Erfolg. Energieintensive Branchen erhalten weiter Gratiszertifikate.
Meine Damen und Herren, die Lunte brennt!« – »Noch nie war der Industriestandort Österreich so gefährdet wie jetzt!« - »Entweder CO2-Handel oder Wirtschaftsstandort!« Mit drastischen Worten hatte Veit Sorger, Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung (IV), die aus Sicht der Industrie notwendige weitere Gratiszuteilung von CO2-Zertifikaten an energieintensive Betriebe beschworen.
Der Beschluss des EU-Umweltausschusses vom 7. Oktober, ab 2013 den Großteil und ab 2020 alle Emissionszertifikate nicht mehr gratis zuzuteilen, sondern zu versteigern, sei kontraproduktiv für den Standort Europa, aber auch für den Klimaschutz. Diese Problematik sei in Öffentlichkeit und Politik bisher nicht ausreichend durchgedrungen, hatte Sorger gemeint, zugleich aber klargestellt, dass sich die österreichische Industrie zum Klimaschutz und seinen Zielen bekenne. Durch die Versteigerung werde allerdings keine Tonne weniger emittiert, statt einem Effekt auf die Umwelt gebe es lediglich Mehreinnahmen für die Budgets der EU-Länder, wie IV-Generalsekretär Markus Beyrer ergänzt. Nachdem es zunächst so ausgesehen hatte, als ob es der europäischen Industriellenvereinigungen in Brüssel nicht gelungen war, den EU-Rat von dieser Position zu überzeugen, hat der EU-Gipfel vom Dezember nun den von der Industrie erhofften Umschwung gebracht. Mit den in den vergangenen Wochen ständig nach unten korrigierten Wirtschaftszahlen im Rücken gelang es der Industrie, die drohende Versteigerung für energieintensive Betriebe, die im Wettbewerb mit Staaten stehen, die sich nicht am Emissionshandel beteiligen (Non-ETS-Staaten), ab 2013 zu verhindern.
Weiter gratis
»Carbon Leakage« – die Gefahr der Abwanderung der heimischen Produktion und damit der Verlagerung von Emissionen in Non-ETS-Staaten war in diesem Zusammenhang das große Thema. Die Kommission wollte die Entscheidung, welche Branchen als davon Betroffene Gratiszertifikate weiter erhalten, ursprünglich erst 2011 treffen. Die IV verlangte die weitere kostenlose Zuteilung der begehrten CO2-Zertifikate, verteilt nach einem Benchmarkingsystem. Die Benchmarks sollen für Produktgruppen gebildet werden und sich an den klimaschonendsten verfügbaren Technologien orientieren. Dadurch könnte die Industrie zu Investitionen in effiziente Technologie und Forschung motiviert werden, anstatt sie mit einer »Produktionsbesteuerung« (Sorger) zu bestrafen und ihr die finanziellen Mittel für Entwicklungen zu nehmen, meint die IV. Verdoppelung der ArbeitslosigkeitEindringlich hatte die IV versucht, auf die aus ihrer Sicht drohenden volkswirtschaftlichen Folgen der Entscheidung vom Oktober hinzuweisen: Würden die energieintensiven Betriebe abwandern, wären davon bis zu 170.000 Arbeitsplätze betroffen – »eine Verdopplung der Arbeitslosigkeit, um das deutlich zu machen«, wie IV-Generalsekretär Markus Beyrer anmerkte. Anlässlich des von der Wirtschaftskammer veranstalteten »Europatages« rechnete Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der Voestalpine vor, dass sein Unternehmen bei einer vollen Umsetzung des Auktionierungssystems ab 2013 mit Zusatzkosten von 300 bis 600 Millionen für den Emissionshandel rechne. Sollte der Preis für eine Tonne CO2 gegen 100 Euro steigen, würden sogar Kosten von 1,3 Milliarden Euro drohen. »Dann sind wir in ein bis zwei Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig«, hatte Eder gewarnt.
Carbon Authority
Dass es bis zum Jahr 2020, dem geplanten Zeitpunkt für die komplette Versteigerung von Emissionshandelsrechten, überhaupt einen funktionierenden Markt für CO2 geben wird, bezweifelt Stefan Schleicher, Leiter des Zentrums für Klima und Globalen Wandel an der TU Graz. Mit seiner vom EU-Rat übernommenen Forderung, der Industrie weiterhin freie Zertifikate für ihre Exporte in Non-ETS-Staaten zuzugestehen, um konkurrenzfähig zu bleiben, hat die Industrie nun einen für sie wichtigen Schritt erreicht. Die Lunte brennt nicht mehr so hell.