Die am 1. September in Kraft getretene Änderung des Arbeitszeitgesetzes, kurz AZG, samt Verlängerung der höchstzulässigen Arbeitszeiten hätte im Vorfeld medial kaum breitere Aufmerksamkeit erhalten können. Während die Arbeiterkammer von einer »radikalen Anhebung der regulären Grenzen« spricht, ist es für die Regierungsparteien ein »gutes Gesetz«, welches längst überfällige Flexibilisierungsmöglichkeiten schafft. Doch was bringt die Novelle wirklich?
Die Novelle des AZG beschäftigt sich insbesondere mit den höchstzulässigen Arbeitszeitgrenzen, die Normalarbeitszeit bleibt unangetastet. Für Arbeitnehmer gilt damit nach dem AZG nach wie vor die 40-Stunden-Woche, in der Bauwirtschaft laut Kollektivvertrag die 39-Stunden-Woche. Die zulässige Höchstarbeitszeit wurde allerdings auf zwölf Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden pro Woche angehoben, wobei die Arbeitnehmer ein Ablehnungsrecht für die Leistung der 11. und 12. Stunde haben. Eingegrenzt wird das höchstmögliche Arbeitspensum wie bisher durch die Einschränkung auf 48 Wochenarbeitsstunden innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen.
Die Zahl der Arbeitnehmer, die dem AZG unterliegen, wurde außerdem weiter reduziert. Jetzt sind auch Familienangehörige, leitende Angestellte und bestimmte weitere Arbeitnehmer mit einer »maßgeblichen selbstständigen Entscheidungsbefugnis« vom Geltungsbereich des AZG ausgenommen.
Ein Fall für die Gerichte
Details zur Auslegung der Novelle werden wohl die Gerichte eine Weile beschäftigen. Um Arbeitnehmer, die eine 11. und/oder 12. Stunde ablehnen, zu schützen, hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass diese nicht, auch nicht indirekt, benachteiligt oder gar gekündigt werden dürfen. Es ist davon auszugehen, dass dieses Benachteiligungsverbot Anlass für zahlreiche Kündigungsanfechtungen sein wird. Auch die Frage, welche weiteren Arbeitnehmer künftig unter den erweiterten Begriff des »leitenden Angestellten« und damit unter die erweiterten AZG-Ausnahmen fallen werden, bedarf noch einer Klärung. Konkret geht es insbesondere um die Formulierung, dass auch jene Arbeitnehmer vom Geltungsbereich ausgenommen sind, »denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist« und deren Arbeitszeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird oder von diesen selbst festgelegt werden kann. Diese relativ offene Formulierung wird letztlich den OGH beschäftigen.
Spezialfall Baubranche
Die Baubranche ist durch arbeitszeitrechtliche Besonderheiten gekennzeichnet, die weitgehend unverändert bleiben. Eine Ausnahme findet sich z.B. bei der Dekadenarbeit. Der Rhythmus »zehn Tage Arbeiten, vier Tage Freizeit« kann jetzt flexibler gestaltet werden: Prinzipiell gilt bei der Dekadenarbeit zwar nach wie vor eine tägliche Normalarbeitszeit von höchstens neun Stunden und eine wöchentliche Normalarbeitszeit von durchschnittlich höchstens 40 Stunden in zwei Wochen. Jedoch darf die höchstzulässige Wochenarbeitszeit nunmehr 60 Stunden statt wie bisher 50 Stunden überschreiten.
Die Bestimmungen zur kurzen/langen Woche bleiben wohl bestehen: Die novellierte Fassung des AZG enthält eine Bestimmung, nach der bestehende kollektivvertragliche Regelungen weiterhin anzuwenden sind, wenn sie für Arbeitnehmer günstiger sind. Geht man davon aus, dass kürzere Arbeitswochen günstiger für den Arbeitnehmer sind, bedeutet dies, dass insbesondere die Regelungen zur kurzen/langen Woche weiterhin gelten, da diese durchgehend geringere Höchstarbeitszeiten als 60 Stunden vorsehen.
Ein Fall für die Sozialpartner
Verhandlungsbedarf für Kollektivvertragspartner könnte es beim Thema Gleitzeit geben. Die Normalarbeitszeit kann jetzt bei Gleitzeit prinzipiell auf zwölf Stunden erhöht werden, wenn der Kollektivvertrag nicht eine niedrigere Grenze (im Handels-KV z.B. zehn Stunden) vorsieht und die Betriebs- bzw. Einzelvereinbarung eine entsprechende 12-Stunden-Regelung enthält. Letzteres bedeutet, dass für die Einführung der 12-Stunden-Gleitzeit wohl Gleitzeitvereinbarungen neu verhandelt werden müssen, da bisher der 12-Stunden-Gleitzeittag gesetzlich nicht vorgesehen war. Inwieweit sich die Kollektivvertragspartner hier auf neue Regelungen einigen, bleibt abzuwarten.
Die Autoren:
Nicolaus Mels-Colloredo ist Partner bei PHH Rechtsanwälte und Experte für Arbeitsrecht.
Antonius Macchietto della Rossa ist Rechtsanwaltsanwärter und ebenfalls im Bereich Arbeitsrecht tätig.
Info: PHH Prochaska & Havranek Rechtsanwälte GmbH & Co KG ist eine der Top-Anwaltskanzleien für Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsstrafrecht in Österreich. Seit ihrer Gründung 2001 ist die Kanzlei stetig gewachsen und wurde international mehrfachausgezeichnet. Themenschwerpunkte: A wie Arbeitsrecht bis Z wie Zivilrecht.