„Wir brauchen den Wandel von einer Erfolgskultur hin zu einer Leistungskultur, in der mehr Aufmerksamkeit auf teamorientierte Prozesse und Abläufe gelegt wird. Das gilt für den Sport ebenso wie für die Wirtschaft und die Bauwirtschaft“, zeigt sich Olympiasieger Toni Innauer, heute Trainer und Sportmanager, bei seiner Keynote im Rahmen des 5. Kongresses der IG Lebenszyklus Hochbau überzeugt. Der Verein definierte 2015 die Kultur neben Organisation und Prozessen als dritte Säule erfolgreicher Bauprojekte. „Weder Auftraggeber noch Branchenvertreter können es sich leisten, so weiter zu machen wie bisher. Eine Kultur des Miteinanders ist der Schlüssel für neue Prozesse“, betont Karl Friedl, Sprecher der IG Lebenszyklus Hochbau, M.O.O.CON. Ein entsprechender Fachleitfaden mit einem „Code of Culture“ unterstützt Bauherren ab sofort dabei, entsprechende kulturelle Grundlagen für ihre Bauprojekte zu schaffen. Präsentiert wurden zudem die Leistungsbilder „Inbetriebnahmemanager“ sowie „Kaufmännische Bauherrenvertretung“. 2016 sollen der neue Lebenszyklus-Award sowie eine E-Learning-Plattform unter der Leitung von Prof. Christoph Achammer, ATP architekten ingenieure, sicherstellen, dass sich die bisher erarbeiteten Grundlagen des Vereins als Standard für erfolgreiche Bauprojekte etablieren.
Fünf ethische Grundsätze für die Bauwirtschaft
In technischen Systemen gibt es für jede Situation eine Ursache. Wenn man also die Ursache findet, kann man den Fehler beheben und das Problem lösen. „Soziale Systeme sind wesentlich komplexer und schwieriger zu durchschauen als technische Systeme. Die professionelle Gestaltung der Projektkultur birgt daher großes Potenzial für mehr Produktivität aller Projektbeteiligten“, erklärt Wolfgang Kradischnig, IG Lebenszyklus Hochbau, DELTA, unter dessen Leitung der Leitfaden „Projektkultur aktiv gestalten: Erfolgsfaktoren bei Bauprojekten – von der Strategie bis zur Umsetzung“ erarbeitet wurde. Unterstützt wurde die IG Lebenszyklus Hochbau bei der Ausarbeitung des Themas Projektkultur von der Initiative Kulturwandel Bau.
Um „negative Spiralen“ zu verhindern, definierte der Verein einen „Code of Culture“, also einen kleinsten gemeinsamen Nenner an Grundregeln für die Zusammenarbeit bei Bauprojekten. Daraus ergeben sich fünf ethische Grundsätze für die Bauwirtschaft:
1. Fairer Wettbewerb
2. Den Vertrag so fair zu gestalten, dass man auch selbst an der Stelle des Vertragspartners unterschreiben würde
3. Vertrauen reduziert Kontrollaufwand und erhöht Produktivität
4. Respektvoller, wertschätzender Umgang
5. Mit Interessen und Handlungsmotiven transparent umgehen
CFO des Bauprojekts: Kaufmännischer Bauherrenvertreter
In dem unter der Leitung von Erich Thewanger, KPMG, erstellten „Leistungsbild Kaufmännische Bauherrenvertretung“ stehen die zentralen kaufmännischen Fragestellungen im Gebäudelebenszyklus im Mittepunkt. Dabei wurden die bestehenden Leistungsbilder, die dem Kosten-, Zeit- und Qualitätscontrolling der Projekte dienen, um die jedem Bauprojekt immanenten kaufmännischen Organisations- und Prozesserfordernisse ergänzt.
