Seit etwas mehr als einem Jahr gilt die verpflichtende CE-Kennzeichnung für Tragwerke aus Stahl und Aluminium und sorgt weiter für Ärger in der Branche. Dabei wird derzeit noch nicht so heiß gegessen wie gekocht: Statt umfassenden Kontrollen und damit verbundenen Strafen setzt die Marktüberwachung vorerst noch auf Kooperation mit den Unternehmen.
Im letzten Sommer war die Aufregung in der Stahlbranche groß. Das Ende der Übergangsfrist am 1. Juli 2014 brachte die zwingende CE-Kennzeichnung für sämtliche Tragwerke aus Stahl und Aluminium. Als »glatten Unfug« bezeichnete etwa TU-Professor Josef Fink die verpflichtende CE-Kennzeichnung. »Das macht vielleicht Sinn bei Serienherstellung oder Serienprodukten. Aber Stahlkonstruktionen wie eine Brücke, die ohnehin auf Herz und Nieren geprüft wird, brauchen nicht auch noch eine CE-Zertifizierung.« Nicht ganz so streng, aber ebenfalls sehr kritisch ging der Geschäftsführer des österreichischen Stahlbauverbandes Georg Matzner mit dem Gesetz ins Gericht.
»Es handelt sich aus meiner Sicht um eine Scheinharmonisierung mit einem unglaublich hohen Kostenfaktor für die Unternehmen. Vorteile bringt das System maximal jenen Unternehmen, die transnational aktiv sind, alle anderen werden auf den Kosten sitzen bleiben«, sagte Matzner vor einem Jahr.
Heute, ein Jahr später, hat sich zwar die größte Aufregung gelegt, der allgemeine Unmut ist aber geblieben. So ist zwar das Bemühen der Kommission, ein einheitliches System für die Kennzeichnung von Bauprodukten einzuführen, für viele Branchenvertreter verständlich und nachvollziehbar. Kritisiert wird allerdings oftmals, dass die Harmonisierung im Stahlbau durch die Normung der Vormaterialien, der Berechnung – Stichwort EUROCODE – und der Ausführungsnormen bereits längst geschehen sei. »Dazu hätte es keine CE-Kennzeichnung für Stahlkonstruktionen gebraucht«, sagt Walter Siokola, Geschäftsführer Zeman Stahlbau.
»Ob es mit der CE-Kennzeichnung gelingen wird, europaweit ein einheitliches Konformitätsniveau zu erreichen, bleibt abzuwarten«, sagt Thomas Ennsberger, Geschäftsführer von PEM Buildings. |
Unverständlich ist für ihn vor allem die Definition des Stahlbaus generell als »Bauprodukt«. »Die Bauproduktenverordnung bietet zwar die Möglichkeit, dass für individuell gefertigte Konstruktionen keine CE-Kennzeichnung erforderlich ist. Leider wurde diese Möglichkeit vonseiten der Baubehörden auf europäischer Ebene praktisch unterbunden.« Ärgerlich sei das deswegen, weil mit der CE-Kennzeichnung von Stahlkonstruktionen keinerlei Mehrnutzen für den Kunden verbunden ist.
In dieselbe Kerbe schlägt auch Stahlbauverband-Geschäftsführer Matzner. »In erster Linie ist natürlich der Verwaltungsaufwand gestiegen. Das lässt sich preislich am Markt nur sehr schwer umsetzen.« Auch Thomas Ennsberger, Geschäftsführer von PEM Buildings, sieht einen gestiegenen bürokratischen Aufwand, bezweifelt aber gleichzeitig, ob mit der CE-Kennzeichnung tatsächlich ein europaweit einheitliches Konformitätsniveau erreicht wird. Ein gewollter oder ungewollter Nebeneffekt der CE-Kennzeichnung könnte laut Ennsberger eine gewisse Marktbereinigung sein. »Das ist einerseits positiv, da die Anbieter vom unteren Ende der Skala betreffend Qualität und Einhaltung von Normen verschwinden, es kann aber auch kleine Anbieter treffen, die dem bürokratischen Druck der Dokumentationspflicht nicht gewachsen sind.«
Kontrollen & Strafen
Gibt es eine neue Verordnung, stellt sich zwangsläufig die Frage nach den Kontrollen und der Bestrafung. Fakt ist, dass die Marktüberwachung im ersten Jahr sehr behutsam vorgegangen ist. »Wir haben in erster Linie versucht, kooperativ vorzugehen«, erklärt Nikolaus Fuchs, Referatsleiter Marktüberwachung beim Österreichischen Institut für Bautechnik. Die Marktüberwachung sieht sich dabei durchaus auch als Anlaufstelle und Informationsquelle rund um das Thema CE-Kennzeichnung.
