Zwei der besten Sanierungs- und Revitalisierungslösungen in Österreich: die Ankerbrotfabrik und das erste Restitutionsobjekt der Republik Österreich, das Palais Schwab in Wien.
Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen ist ein wesentlicher Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit. Das gilt auch für in die Jahre gekommene Immobilien. Wir zeigen, wer die besten Sanierungs- und Revitalisierungslösungen hat: von der Planungsphase über die Umbaumaßnahmen bis zur Neupositionierung.
Von der Großbäckerei zum Kulturbetrieb
Auf Initiative eines privaten Unternehmens, der Loft City GmbH & Co KG, wurde der älteste Teil der Ankerbrotfabrik in Wien Favoriten zu Wiens größtem Kulturareal außerhalb des Gürtels umgebaut und revitalisiert. Und das ohne einen Cent an öffentlicher Förderung. Diese Tatsache allein ist in Österreich eine erwähnenswerte Leistung. Die Ausgangssituation war wenig ermutigend. Bröckelnder Verfall neben der seit 1891 als Großbäckerei noch immer produzierenden Fabrik der Ankerbrot AG der Firmengründer Heinrich und Fritz Mendl.
15 riesige Gebäude und jede Menge Schmutz, Tauben und Ratten
Die weitgehende Erhaltung der historischen Industriearchitektur war eines der vorrangigen Ziele bei der Sanierung der Objekte. Die Ausgangssituation war schwierig – ohne brauchbare Pläne, mit 15 Gebäuden sehr unterschiedlicher Qualität und Struktur, hunderte Kilometer Elektrostränge, Lüftungs- und Druckluftleitungen, Löschleitungen samt Löschwasserbehältern, alte Kastenlifts mit enormen Ausmaßen, Produktions- und Transformatorengebäude, Getreide- und Mehlspeicher ungeahnter Anzahl, undichte Dächer und jede Menge Schmutz, Tauben und Ratten. Das gesamte Ensemble von Gebäuden hat eine lange Geschichte von ständigen Neubauten, Zubauten, Abbrüchen und Veränderungen aller Art durchlebt. Es stellte sich nach genauer Bearbeitung heraus, dass eine Nutzfläche von ca. 30.000 Quadratmetern zur Verfügung stand.
Brandschutz und Barrierefreiheit für alle
Die erste Frage, die sich bei alten Gebäuden immer stellt ist die nach dem Denkmalschutz. Bei dem mittlerweile als Brotfabrik Wien bezeichneten Areal stehen nur der »Alte Getreidespeicher« von 1900, ein kubischer, fünfgeschoßiger Sichtziegelbau, und die Außenfassade des Sitzungssaales unter Denkmalschutz. Damit konnten die wichtigsten Umbaumaßnahmen durchgeführt werden, wobei im Herbst 2015 der Getreidespeicher und das sogenannte E-Werk in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt und der MA 19 revitalisiert und zu weiteren ca. 2.000 Quadratmetern Loftfläche saniert werden.
»Wenn man davon ausgeht, dass die Nutzungen durch die Ankerbrotfabrik seit Jahrzehnten nicht mehr aktuell waren, so ist der wesentliche Einflussfaktor für die Veränderung aller Gebäudeteile und Einrichtungen der Brandschutz und mittlerweile auch die Barrierefreiheit«, erklärt Michael Wagner von Groh-Wagner Architekten, die die Gesamtverantwortung für die Revitalisierung übernommen haben. Als die wichtigste Baumaßnahme wird der Durchbruch durch den Gebäudekomplex nach der Ost-West Achse von Architektenseite gesehen. Damit kann der Fußgänger das Gebiet von innen und von außen erleben.
BROTKunsthalle, Caritas und viele andere
Ein Areal von dieser Größe nimmt Einfluss auf die Umgebung und den ganzen Bezirk. Der Kultur-Hotspot, gerade eben Festivalzentrale der Vienna Design Week, beherbergt aktuell 19 Residents aus den Bereichen Kultur, Bildung und Soziales, die Ateliers namhafter Künstler sowie mehrere private Kunstsammlungen. Berühmtestes Beispiel ist die BROTKunsthalle von Galerist Ernst Hilger, der 2009 als Erster in den 800 Quadratmeter großen Raum einzog. Gerade in diesen Zeiten besonders wichtig ist die Caritas – Schule für Sozialbetreuungsberufe kurz SOB, die seit 2013 in der sogenannten Brotfabrik zu finden ist. Die »Sleeping Beauty«, die ehemalige Expedithalle, wurde als Kultur- und Eventlocation zu neuem Leben erweckt.