Thewanger: „Wir haben den >Chief Financial Officer (CFO)< des Bauprojekts als Unternehmen auf Zeit definiert. Dieser ist organisatorisch direkt in der Projektleitung verankert. Nur so kann den zentralen kaufmännischen Zielsetzungen über den Gebäudelebenszyklus hinweg entsprochen und damit auch der kaufmännischen Unternehmensführung des Bauherrn die nötige Sicherheit in der Projektumsetzung gegeben werden.“
Inbetriebnahmemanagement: Damit die Realität hält, was die Planung verspricht
Gebäude haben oftmals höhere Bewirtschaftungskosten (u.a. Energie-, Wartungskosten) als geplant und wichtige gebäudetechnische Anlagen funktionieren nicht so, wie sie geplant wurden. Einen Verursacher ausmachen zu können ist oftmals nicht möglich, da es unklar ist, wo Fehler passiert sind: Der Bauherr vermutet Abweichungen der Planung von seinen Anfor- derungen, der Planer verweist auf fehlerhafte Umsetzung seiner Planung, der Errichter ortet aber ge- nau dort Mängel. Der Bewirtschafter wiederum bemängelt die unzureichende Dokumentation für einen effizienten Betrieb und am Ende ist der Nutzer schuld, der mit seinem ineffizienten Nutzerverhalten die höheren Kosten selbst verursacht.
Das Leistungsbild „Inbetriebnahmemanager“ wurde unter der Leitung von Margot Grim, e7, entwickelt und soll obige Problematik bereits zu Beginn des Projektes vermeiden. Grim: „Der Inbetriebnahmemanager begleitet im Idealfall den gesamten Projektentwicklungsprozess und achtet darauf, dass die notwendigen Unterlagen für eine optimierte Inbetriebnahme überhaupt vorhanden sind. Aus unserer Sicht ist das ein Thema, das nicht nur langfristig denkende Bauherren, sondern auch Investoren anspricht, da es sich direkt und positiv auf die Gewährleistung, Mängelbehebung und die Betriebskosten auswirkt.“
Lebenszykluskostenrechnung im Vergaberecht
Bereits im Vorjahr veröffentlichte die IG Lebenszyklus Hochbau den Fachleitfaden „Lebenszykluskostenrechnung in der Vergabe“. Dieser enthält allgemeine Erläuterungen zum Artikel 68 der EU-Richtlinie 2014/24/EU vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und wurde 2015 an das Bundeskanzleramt als Unterstützung zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht übergeben.
Das Thema wurde auch 2015 unter der Leitung von Helmut Floegl von der Donau-Universität-Krems bearbeitet. „Unter Mitwirkung zzahlreicher Bauherren und gesetzgebender Stellen haben wir 2015 wesentliche Vorleistungen für ein 2016 geplantes Forschungsprojekt erbracht. Im Rahmen dessen soll das dringend erforderliche Wissen und Know-how für den Einsatz der Lebenszykluskostenrechnung als Kriterium in der Vergabe sowohl für (öffentliche) Auftraggeber als auch für die Bieter erarbeitet werden.“
Neue Qualitätsoffensive ab 2016
Zur verstärkten Bewerbung der bisher erarbeiteten Standards startet der Verein 2016 eine neue Qualitätsoffensive: In Zusammenarbeit mit der TU Wien und zahlreichen weiteren Partnerorganisationen werden erstmals Leuchtturmprojekte für eine lebenszyklusorientierte Prozess-, Kultur-, und Organisationsqualität mit dem „Lebenszyklus-Award“ ausgezeichnet. Eine umfangreiche E-Learning-Plattform (Start: April 2016) vermittelt die vom Verein erarbeiteten Modelle und Leistungsbilder.
„Unser Ziel ist es, durch diese Maßnahmen die Vorgehensweise der IG Lebenszyklus Hochbau bei öffentlichen und privaten Bauherren als Standard für erfolgreiche Bauprojekte zu etablieren“, zeigt sich Prof. Christoph Achammer, ATP architekten ingenieure, überzeugt von der Initiative, die unter seiner Leitung vorangetrieben wird.