Österreich ist in Sachen Bauteilaktivierung international führend. Auch im Einfamilienhaussegment wird die Technologie immer öfter nachgefragt. Rückenwind liefern zahlreiche Referenzobjekte sowie die wissenschaftliche Bestätigung der Effizienz der Bauteilaktivierung. Um der Technologie zum Siegeszug im großem Stil zu verhelfen, lohnt aber auch ein Blick über die Grenze.
Der Salzburger Energieberater Harald Kuster zählt zu den absoluten Pionieren der Bauteilaktivierung in Österreich. Er hat Vorzeigeprojekte wie das Kultur- und Veranstaltungszentrum Hallwang oder die Habau-Produktionshallen in Perg geplant und umgesetzt. Aus dem Einfamilienhausbereich wollte er sich vor zwei Jahren beinahe schon zurückziehen. »Um das perfekte Zusammenspiel aller Komponenten zu gewährleisten, braucht es eine gute Planung. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass Häuslbauer bereit sind, Geld in die Planung zu investieren«, so Kuster.
In der Zwischenzeit hat sich einiges getan und die Technologie ist nicht mehr nur ein Minderheitenprogramm idealistischer Professionisten. Allgegenwärtig ist und bleibt aber das Argument der vermeintlichen Mehrkosten in der Errichtung. »Der Häuslbauer schaut natürlich auf jeden Cent. Aber wenn die Bauteilaktivierung ordentlich geplant ist, wird es in Summe sogar billiger«, sagt Kuster und berichtet von dem konkreten Beispiel eines Einfamilienhauses, das auf Anraten des Installateurs mit einer 12 kW-Wärmepumpe und 1.600 Metern Rohrleitung für die Fußbodenheizung ausgerüstet werden sollte. »Wir haben das Projekt schließlich mit Bauteilaktivierung umgesetzt und dafür weniger als die Hälfte des Rohrmaterials benötigt und eine 6-kW-Wärmepumpe verwendet. Alleine durch die deutlich geringeren Materialkosten haben sich die zusätzlichen Planungskosten schon amortisiert«, sagt Kuster.
Jährliche Verdoppelung
Derzeit gibt es in Österreich rund 250 bauteilaktivierte Einfamilienhäuser. Tendenz steigend. Kuster rechnet sogar mit einer jährlichen Verdoppelung des Bestands und damit österreichweit etwa 1.000 bauteilaktivierten Häuser im Jahr 2017. »Mit jedem realisierten Haus wird es einfacher. Weil immer mehr Leute sehen, dass es funktioniert«, ist Kuster überzeugt. Für viel Aufmerksamkeit und entsprechenden Rückenwind sorgen aber auch öffentliche Gebäude wie die Kletterhalle Saalfelden oder die »Sonnenarena« der Union Ansfelden. Mit dem Kultur- und Veranstaltungszentrum in Hallwang ist es sogar gelungen, aus Skeptiker Helmut Mödlhammer, bekannt streitbarer Gemeindebundpräsident und Bürgermeister der Gemeinde, einen Anhänger der Bauteilaktivierung zu machen.
Mödlhammer wollte anfänglich sogar ein Backup-System in Form einer Gasleitung einziehen. Das wurde ihm von Kuster aber ausgeredet. Tatsächlich erfolgt die Energieversorgung des Gebäudes ausschließlich über Sonnenkraft, sichergestellt mit einem 138 m² großen thermischen Solarkollektor und zwei Pufferspeichern mit einem Volumen von 5.000 Litern. Als Energiespeicher wurden 480 m³ bauteilaktivierter Beton verbaut. »Wirklich geglaubt, dass es funktioniert, hat Mödlhammer aber erst, als es bei einer Außentemperatur von minus elf Grad innen wohlig warm war«, berichtet Kuster lachend. Das Zentrum arbeitet so effektiv, dass es fast keine Energie verbraucht, sondern über das Nahwärmenetz auch das benachbarte Gasthaus mitheizt. Das waren auch für Mödlhammer überzeugende Argumente, weshalb in Hallwang jetzt auch eine bauteilaktivierte Schule errichtet wird.
Hürde Normenwesen
Neben dem Einfamilienhaussektor und öffentlichen Gebäuden weckt das Thema auch im mehrgeschoßigen Wohnbau Interesse. Kuster berichtet von drei Mehrfamilienhäusern in Salzburg, die ausschließlich über die bauteilaktivierte Decke geheizt werden. Und in Wien erfolgt demnächst der Spatenstich zu einem Pilotprojekt des Bauträgers Kallco. Im Auftrag der Real Invest werden 240 Wohnungen und ein Kindertagesheim errichtet, die über Bauteilaktivierung geheizt und gekühlt werden sollen.
Unterstützung kommt auch von immer mehr Betonfertigteilherstellern, die die Bauteilaktivierung als interessantes Geschäftsfeld für sich entdecken. Als erstes Unternehmen hat die Maba Fertigteilindustrie Module zur Flächenkühlung oder -heizung serienmäßig in dafür vorgesehene Betonfertigteile integriert. Damit werden langfristig auch die Preise in der Errichtung sinken.
