Mehr Grips, mehr Konnektivität und mehr Sicherheit: Hersteller wie Fujitsu basteln an einer neuen Welt hyperaktiver Gegenstände und Fahrzeuge. Sie liefern einen Werkzeugkasten für Veränderung.
Technologie, die den Menschen im Fokus hat, war neuerlich das große Thema der Fachkonferenz Fujitsu Forum. Die Firmenmesse, die von dem IT-Konzern jährlich mit Partnern veranstaltet wird, fand im November in München statt. Gezeigt wurde, wie von den Herstellern mehr und mehr Intelligenz und Vernetzung in Produkte und IT-Services gepumpt werden. Das Ziel des weltweit stattfindenden Technologiewandels ist Technik, die sich selbstständig überwacht, administriert und mitunter sogar erneuert. Ob nun flexible Prozesse in einer modernen Industrieumgebung 4.0 – nach Dampfmaschine, Fließband und Mikrochip bezeichnet man Automatisierung verknüpft mit Intelligenz als vierten Revolutionsschritt – oder die Idee eines »Internet of everything«, das über einzelne Geräte oder Produkte hinaus wirklich alles und jeden verbindet: Es ist eine Welt, in der Daten auf unzählige Weise gesammelt und verwertet werden.
Fujitsu ist ein 47 Milliarden Dollar schwerer Hersteller und Dienstleister in der IT-Branche. Segmente vom Laptop oder Smartphone (nicht in Österreich) bis zum Rechenzentrum werden mit Services und eigener Hardware bedient. Der Hersteller ist, wie so viele Konzerne, von Zeit zu Zeit stark mit Veränderungen im Inneren beschäftigt. »Wir haben eine schmerzhafte Restrukturierung in Europa hinter uns«, spricht es Duncan Tait, Leiter EMEA bei Fujitsu, offen an. Jetzt ist die Konsolidierung der neuen Matrixorganisation abgeschlossen. Für die Österreichmannschaft rund um Geschäftsführer Johannes Baumgartner hat sich dabei wenig verändert. Im Gegensatz zu den großen Ländern ist man hierzulande sowohl seiner Klientel nahe als auch den wenigen übergeordneten Entscheidern in der eigenen Organisation. Nun will Fujitsu auf vertikaler Ebene mit Branchenlösungen – Gesundheitsversorgung, Verkehr oder Landwirtschaft werden als Beispiele gebracht – und auch mit Datenverarbeitung im großen Stil im Datacenter-Bereich und der Kommerzialisierung seiner Palette punkten. »Wir können jederzeit Experten aus unseren Forschungs- und Entwicklungszentren hinzuholen, die Kunden zu den Themen beraten, die am Markt gefragt sind«, bestätigt Baumgartner. Spezialistentum im eigenen Unternehmen zu pflegen ist teuer, weiß der Manager. Also werden den Kunden die Know-how-Träger ins Haus gebracht.
Branchen verändern sich
Die Schwerpunkte Cloud-Computing, mobile Lösungen, Social Media und Datenanalysen sind die großen Trends in den nächsten Jahren, wird in München betont. Im Markt selbst tobt derzeit die Ablöse der alten IT-Welt durch eine neue Ära, in der die traditionelle Sicht auf IT-Prozesse nicht mehr gültig ist. IT in Unternehmen ist längst nicht mehr Kostenstelle und simple Basis für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, sondern eine Dimension mehr. Es ist eine Transformation, die Produkte zu Services formt. Die hatte in den vergangenen Jahren vor allem die IT-Welt selbst betroffen. Früher wurden Rechenpower, Speicherplatz und Arbeitsplätze rein auf Basis von Schrauben, Blech und Mikrochips erbracht. Server und Clients wurden Gerät für Gerät so aufgesetzt, dass diese haptisch in ihrer Produktdimension manipulierbar waren. Mit Virtualisierungstechnologien und dem Gang in flexible, skalierbare und von den Kunden selbst administrierbare Cloud-Computing-Lösungen wurde Hardware von Software und Services nun abstrahiert. Das Produkt ist in seiner traditionellen Form aufgelöst und hat sich zu einem ständig verfügbaren Service gewandelt. Diese Veränderungen sagen Hersteller wie Fujitsu nun auch Unternehmen voraus, die selbst nicht der IT-Branche entstammen. Auch das Kerngeschäft von Bauern, des Lebensmittelhandels und der Fahrzeugindustrie werde sich radikal ändern. Zwar werden auch in Zukunft im Auto Stahl, Aluminium und Gummi physisch verbaut werden. Doch die Umgebung rundherum wird digital. Sensoren zur Messung verschiedenster Parameter, die Verarbeitung von Daten, angeschlossene Kundendienste und Wartung – das alles sind Vorgänge, die von Technologie nicht nur gestützt, sondern mitunter neu erfunden werden.
