Die Hersteller massiver Baustoffe haben es im Moment nicht leicht. Im Zuge der Diskussion um Billigschienen im Wohnbau und temporäre Unterkünfte droht die Baustoffneutralität auf der Strecke zu bleiben. Außerdem muss man sich mit einer unfairen Klima- und Energiepolitik rumärgern, die nicht nur einen enormen bürokratischen Aufwand bedeutet.
Unter dem Deckmantel des leistbaren Wohnens setzen Bundesländer wie Tirol, Vorarlberg, Ober- und Niederösterreich auf eine so-genannte Billigschiene. Speziell das niederösterreichische Programm »Wohn.Chance.NÖ« sorgte in Fachkreisen für viel Unmut. 100 idente, in Holzriegelkonstruktion errichtete Häuser mit je acht Einheiten sollen zu einem Quadratmeterpreis von maximal 1.100 Euro quer über das ganze Landesgebiet verteilt werden. Während sich die Architektenschaft über »Billigsthäuser in Blau-Gelb« und »leicht adaptierte Transformatorhäuschen« empörte, stieß nicht nur Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik, die fehlende Baustoffneutralität sauer auf.
»Die Festlegung auf eine Bauweise ist strikt abzulehnen und auch sachlich nicht zu begründen«, so Pfeiler. Schließlich mache der Wandbaustoff gerade einmal zwei bis drei Prozent der Gesamtkos-ten aus. »Aber uns wurde ja nicht einmal das Anforderungsprofil übermittelt, um preislich nachzuziehen«, kritisiert Pfeiler. Dass sich die Massiv- und die Leicht-baufraktion immer wieder mal in die Quere kommen, liegt in der Natur der Sache. In den letzten Jahren haben aber vor allem die Holzbauer immer wieder übers Ziel hinausgeschossen. Nach der vergleichenden Werbung in Sachen ökologischer Fußabdruck ging man im letzten Jahr mit der Holzbau-Charta an die Öffentlichkeit. Aus der Anzahl der von den unterzeichnenden Politikern repräsentierten Bürger leitete die Kooperationsplattform Forst Holz Papier die Forderung nach einer Holz-Quote von 20 Prozent im Rahmen der Wohnbauoffensive ab. Auch wenn das Ansinnen nie ganz ernst genommen wurde, war trotzdem eine gewisse Erleichterung zu spüren, als Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im Rahmen der Rubrik »Fragen an die Politik« im Bau & Immobilien Report »einer partiellen Bevorzugung einzelner Baustoffgruppen« im Zuge der Wohnbauoffensive eine klare Absage erteilte.
Keine Schnellschüsse
Auch in Sachen »temporäre Unterkünfte« mahnt die Massivbau-Lobby zu Besonnenheit und warnt die Politik vor Schnellschüssen. »Das Aufgeben von bautechnischen Vorgaben und Standards bei Energieeffizienz, Wertbeständigkeit und Nachhaltigkeit führt in eine Sackgasse. Wer nur billige Errichtungskosten im Blick hat, baut wenig nachhaltig und hat das Wohnraumproblem lediglich ein paar Jahre hinausgeschoben«, gibt Manfred Asamer, Obmann des Fachverbandes Steine-Keramik, zu bedenken. Unterstützung kommt vom Wohnbauexperten Wolfgang Amann. »Auch schnell umsetzbare Lösungen etwa in Holzbauweisen sind nichts, was man in fünf Jahren wieder entfernt. Mit den Folgen dessen, was jetzt gebaut wird, müssen wir über Jahrzehnte leben«, mahnt Amann, bei einer Reduktion der Standards sehr vorsichtig zu sein. Auch für Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie VÖZ, ist »gerade bei temporären Unterkünften gutes Planen und Entwerfen besonders wichtig«. Da in Österreich Provisorien nicht selten zur Dauerlösung werden, seien Anforderungen an nachhaltiges Bauen auch hier Teil der Lösung und nicht das Problem.
In der Energiezwickmühle
Ein weiteres Thema, das der Branche unter den Nägel brennt, ist die aktuelle Energie- und Klimapolitik. Man sieht sich aktuell etwas in der Zwickmühle. »In Österreich werden uns immer höhere Ökostromkosten aufgebürdet, gleichzeitig sind wir im Energiesektor mit massiven Benachteiligungen gegenüber osteuropäi-schen Ländern konfrontiert«, so Robert Schmid, stellvertretender Obmann des Fachverbandes. Bei den Ökostrompauschalen rechnet die Branche für das laufende Jahr mit einer Steigerung der Belas-tung um bis zu 36% gegenüber 2015. Seit 2013 ist es für die Unternehmen durch höhere Ökostrompauschalen zu einer Verdoppelung der Abgaben gekommen. Auf europäischer Ebene wird bemängelt, dass osteuropäischen Ländern, beispielsweise Polen, weiterhin Emissionen für ihre Kohlekraftwerke zugestanden werden. »Diese Emissionen werden dafür unseren Unternehmen bei der Produktion von Kalk, Ziegel oder Zement wieder weggenommen. Dies ist nicht akzeptabel«, sagt Schmid, der Anfang April mit einer Delegation in Brüssel war, um diese Ungleichbehandlung aufzuzeigen und mit Europaabgeordneten über die EU-Klimapolitik und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in der heimischen Industrie zu sprechen.
Es wird kritisiert, dass das Europäische Emissionshandelssystems (ETS) auf internationale Konzerne ausgelegt wird, was sich im benötigten Finanz-, Personal- und Verwaltungsaufwand widerspiegelt. KMUs hingegen kämen zusehends unter Druck. Auch für Sebastian Spaun ist durch den Emissionshandel »ein hoch bürokratisches Zertifikateverwaltungsregime entstanden, das den Wettbewerb durch seine Rückwärtsgewandtheit empfindlich gestört hat«. Zu einem ähnlichen Bürokratiemonster hat sich laut Spaun auch das Energieeffizienzgesetz ausgewachsen. Positiv in diesem Zusammenhang sei lediglich, dass das Ziel für 2015 durch die einmalige Anrechenbarkeit der Maßnahmen von zwei Jahren dann doch erreicht werde. »Diese Erleichterung ist nun aber vorbei, und die ›low hanging fruits‹ sind geerntet. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht«, sagt Spaun.
Gute Stimmung
Diesen Hürden und Baustellen zum Trotz herrscht unter den Mitgliedsunternehmen des Fachverbandes Steine-Keramik aktuell eine gute Stimmung, wie Andreas Pfeiler berichtet. »Der Wohnbaumarkt sendet gute Signale.« Das politische Signal der Wohnbauoffensive müsse man sehr hoch einschätzen. Und auch die Gründung der Wohnbauinvestitionsbank sollte für zusätzlichen Rückenwind sorgen.
Nachhaltiges Gesamtkonzept Der Fachverband Steine-Keramik wünscht sich auch für die Sonderwohnbauprogramme der Länder im Zuge der Flüchtlingsdebatte ein nachhaltiges Gesamtkonzept, das folgende Punkte umfassen soll:
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