Im active energy building in Vaduz sorgen völlig neu entwickelte Klimaflügel für die perfekte Raumtemperatur und ein »evolutionär-darwinistischer« Algorithmus für höchstmögliche Grundrissflexibilität.
Mitten im beschaulichen Vaduz hat die alteingesessene Anwaltsfamilie Marxer ein energieautonomes Gebäude errichten lassen, das ausschließlich erneuerbare Energieformen verwendet und zusätzlich aktiv Energie in einen Energy Cluster einspeist. Für die Umsetzung dieses active energy building zeichnete das österreichische Architektenteam Cornelia Falkeis-Senn und Anton Falkeis von falkeis.architects verantwortlich. Sechs Jahre sollte es dauern, bis aus den ehrgeizigen Ideen von Peter Marxer eine architektonische und energietechnische Landmark entstand, die weit über die engen Grenzen Liechtensteins hinausragt. Dass Peter Marxer die Fertigstellung seines Traums nicht mehr erleben durfte, ist die tragische Seite eines Projekts, das ansonsten vor allem mit technologischen Neu- und Weiterentwicklungen auf sich aufmerksam macht.
»Was wir hier gemacht haben, war Real-Time-Forschung«, erklärt Anton Falkeis. Das sichtbarste Ergebnis dieser Forschungsarbeit sind die sieben zum Patent angemeldeten Klimaflügel am Dach des Gebäudes. Sie sind Teil der ausgeklügelten Photovoltaikanlage mit integriertem Solartracker. Die Flügel liegen in der Ruheposition flach in der Dachstruktur. Mit Sonnenaufgang erheben sie sich und positionieren sich zur Sonne. Dabei werden aber nicht nur die Sonnenhöhenwinkel, sondern auch eine mögliche Verschattung der Flügel untereinander berücksichtigt. Zusätzlich werden auch Daten einer Wetterstation eingespeist und Sensoren informieren die Steuerungstechnik über Strahlungsdichte und Windgeschwindigkeiten. Bei hohen Windgeschwindigkeiten fährt die Anlage in die Ruheposition zurück und legt sich flach in die Dachstruktur.
Vier der Flügel werden zur Wärmespeicherung verwendet, drei zur Kältespeicherung. Dafür sind die Flügel mit Paraffin gefüllt, einem sogenannten Phase Change Material (PCM). Erreicht das PCM durch die gesammelte Sonnenenergie eine Temperatur von 32 Grad, schmilzt es und kann im flüssigen Zustand die Wärme speichern. In den Kühlflügeln, die vor allem nachts geöffnet werden, beträgt die Phasenwechseltemperatur 21 Grad. Bei dieser Temperatur wird das PCM fest und die Kälte kann gespeichert werden. Beim Entladen des PCM werden Kälte und Wärme direkt an die Raumluft abgegeben.
Intelligente Stützstruktur
Neben dem Energiekonzept überzeugt das active energy building auch mit einem Tragwerkskonzept, das eine größtmögliche Flexibilität über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes verspricht. Dafür wurden A- und V-förmige Stützelemente entwickelt, die wie Bäume durch das Gebäude wachsen und sämtliche Lasten abtragen können. Diese Stahl-Beton-Verbundstützen wurden im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle eingebaut. Dabei diente die Transportverpackung sowohl als Schutz als auch als Deckenschalungselement im Stützenbereich.
Für die perfekte Positionierung der Stützen wurde gemeinsam mit der Universität für angewandte Kunst ein intelligenter, genetischer Algorithmus entwickelt, der sich das strukturelle Wachstum der Natur zum Vorbild nimmt. Dieses strukturelle Wachstum konzentriert Material an Stellen, wo es am meisten gebraucht wird, und lässt es überall dort weg, wo es nicht zwingend nötig ist. Mit diesem »evolutionär-darwinistischen« Algorithmus konnten in Summe 99,98 % aller möglichen, aber nicht erforderlichen Strukturelemente ausgeschieden werden.