Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Staatssekretärin Muna Duzdar über eine Gesamtstrategie für die Digitalisierung in Österreich, den Stellenwert der digitalen Bildung und geplante E-Government-Services. Außerdem zeigt sie die Bereiche auf, in denen die Bauwirtschaft aus ihrer Sicht am stärksten von der Digitalisierung profitieren kann.
Report: Digitalisierung ist einer der großen Megatrends unserer Zeit. Wo steht Österreich im internationalen Vergleich?
Muna Duzdar: Die Digitalisierung ist längst bei uns angekommen und durchdringt alle Lebensbereiche. Sie durchdringt die Wirtschaft, also die Unternehmen selbst, aber auch die Arbeitswelt als solche, ebenso wie den privaten Bereich. Dass mit der Digitalisierung große Umwälzungen auf uns zukommen, steht außer Frage. Was allerdings in Frage steht, ist, wie wir mit dieser Herausforderung umgehen. Wollen wir die Digitalisierung gestalten, positive Effekte verstärken und negative Effekte möglichst verringern, oder wollen wir warten und uns überrollen lassen? Ich stehe eindeutig für erste Variante. Österreich steht im Bereich der Digitalisierung nicht schlecht da und hat ganz gute Werte. Beim »Network Readiness Index« etwa liegt Österreich auf Platz 20 von 143 Ländern. Im »Digital Economy and Society Index« der Europäischen Kommission liegt Österreich derzeit auf Platz 12 innerhalb der 28 EU-Mitgliedstaaten. In beiden Bewertungen hat sich Österreich gegenüber dem Vorjahr verbessert. Natürlich wollen wir uns aber weiter verbessern.
Report: Die Digitalisierung wird oft als Turbo für Wirtschaftswachstum gesehen, gleichzeitig fürchten viele eine Abwertung der menschlichen Arbeitskraft und den Verlust von Jobs. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Chancen der Digitalisierung, was die größten Risiken und Gefahren?
Duzdar: Wie sich die Digitalisierung genau auswirkt, ist aus heutiger Sicht noch schwer zu beantworten. Klar ist aber, dass sich die Arbeitswelt massiv verändern wird. Aber nicht nur die Arbeitswelt, sondern die gesamte Gesellschaft. Nicht umsonst wird immer wieder von der vierten industriellen Revolution gesprochen. Studien gehen davon aus, dass Arbeitsplätze verlorengehen, gleichzeitig aber neue hinzukommen werden. Die meisten Arbeitsplätze werden jedoch nicht verloren gehen, sondern sich verändern.
Umso wichtiger ist, sich darauf einzustellen und die Veränderungen aktiv mitzugestalten, sowohl von Seiten der Wirtschaft als auch der Politik. Dabei gilt es auch, sich der veränderten Situation bei der Arbeitszeit und der Wertschöpfung zu stellen und diese zu diskutieren. Aber auch darum, möglichst alle Menschen an der Digitalisierung partizipieren zu lassen. Immer noch haben in Österreich 15 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zum Internet. Das ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern vielmehr der gesellschaftlichen Teilhabe und der Bildungsmöglichkeiten. Gleichzeitig müssen wir auch völlig neuen Formen der Arbeit im Blick behalten. Eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer besagt, dass fast jeder fünfte in Österreich arbeitende Mensch mit Internetzugang sein Einkommen zumindest teilweise als Crowdworker verdient. Eine Arbeitsweise, die in den meisten Fällen zeitlich und örtlich unabhängig ausgeführt werden kann, für die es aber gleichzeitig derzeit noch keine rechtliche und soziale Absicherung gibt.
Report: Die Bauwirtschaft ist eine sehr traditionelle Branche. Kann sich eine Branche, die bis auf die Big Player hauptsächlich national agiert, der Digitalisierung entziehen?
Duzdar: Der Digitalisierung kann sich niemand entziehen. Die Digitalisierung ist auch in Österreich längst angekommen. Auch LieferantInnen und KundInnen der Bauwirtschaft sind zunehmend digitalisiert. Wie auch jede andere Branche steht auch die Bauwirtschaft selbstverständlich unter Kosten- und Innovationsdruck. Das sind alles Gründe, warum Digitalisierung in jeder Branche ein wichtiges Thema ist, sowohl Chance als auch Herausforderung.