Das 1. große Restitutionsobjekt der Republik Österreich – das unbekannte Palais Schwab
Bis heute ist der Glanz der Gründerzeitjahre von 1870 in der Wiener Innenstadt spürbar. In der Weihburggasse 30 hat sich der Textilindustrielle Gottlieb Schwab zu dieser Zeit von Architekt Wilhelm Stiassny ein Wohnpalais bauen lassen. 1938 wurden die damaligen Besitzer von den Nazis zum Verkauf gezwungen. Mit 250.000 Reichsmark war der »Kaufpreis« sehr niedrig. Dazu wurde er auch noch nur zum Teil ausbezahlt. Käufer war übrigens die »Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Berlin«.
Nach 1945 blieb das Arbeitsamt in dem Palais, später kam das Arbeitsmarktservice, kurz AMS. Dieses musste erst 2003 ausziehen. Grund dafür war die Restitution der Republik Österreich an die ehemaligen Besitzer nach sage und schreibe 46 Jahren Bearbeitungszeit. Damit wurde erstmals in der Geschichte der Republik Österreich einem Antrag auf Naturalrestitution in dieser Größe entsprochen.
Die Erfahrung der österreichischen Realitäten AG, kurz ÖRAG, mit der Revitalisierung und Sanierung von bekannten Stadtpalais wie dem Palais Ferstel, dem Palais Esterhazy und einigen anderen gab den Ausschlag für die Beauftragung zur Revitalisierung des Palais Schwab.
Die Erfahrung der ÖRAG im Umgang mit Innenstadtpalais und denkmalgeschützten Häusern half auch im Umgang mit den Behörden. Vor allem der Denkmalschutz ist bei so alten Bausubstanzen ein wichtiger Faktor.
Das Schöne an der Revitalisierung des Palais Schwab waren die untypisch vielen Möglichkeiten, den ursprünglichen Charakter des Gebäudes wiederherzustellen. Da das AMS glücklicherweise kein Geld hatte, um seine damalige Unterkunft zu sanieren, konnte relativ rasch in 18 Monaten mit der Revitalisierung abgeschlossen werden.
Schritt für Schritt zum Baujuwel
Mit den Restauratoren wurde der Aufbau der Schichten der Wände analysiert und dabei in der Beletage ein Stück Originaltapete freigelegt. Diese konnte ein Künstler mithilfe eines Offset-Siebdruckes rekonstruieren und danach wurde die Tapete für diese Zimmer reproduziert. »Das ursprünglich lindgrüne Stiegenhaus ist 1:1 rekonstruiert worden«, erklärt Josef Jakob, Leiter der Abteilung Architektur & Generalplanung begeistert. Auch neue Architektur wurde behutsam in das Projekt eingebracht. Die Dachgeschoße wurden mit zwei neuen Ebenen in vier lichtdurchflutete Wohneinheiten umgestaltet.
»Diese Substanz ist es wert, erhalten zu werden, einfach die schöne Patina zu bewahren«, so Josef Jakob.
Für den Umbau wurde die Statik durch den Einbau von Stahlrahmen verbessert und neue Haustechnik hineingebracht. Das Erdgeschoß, wo früher die Pferdestallungen waren, wird jetzt für die Lüftungsanlage verwendet. Spannende, fast detektivische Arbeit führte zum Auffinden einer Zigarettenpackung von 1910 unter einem Holzboden der Beletage. Daher konnte man schlussfolgern, dass der Boden 1910 gelegt worden war. Im dritten Obergeschoß wurde überraschend ein Durchgang mit einem reich verzierten Bogen gefunden, der freigelegt werden konnte. Dieser verbindet jetzt die neuen Büros. Die Nutzung des neu adaptierten Hauses ist flexibel angelegt, im Fachjargon nennt sich das »Nutzungsneutralität«. Momentan befinden sich Wohnungen und Büros darin. Mit einem Wort: Revitalisierung lohnt sich.