Zum Einspielen neuer Firmware müssen Autos heute extra in die Werkstatt. Künftig ist ein Update flexibel über den Internetzugang in der Garage oder an der Tankstelle vorstellbar. Speziell designte »trusted secure computing« Chips sorgen dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Entsprechende Initiativen in der Herstellerszene werken bereits seit Jahren an Hard- und Software-Lösungen, die verschlüsselt auch bei unvorhergesehenen Situationen für ein sicheres Zusammenspiel und Agieren von Technik sorgen – auch bei 130 km/h auf der Autobahn.
Handvene und Kaffeebohne
Den sicheren Zutritt zu Systemen – sei es in ein Gebäude oder in ein Gerät – verschafft Fujitsu mit einem Handvenenscanner. Auf dem Forum im München wird die Authentifizierungslösung demonstrativ an eine herkömmliche Kaffeemaschine geschlossen. Über eine doppelte Authentifizierung – sowohl eine Plastikkarte als auch die Hand sind nötig – wird Zugang zum Kaffeegenuss geboten. Dies mutet bei diesem Anwendungsfall skurril an, der Einsatz dieser Technologie maßlos übertrieben – und doch wird anschaulich die dodelsichere Bedienung des Scanners bewiesen. Das Venenmuster, das über Infrarotstrahlung ausgelesen wird, ist praktisch fälschungssicher. Der Verlauf der Handflächenvenen ist bei jedem Menschen einzigartig. Die biometrischen Daten liegen weder in einem Rechenzentrum noch in einer schwer greifbaren Wolke. Sie sind direkt auf der Karte gespeichert. Diese lokale Komponente ist in vielen Ländern Voraussetzung für die Verknüpfung von Biometriedaten mit IT-Lösungen. Der Venenscan wird für Zutrittskontrollen vor abgesicherten Bereichen eines Gebäudes oder bei sensiblen Unternehmensprozessen eingesetzt. In Japan werden die Scanner bereits bei Bankautomaten für den Zahlungsverkehr verwendet. Die Lösung »PalmSecure ID Match« soll Anfang 2015 auch in Europa verfügbar sein.
Bereitschaft zu handeln
Für die intelligenten Produkte und Prozesse braucht es freilich Unternehmen, die für diese neue Welt auch bereit sind. »Dinge alleine sind nicht fähig zu Innovation«, heißt es folgerichtig bei Fujitsu. Den gestaltenden Untergrund liefern die IT-Hersteller. Sie ermöglichen neue Plattformen und die Verknüpfung von Daten zu Services. Den Unternehmenskunden bleibt nur noch die Neuerfindung des eigenen Geschäfts.
Und wieder übt sich die IT-Branche in ihrer Terminologie, jedem Trend den passenden Namen zu verleihen. Vernetzt sind wir ja schon dank Internet, mobilen Endgeräten und Social Media. Also geht es künftig um eine »Hyperconnected World«, um die Überdrüber-Vernetzung durch alle Ebenen, jedes Ding, alle Menschen. Dabei sollte der Mobility-Faktor heute schon nicht unterschätzt werden, erinnert Duncan Tait. Der Experte berichtet vom Webshop eines großen Händlers, auf dem die Verkäufe, die von Smartphones und Tablets aus getätigt wurden, innerhalb nur eines Jahres von 12 auf 25 % gestiegen waren. Das Problem dabei: Der Retailer hatte noch nicht einmal ein Shopdesign, das auf mobile Geräte ausgerichtet war. »Mir ist es zuvor noch nie passiert, dass mich, wie in diesem Fall, der CEO eines Unternehmens extra anrief – um nicht ein IT-Problem, sondern seine Geschäftsstrategie zu diskutieren.«
Mit einer hypervernetzten Welt hat E-Commerce heute jedenfalls noch wenig zu tun. Die Trends, die von der IT-Branche vollmundig ausgerufen werden, scheinen oft auch schnell wieder zu verblassen. Aber wer weiß? Sobald unsere Fahrzeuge und Gegenstände virtualisiert und vernetzt über Ebenbilder im Rechenzentrum verfügen – ist ihnen vielleicht ein längeres Leben sicher.