Report: Im Vergleich zu anderen Branchen gilt die Bauwirtschaft in Sachen Digitalisierung als Nachläufer. Wo soll ein Unternehmen, das das Thema Digitalisierung aktiv angehen möchte, ansetzen? Was müssen die ersten Schritte sein?
Duzdar: Ich maße mir nicht an, hier den ExpertInnen der Branche in ihrem eigenen Spezialgebiet Tipps zu geben. Allgemein kann ich aber sagen, dass in folgenden Bereichen nahezu immer Potenziale mit der Digitalisierung gehoben werden können: in der Prozessoptimierung, im Projektmanagement, im Controlling, natürlich in der Planung und in der integrierten Zusammenarbeit mit KundInnen und LieferantInnen, die auch vermehrt auf Digitalisierung setzen.
Report: Wird die österreichische Aus- und Weiterbildungslandschaft den Anforderungen, die die Digitalisierung der Wirtschaft mit sich bringt, gerecht? Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Duzdar: Mit den Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, muss sich selbstverständlich auch die Aus- und Weiterbildungslandschaft in Österreich ändern. Es gibt bereits erste gute Ansätze, doch diese müssen noch vertieft werden. Ich stehe hier mit der Bildungsministerin in enger Abstimmung. Die Digitale Bildung – sowohl das Wissen, wie ich Apps, Programme und Geräte bediene, und, genauso wichtig, Medienkompetenz und Datenkompetenz – ist der Schlüssel, um einerseits die Digitale Kluft zu schließen und an der Gesellschaft teilhaben zu können und andererseits, um die notwendigen Qualifikationen für das Berufsleben sicherzustellen.
Report: Welche konkreten Schritte setzt die Politik, um die Digitalisierung der österreichischen Wirtschaft weiter voranzutreiben?
Duzdar: Es gibt eine Vielzahl von Initiativen in den verschiedenen Ressorts. Mit der »Digital Roadmap« soll nun auch erstmals eine Gesamtstrategie für die Digitalisierung in Österreich entstehen. Der im vergangenen Jahr gestartete Prozess beinhaltet bisher ein erstes Papier, das in den vergangenen Monaten von einer Vielzahl von Stakeholdern bewertet und mit Inputs erweitert wurde. Nun geht es darum, daraus konkrete Handlungsanleitungen zu formen. Erste Vorschläge dafür sollen Ende des Jahres vorliegen. Mit dem Start-up Paket, das der Bundeskanzler vorgestellt hat, sollen in den nächsten Jahren 1.000 Neugründungen pro Jahr unterstützt werden. Als Staatssekretärin bin ich selbst für das Projekt At:net verantwortlich, bei dem Unternehmen dabei unterstützt werden, ein marktreifes digitales Produkt tatsächlich auch auf den Markt zu bringen.
Report: Stichwort E-Government: Welche Services kann und wird die Verwaltung künftig anbieten, die das Wirtschaftsleben, speziell auch für die Bau- und Immobilienwirtschaft, vereinfachen?
Duzdar: Im E-Government-Bereich steht Österreich gut da. Das zeigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie, die Österreich, die Schweiz und Deutschland in diesem Bereich vergleicht. Fast überall schneidet Österreich hier gut ab. Aber wir wollen uns weiter verbessern. Konkret gibt es etwa bereits die Möglichkeit, digitale Signaturen für den Abschluss von Verträgen oder Aufträgen zu nutzen, ebenso wie sichere Zugänge für MitarbeiterInenn auf zentrale Systeme, um die Mobilität für MitarbeiterInnen, die ja gerade in dieser Branche entscheidend ist, zu verbessern. Auf politischer Ebene versuchen wir derzeit, den Gründungsprozess durch elektronische Systeme zu vereinfachen, aber auch die Nutzung von Open Data zu forcieren, mit denen dann Unternehmen weiterarbeiten können.