Bild: »Ärgerlich ist vor allem, dass mit dieser CE-Kennzeichnung von Stahlkonstruktionen keinerlei Mehrnutzen für den Kunden verbunden ist«, kritisiert Walter Siokola, Geschäftsführer Zeman Stahlbau. |
»Es geht nicht darum, so viel wie möglich zu kontrollieren und aufzudecken, sondern ein Bewusstsein bei Auftraggebern und Auftragnehmern zu schaffen«, sagt Fuchs. Kontrolliert wird natürlich trotzdem. Im ersten Jahr nahm die Marktüberwachung vor allem öffentliche und sicherheitsrelevante Projekte ins Visier. Dabei zeigte sich laut Fuchs, dass sich speziell die großen und sichtbaren Unternehmen kaum Verfehlungen leisten. Stößt sein Team doch einmal auf eine fehlende CE-Kennzeichnung, wird dies an die Bezirkshauptmannschaft, das Magistrat oder im Falle eines ausländischen Unternehmens an die ausländische Marktüberwachung weitergeleitet. Der Strafrahmen ist dabei von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und liegt bei maximal 50.000 Euro.
Allzu sicher sollten sich säumige Unternehmen aber nicht fühlen. Wird die EN1090 in ein Marktüberwachungsprogramm aufgenommen, folgen zahlreiche, systematische Kontrollen. Was aufgenommen wird, wird jedes Jahr am 1. Jänner vom Ministerium veröffentlicht.
Studie: Schleichende Abwanderung Energieintensive Unternehmen wandern schleichend aus Deutschland und Österreich ab – zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des deutschen Handelsblatt Research Institute im Auftrag der Österreichischen Industriellenvereinigung und der voestalpine AG. Schuld daran sind vor allem die Kosten für Arbeit und Energie, die in beiden Ländern zu den höchsten weltweit zählen. Die Klimaschutzmaßnahmen der EU sowie die demografische Entwicklung in Bezug auf dringend notwendige Fachkräfte verschärfen laut Studie das schwierige Umfeld für die Industrie noch weiter. Als Konsequenz verlagern vermehrt Industriebetriebe ihre Investitionen ins Ausland »Es lässt sich aus der Studie ableiten, dass die Unternehmen der energieintensiven Branchen ihre Produktion schleichend ins Ausland verlagern und damit den industriellen Kern beider Länder sukzessive aushöhlen«, sagt der Managing Director des Handelsblatt Research Institute, Dirk Heilmann. In Deutschland lagen die Arbeitskosten im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2013 bei 36,20 Euro pro Stunde, in Österreich waren es 33,20 Euro. Damit lagen beide Länder nicht nur deutlich über dem EU-Durchschnitt von 24,40 Euro, sondern auch über den Arbeitskosten wichtiger globaler Wettbewerber wie China, Japan und den USA. Zum Problem für die Industrie werden die hohen Arbeitskosten vor allem deshalb, weil sie seit einigen Jahren stärker steigen als die Produktivität. Während die Industriestrompreise exklusive aller Abgaben in Deutschland und Österreich unter dem EU-Durchschnitt liegen, sehen die zu zahlenden Preise deutlich anders aus: Deutschland liegt hier deutlich über den Preisen in Österreich und auch über dem EU-Durchschnitt. Verglichen mit den Industriestrompreisen der USA sind jene in Deutschland im Jahr 2014 sogar doppelt so hoch. |