektinformationen für jeden Projektabschnitt und über den gesamten Projektverlauf hinweg sind gerade die zentralen Vorzüge einer BIM-Arbeitsweise.
BIM ist definitiv nicht simpel, sondern weitaus komplexer, als auf den ersten Blick ersichtlich. Durchforstet man das Internet nach Building Information Modeling, findet man zahlreiche Begriffsdeutungen und Industriestandards hierzu.
Diese verschiedenen Herangehensweisen an die Begrifflichkeit und Funktion von BIM wirken auf den ersten Blick verwirrend. Greift man die zentralen Missverständnisse auf, ergeben sich essenzielle Aspekte von BIM, die die Thematik in ihrer Gänze darstellen sollen.
3D Modelle und Informationstiefe als Grundlage
Auch wenn der alleinige Fokus von BIM nicht auf Modellen liegt, sind sie doch eine wichtige Grundlage. Mit BIM soll eine verbesserte Visualisierung aller relevanten Bauinformationen geboten werden. Durch das Zuweisen von zusätzlichen Informationen zu einem 3D-Modell entsteht eine größere Informationstiefe des Projekts – und das auf den gesamten Projektlebenszyklus bezogen. Es können alle möglichen projektrelevanten Daten hinzugefügt werden, von Kosten über Materialangaben bis zu Notizen oder Aufgaben zu einzelnen Projektphasen.
Arbeitsmethode für die Projektzusammenarbeit
Im Grunde ist BIM ein Managementwerkzeug für Bauprojekte, das über Unternehmensgrenzen hinweg standardisierte Prozesse und Zusammenarbeit ermöglicht. Um eine solche Arbeitsmethode zu etablieren, benötigt es ein sogenanntes Common Data Environment (CDE). Dies ist eines der wichtigsten Bestandteile von BIM. Dort wird die Projektinformation strukturiert, gespeichert und kann einfach für alle Beteiligen zugänglich gemacht werden. Mithilfe dieses digitalen Projektraums werden alle Informationen zentral gesammelt und organisiert.
Darauf aufbauend können standardisierte Prozesse festgelegt und Fehler im Informationsmanagement oder Kommunikationsprobleme zwischen den Projektbeteiligten deutlich verringert werden. BIM hilft dabei, Medienbrüche und zeitraubende Mehrfacheingaben zu vermeiden, gestaltet Arbeitsabläufe effizienter und sorgt dafür, dass die Produktivität und Planungsqualität verbessert werden.
Zielsetzung: bessere Entscheidungen treffen
Grundlegendes Ziel von BIM soll sein, dass Unternehmen schnellere, bessere und frühzeitigere Entscheidungen in der Planungsphase oder während des Bauprozesses treffen können. Denn sind alle Informationen zentral für alle Beteiligten zugänglich und sinnvoll organisiert, erleichtert dies die Projektzusammenarbeit ungemein. So können mögliche Probleme rechtzeitig identifiziert und behoben sowie relevante Entscheidungen zum Bauvorhaben schon in einer frühen Planungsphase getroffen werden. Im Gesamtkontext gesehen führt eine solche BIM-Arbeitsmethodik idealerweise zu einer effektiveren Projektarbeit und reduziert unnötige Kosten.
Fazit
Aufgrund der verschiedenen Mythen, die sich derzeit noch um BIM ranken, entsteht kein kohärentes Bild dieser Methodik und dies führt ihr gegenüber nicht selten zu einer skeptischen Haltung. Wer jedoch BIM mit all seinen Facetten betrachtet, erkennt schnell das wahre Potenzial und den Marktvorteil, der sich hieraus ergibt. Betrachtet man BIM nicht nur als 3D-Planung mit zusätzlich zugewiesenen Projektdaten (4D bzw. 5D), sondern als Arbeitsmethode, ergeben sich eine Reihe von weiteren Vorteilen, die über den positiven Effekt der größeren Informationstiefe hinausgehen.
Was BIM wirklich ist
BIM bezeichnet eine kollaborative Arbeitsmethode, die bei Bauprojekten zu einer besseren Informationstransparenz für alle Projektbeteiligten führt. Dazu werden alle grafischen und nichtgrafischen Projektinformationen während des gesamten Projektzyklus strategisch und zentral organisiert und miteinander verknüpft.