Sonntag, Dezember 22, 2024

Sind News-Aggregatoren wie BuzzFeed die Zukunft des Journalismus? Pessimisten meinen: ja.

Es ist alles sehr kompliziert: Nie wurde – trotz beschämender Alphabetisierungsergebnisse im Erwachsenen-PISA – mehr gelesen als heute, und trotzdem: Dem Journalismus ging es schon mal besser. Große wie kleine Print-Verlage stöhnen unter dem Wegbrechen der Werbeeinnahmen, Verleger beklagen wortreich die fatale »Gratismentalität« der Webbewohner und auch die angekündigte ePaper-Revolution bleibt trotz Publikumssättigung mit Tablets aller Marken aus. Gibt es eine Zukunft für den Journalismus – zumindest im Netz, wenn schon nicht auf Papier?

Jonah Peretti ist davon überzeugt, dass es diese Zukunft gibt. Er ist der Gründer von Buzzfeed.com und somit einer der Väter einer der raren Erfolgsgeschichten im Online-Journalismus, als dessen legitimen Erben er seine Seite sieht. Buzzfeed bietet, wie der eher zufällig zugleich im deutschen Sprachraum debütierende Konkurrent Huffington Post, News und Content von einer Vielzahl unterschiedlicher Autoren. Arianna Huffingtons Erfolgsmodell beruht bekanntlich darauf, mehr oder minder Prominente gratis auf der Plattform bloggen zu lassen; Buzzfeed bezahlt zwar eigene Autoren, der Content wird aber aus dem weiten Netz zusammengesammelt.

War es die Errungenschaft des Web 2.0, die einzelnen User als Ersteller von Content zur eigenen Kreativität zu ermächtigen, so könnte man Buzzfeed als Web 3.0 bezeichnen: Denn hier wird das millionenfach erstellte Material aus den Tiefen des Webs und aus den Federn von Millionen einzelnen Nutzern gesammelt, gebündelt, gewaschen – und nebst Werbung neu präsentiert. Schockierende 85 Millionen Besucher pro Monat lockt der bunte News-Aggregator an, und das mit Headlines wie »15 unfassbar niedliche japanische Werbungen aus den 50er-Jahren«, »18 Vergessene One-Hit-Wonders aus den 90ern« oder »Lass alles liegen und stehen und sieh dir an, wie dieser Braunbär Ball spielt«.

Cash mit Katzen

Qualitätsjournalismus sieht anders aus – mehr noch: Eigentlich jede Art von Journalismus sieht anders aus. Buzzfeed sei das McDonald’s unter den Nachrichtenseiten, ätzen Kritiker nicht nur aus der Qualitätsecke, Fastfood für eine Generation von dummen ADHS-Kiddies, die nur durch in Einzeilerheadlines beworbenen Stuss zum braven Klicken auf die geschickt platzierte und zum Teil versteckte Werbung gebracht werden können. Verfechter des traditionellen Nachrichtengeschäfts müssen angesichts dieses Gemischs aus Promi-Tratsch, Life­ style-Bildchen, dem ein oder anderen nachrichtenartigen Textchen und ganz viel Katzenvideos den Glauben an die Intelligenz der Zielgruppe verlieren.

Wenn, ja, wenn die Mischung nur nicht so rentabel wäre: 60 Millionen Dollar hat der quietschbunte Nonsensaggregator 2013 umgesetzt, für 2014 wird noch ein kräftiger Anstieg prognostiziert, 300 Angestellte grasen pausenlos das Netz nach Content für die Seite ab. Buzzfeed würde in den kommenden Jahren noch eine »größere Rolle« beim Produzieren von »großartigem Journalismus« und »fesselnder Unterhaltung« spielen, prahlte Peretti vor kurzem in einem öffentlichen Memo an die Mitarbeiter des aufsteigenden Netzgiganten.

Von Buzzfeed lernen

Das bleibt natürlich auch den europäischen Verlegern nicht verborgen: Christoph Keese, Vice President bei Axel Springer AG, rief per Tweet vor kurzem dazu auf, Buzzfeed & Co genau zu beobachten – es ist zu erwarten, dass der deutsche Mediengigant (Bild Zeitung, Welt, Hörzu), der mit bereits im Print fragwürdigem Qualitätsverständnis nicht gerade die Speerspitze des anspruchsvollen Journalismus darstellt, seine Lehren aus dem Erfolg des seichten Giganten Buzzfeed ziehen wird. Denn immerhin macht Buzzfeed eines vor, was von Springer abwärts alle Medienhäuser auch gern zuwege brächten: das Onlinegeschäft mit Nachrichten in die schwarzen Zahlen zu bringen. Paywalls, Abomodelle, ePapers und letztlich sogar der juristische Kampf gegen den vermeintlichen Feind Google in der Farce um das Leistungsschutzrecht blieben erfolglos – das könnte jetzt in eine radikale inhaltliche Umstellung auf den Spuren von Buzzfeed & Co münden.

Ob an diesem Modell das siechende Verlagswesen zur Genesung gelangt? Finanziell vielleicht – obwohl auch das in einer Welt des alltäglichen Hypes nicht gesichert sein kann –, inhaltlich und qualitativ jedoch nützt der Erfolg ähnlicher Seiten zumindest dem Leser wenig. Denn die Ausrichtung ehemals ernstzunehmender journalistischer Arbeit am Fastfood-Newsmodell der Marke Buzzfeed kommt dem oft angesagten Ende des Journalismus  schon recht nahe.

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