Die Vision vom offenen, freien und sicheren Internet muss kein Traum bleiben. Vor allem Europa könnte hier eine Führungsrolle einnehmen - um die Rahmenbedingungen dafür auszuhandeln, braucht es aber einen engen internationalen und intersektionalen Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft - so wie beim diesjährigen International Digital Security Forum (IDSF) in Wien.
Titelbild: Das IDSF fand heuer vom 19. bis 21. September in Wien statt. (Fotocredit: Katharina Schiffl)
Zur dritten Ausgabe des IDSF kamen Akteur*innen aus rund 35 Ländern im September in Wien zusammen. Unter dem Motto „Digital Resilience – The Basis for a Safe, Secure and Free Society” trafen dabei über 500 Security-Expert*innen aus der Diplomatie, Politik, IT-Industrie und der Wissenschaft zusammen, nahmen an Diskussionspanels und Keynotes teil und besuchten die begleitende Ausstellung, bei der heimische Unternehmen, Organisationen als auch Forschungseinrichtungen ihre Innovationen präsentierten.
Kernthemen der dreitägigen Konferenz waren unter anderem TechDiplomacy, der Trend hin zu einer verantwortlichen Technologieentwicklung als auch der Umgang mit sensiblen Daten im globalen Kontext sowie der Einsatz von vertrauenswürdiger Künstlicher Intelligenz. Ein weiteres großes Thema: Cybersicherheit - auch im Rahmen moderner Krisen und Konflikte, wie zum Beispiel dem Ukraine Krieg.
Europa im Spiegel der Digitalisierung
Cristina Fraile, die spanische Botschafterin in Österreich, skizzierte in ihrer Eröffnungsrede die Schwerpunktsetzungen ihres Landes für die weitere europäische Digitalisierungspolitik. Dazu zählen beispielsweise die digitalisierte Re-Industrialisierung oder die Umsetzung wichtiger Rechtsakte wie dem „AI Act“, die Konsolidierung der Europäischen Digitalen Identität oder den „Cyber Resilience“ - und „Cyber Security Act“.
Die größten Herausforderungen für die EU aber seien laut Bjørn Berge, Deputy Secretary General of the Council of Europe (CoE), zweifellos die Gegenwehr zu Cyber Crime, der Datenschutz und mit diesem das Recht auf ein Privatleben und die Wahrung der Menschenwürde. Berge erläuterte außerdem, welche Rolle der Council of Europe in der globalen Governance für AI annehmen sollte. Adrian Efros, Innenminister der Republik Moldavien, hob wiederum besonders die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Nationen hervor, die notwendig sei, um überhaupt eine gemeinsame Sicherheitsdoktrin für den digitalen Raum etablieren zu können.
Bjørn Berge, CoE, sprach über die Entwicklung einer europäischen, menschen-zentrierten Künstlichen Intelligenz - und welche geopolitischen Auswirkungen solche politischen Rahmenbedingungen hätten. (Foto: Katharina Schiffl)
Rückblick: Auf der Forum-Webseite stellt das IDSF Video-Mitschnitte aller heurigen Keynotes, Sessions und Präsentationen zur Verfügung. Nötig ist dafür nur eine kostenlose Registrierung unter https://idsf.io/.
Verantwortungsvolle Technologie
Bjørn Berge wurde eingangs durch Claudia Reinprecht, Head of Department for Telecommunications, Digital and Tech Diplomacy im
BMEIA vorgestellt, die im Anschluss an dessen Keynote die erste Session des Tages zum Thema „Responsible Technology Development“
leitete und mit Sicherheits-Expert*innen das Thema „Tech-Diplomatie im 21. Jahrhundert“ aus geopolitischer Sicht beleuchtete.
Die nächste Keynote zur zweiten Session des Tages, nämlich „Artificial Intelligence“, lieferte der Rektor des Instituts für die Wissenschaft
vom Menschen (IWM), Misha Glenny, mit einer philosophischen Keynote über „AI, Cybercrime and Human Scale“. Er zeigte auf, wie dramatische und politische Umbrüche in der Vergangenheit immer auch zu tiefen technologischen Veränderungen führten, und es der Menschheit dabei zunehmend schwerfiel, eine Balance zwischen Fortschritts- und menschlichen Erfordernissen zu finden. Im Lichte der immer größeren Macht und Allgegenwärtigkeit von Künstlicher Intelligenz und ihrer Nutzung für Cybercrime, bräuchten wir dringend die Rückkehr zu menschlicher Kontrolle über unsere Technologien, so Glenny.
Mehr zum Thema: Wie KI in im Cybercrime - und in der Cybersecurity - bereits eingesetzt wird, lesen Sie in unserer Recherche: IT und OT im Visier
Die Rolle der Digitalisierung im Krisen-, Konflikt- und Katastrophen-Management
Josef Schröfl, Deputy Director, CoI on Strategy and Defense and Head of Cyber Workstrand beim European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats, Helsinki, Finnland, erklärte, warum auch der Cyber Space endlich angemessen verteidigt werden müsse. Der Ukraine-Krieg zeige, dass es bei der neuen Art der Kriegsführung mit Desinformationskampagnen und gezielten Cyberangriffen auf kritische digitale Infrastrukturen, nicht mehr ausreiche, sich ausschließlich militärisch zu verteidigen.
Ludmyla Rabchynska beleuchtete die digitale Offensive, mit der Russland versucht, die Ukraine zu destabilisieren. (Foto: Katharina Schiffl)
Ludmyla Rabchynska, CGI Executive Consultant und OECD Consultant, die frühere stellvertretende Ministerin für die digitale Transformation in der Ukraine, ging genauer darauf ein, wie Russland seit Jahren systematisch versucht, die kritische Infrastruktur der Ukraine zu zerstören. Hauptziele der Angriffe waren nicht nur Regierungseinrichtungen, sondern auch Informations- und Energiesysteme, Telekommunikation und Finanzzentren. Zwischen 2013 und 2021 wurden in der Ukraine rund 40 Millionen Cyber-Vorfälle registriert, die auf russische Spionage, Unterbrechung von Informationsdiensten und versuchte informationspsychologische Einflussnahme zurückgehen.
Dominika Hajdu, Director of the Centre Democracy and Resilience beim slowakischen Think Tank GLOBSEC in Bratislava, stellte neue Studien zu sich entwickelnden und verfestigenden gesellschaftlichen Meinungsbildern über den Ukraine-Krieg und den Zusammenhang mit gestreuten Desinformationen vor. In ihrer Keynote “A never ending battle: How to build and maintain societal resilience to foreign malign influence” zeigte sie Wege auf, wie sich demokratischen Gesellschaften dagegen aufstellen können.
Organisiert wurde der Event vom AIT Austrian Institute of Technology in Zusammenarbeit mit der ARGE Sicherheit und Wirtschaft (ASW) der Wirtschaftskammer Österreich und dem Kompetenzzentrum Sicheres Österreich (KSÖ). Unterstützung kam aus verschiedenen Bundesministerien, dem Bundeskanzleramt wie auch von internationalen Vertretern wie den Vereinten Nationen, der OSCE und der IAEA. Aus der Wirtschaft beteiligten sich Sponsoren wie SAAB COMBITECH, msg Plaut und Trend Micro Austria sowie Raiffeisen als Location-Host der Konferenz.