Kopenhagen wird zwar als EU-Musterschüler in der Stadtentwicklung angeführt, der gemeinnützige Wohnbau dagegen schwächelt. Vor allem die Grundstückspreise bilden die Hürde, die es zu überwinden gilt. In Schweden wurde der soziale Wohnbau bereits ad acta gelegt.
Erstklassige Architektur ist in Dänemark sehr wichtig. Nahezu jedes Gebäude in Kopenhagen stellt eine Landmark dar, und das hat seinen Preis. Nach einer starken Transformation des industriellen Sektors in den 60er-Jahren und einer schweren Rezession wurden Wohnungseigentum und private Wohnungsgenossenschaften stark gefördert, der gemeinnützige Wohnungsneubau vorerst gestoppt. Mittlerweile gibt es ihn wieder. Markus Sturm, Obmann des Vereins für Wohnbauförderung, vwbf: »Der gemeinnützige Wohnbau hat einen gewissen Stellenwert in Dänemark.« Angepeilt sind 20 Prozent des jetzigen Wohnungsneubaus. Die aktuelle Rate liegt allerdings nur bei 14 Prozent landesweit, in Kopenhagen beträgt sie nur fünf Prozent jährlich.
Leistbare Wohnungen für Haushalte mit kleineren und mittleren Einkommen sind wegen der stark steigenden Grundstückspreise Mangelware. Zwischen 2012 und 2017 haben sich Wohn-immobilienpreise in Kopenhagen um 45 Prozent erhöht. Grundsätzlich steht der gemeinnützige Wohnungsneubau in Dänemark allen Einkommensgruppen offen. Aufgrund der hohen Grundstückskosten stehen die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen nun aber vor der großen Herausforderung, zur Finanzierung ihrer Projekte auch teurere Eigentumswohnungen für Besserverdiener errichten zu müssen. Günstige Mietwohnungen für weniger finanzkräftige Haushalte finden sich dabei oftmals nur in den Erdgeschoßlagen. Lange Vormerklisten sind die Folge. Aktuell beläuft sich die durchschnittliche Monatsmiete auf 17,9 Euro/m². 54 Prozent aller Einkommensbezieher im untersten Einkommensfünftel sehen sich bereits mit einer Wohnkostenüberbelastung konfrontiert.
In Wien beträgt die Monatsmiete vergleichsweise im Schnitt 9,7 Euro/m². Deutlich höher liegt die Kopenhagener Eigentumsquote mit 63 Prozent – Vergleich Österreich: 54 Prozent Eigentum und 46 Miete. Auf den sozialen Wohnbau entfällt ein Fünftel des heimischen Wohnungsbestand. Markus Sturm nach der Besichtigung des Stadtentwicklungsgebietes Ørestad: »Hier werden 60 Prozent Bürofläche angepeilt, 20 Prozent freier und 20 Prozent gemeinnütziger Wohnbau. Ob mit diesem hohen Officeanteil öffentlicher Lebensraum entsteht, ist fraglich.«
Bild oben: Für ein soziales Gefüge braucht es gemischte Wohnanlagen, d.h. Miete und Eigentum. Als positives Beispiel nennt der vwbf etwa die Wohnhausanlage am Kendlerpark in Salzburg. Bauherr ist die Wohnungsgenossenschaft Die Salzburg.
Gemeinnützig in Malmö
Am zweiten Tag ging es über die Öresundbrücke, eine 1.092 Meter lange Hochbrücke, in das Stadtentwicklungsgebiet Västra Hamnen in Malmö. Auf dem 175 ha großen Areal entstehen Wohnungen für 10.000 bis 12.000 Menschen und je 10.000 Arbeits- und Studienplätze. Architektin Anne von der größten Immobiliengesellschaft Malmös, MKB, präsentierte das schwedische Wohnungssystem, das durch vier Rechtsformen gekennzeichnet ist: Wohnungseigentum 39 Prozent, Genossenschaftswohnungen 23 Prozent, kommunale Mietwohnungen 19 Prozent und private Mietwohnungen 19 Prozent. »Bis in die 1990er-Jahre wurde in Schweden sehr viel billiger Wohnraum über Wohnbaugesellschaften der Kommunen bereitgestellt. Seit einer erfolgreichen Klage der Vermietervereinigung beim EUGH müssen Wohnungen jedoch marktkonform angeboten werden.« Das habe zu einer starken Veränderung im System geführt.
Die Mieten orientieren sich am Vergleichswert, d.h. sie müssen an jene anderer Wohnungen am gleichen Ort mit gleichem Wert angeglichen werden und sie werden zwischen Mieter- und Vermietervereinigungen festgelegt. Aufgrund des hohen Bevölkerungswachstum in den Städten und Ballungsregionen und des nicht bedarfsdeckenden Neubaus besteht akuter Mangel an Wohnraum. Besonders betroffen sind wohnungssuchende Junghaushalte. Eine Studie beziffert den Wohnbaubedarf in den kommenden zehn Jahren auf über 700.000 neue Wohnungen. Um die Spekulation am Immobilienmarkt gering zu halten, muss bei Weitervermietung das Einverständnis der kommunalen Wohnungsbehörde eingeholt werden.
Schweden sucht auch jenseits der Grenzen nach erfolgreichen Konzepten: Im September hat eine schwedische Delegation mit Abgeordneten des österreichischen Bautenausschusses die Modelle des sozialen und gemeinnützigen Wohnbaus sowie Entwicklungen des Wohnungsmarkts diskutiert.
Sozialer Wohnbau
Österreich hat im internationalen Vergleich eine sehr gute Wohnversorgung. Der gemeinnützige Wohnbau kommt aber auch hierzulande unter Druck:
-Grundstücke zu angemessenen Konditionen sind Mangelware – Grundstücksbevorratung fehlt.
-Extreme Preissteigerungen durch den starken Anstieg der Baukonjunktur
-Enormer Sprung bei den Baukosten, der auf die gute Wirtschaftslage und die vollen Auftragsbücher der Baufirmen zurückzuführen ist. »Wir erleben Steigerungen von 20 Prozent«, sagt Markus Sturm, Obmann des Vereins für Wohnbauförderung.
Um in Wien mehr geförderte Wohnungen errichten zu können, wurde von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal und Gemeinderat Christoph Chorherr kürzlich eine Änderung der Bauordnung ankündigt. Ab 2019 soll die Widmungskategorie »geförderter Wohnbau« den Preisauftrieb wirksam eindämmen. Wird eine Fläche gewidmet, dürfen darauf nur mehr Gebäude mit überwiegend geförderten Wohnungen und einer Grundstückspreisobergrenze von max. 188 Euro pro m² errichtet werden.