Dass die Bauteilaktivierung im mehrgeschoßigen Wohnbau noch nicht weiter verbreitet ist, liegt laut Felix Friembichler von der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie VÖZ in den fehlenden Regularien. »Solange die Bauteilaktivierung nicht Einzug in das Normenwesen hält, tun sich vor allem gemeinnützige Bauträger schwer.« Ein entsprechendes Forschungsprojekt sei jetzt aber endlich von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG bewilligt worden.
Projekt »Simulationsraum«
Ein weiteres Forschungsprojekt zum Thema Bauteilaktivierung wurde eben abgeschlossen und soll der Technologie jetzt zusätzlichen Rückenwind liefern. Um die Effizienz der Bauteilaktivierung mit Beton in der Praxis zu testen, untersuchte die ARGE »Nachhaltige BAUTEILAktivierung« zwei Jahre lang das Raumklima in einem bauteilaktivierten Simulationsraum in Salzburg. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Wien wurden verschiedenste Messparameter wie Temperatur und Energieflüsse getestet. Wichtigster Geldgeber des 230.000 Euro teuren Projekts war die Vereinigung der österreichischen Zementindustrie VÖZ. »Uns ist es darum gegangen, wissenschaftlich nachzuweisen, was wir ohnehin schon wussten. Nämlich dass die Bauteilaktivierung funktioniert«, sagt Friembichler.
Die Ergebnisse zeigen, dass Beton tatsächlich der ideale Speicher für Wärme und Kälte ist. Auch ohne vermehrten Energieaufwand gibt der Beton die Wärme beziehungsweise die Kühle aus seinem Inneren konstant ab. Und mit einer entsprechenden Außendämmung können kurzfristige Temperaturspitzen nicht in das Innere des Betons eindringen. Selbst als im Winter die Heizung für fünf Tage abgeschaltet wurde, fiel die Temperatur nur um drei Grad.
Ähnliches gilt für die Kühlung, die im Simulationsraum über Erdkollektoren erfolgte. Selbst in einer simulierten Büroraumsituation mit mehreren Personen und laufenden Computern blieb die Temperatur immer unter 25 Grad, selbst wenn die Außentemperaturen wesentlich höher waren. Ein besonders positives Ergebnis lieferte der Simulationsraum beim Vergleich der berechneten Werte und der tatsächlichen Temperatur: Der für das Projekt entwickelte Rechenkern bildete die Realität nahezu identisch ab. Damit kann der Rechenkern für die Planung von Bauprojekten in Zukunft herangezogen werden.
»Mit diesem Forschungsprojekt konnten wir nachweisen, dass es mit der Bauteilaktivierung möglich ist, ein Gebäude mit einer Heizmitteltemperatur von 24 Grad zu erwärmen. Zum Kühlen reichen 20 Grad«, so Friembichler. Dank dieser niedrigen Temperaturen wird eine breite Palette an Energiequellen für die Heizung von Gebäuden interessant. »Da reden wir nicht mehr nur von Sonnen- oder Windenergie, sondern von der Abwärme von Industrie und Gewerbe.« Wie viel in diesem Bereich möglich wäre, zeigt ein Blick über die Grenze. In Zürich hat eine Studie gezeigt, dass mit der gesamten Abwärme der Stadt 80 Prozent des Wärmebedarfs von Zürich abgedeckt werden könnten.
Deshalb wird aktuell auch mit einer Ringleitung experimentiert, die die Abwärme großer Industrie- und Gewerbebetriebe mit einem neuen Stadtquartier verbindet. Mit einem riesigen Erdspeichersystem soll die überschüssige Wärme mithilfe von wassergefüllten Erdsonden 150 bis 200 Meter tief im Erdreich eingelagert werden, um sie im Winter für das Heizen zu nutzen. Durch das Heizen wird dem Speicher in kühlen Monaten Wärme entzogen und die Temperatur des darin zirkulierenden Wassers sinkt. Im Sommer lässt sich dann der Prozess umkehren, indem man das kühlere Wasser nutzt, um die Gebäude zu kühlen.
Hintergrund: Auf dem Gelände der Bauakademie wurde ein Simulationsraum errichtet, dessen massive Bauteile aus Stahlbeton über Wasserrohrleitungen in ihrem Inneren aktiviert werden. Die Wärmezufuhr erfolgt über eine Solaranlage am Dach, die Kühlung durch Erdkollektoren. Die verwendete Solaranlage hat eine Fläche von ca. 21 m2 und ist mit einem 2.000 Liter fassenden Pufferspeicher verbunden. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden mit rund 150 Temperaturfühlern rund um die Uhr Daten aufgezeichnet, die in Zusammenarbeit mit der TU Wien ausgewertet wurden. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf ca. 230.000 Euro. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick: >> Beton ist der ideale Speicher für Wärme und Kälte >> Wärme und Kühle werden dem Kachelofenprinzip folgend konstant und gleichmäßig abgegeben >> Geringe Spreizung: Temperaturunterschied zwischen beheizten und nicht beheizten Bauteilen beträgt nur 0,7 Grad >> Exakter Rechenkern, der die Realität nahezu identisch abbildet |