Sonntag, November 24, 2024
Datenbasis für eine grüne Zukunft
Romana Aumer ist Head of Customer 360° bei A1. (Credit: A1)

Die Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie steht vor der Tür. Romana Aumer fokussiert als Leiterin des Bereichs Customer 360 bei A1 bereits auf Nachhaltigkeitsthemen mit Geschäftskunden. 


Die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union ist auf verschiedenen Ebenen auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung ausgerichtet – mit neuen Berichtspflichten für Unternehmen, wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der kommenden Lieferkettenrichtline. Welche Herausforderungen sehen Sie hier?

Romana Aumer: Abseits von Regulatorik und der prinzipiell dringend notwendigen CO2-Reduktion in allen Wirtschaftsbereichen sind hier viele auch noch in einer Phase der Suche. Es sind Fragen, wie Business-Modelle geändert oder wie Produkte anders gestaltet werden können. Was brauchen die Kund*innen? Das nur im eigenen Unternehmenskontext zu behandeln, ist zu wenig. Wir müssen über die Unternehmensgrenzen hinausdenken.

Mit der Digitalisierung wird der Datenaustausch in den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten möglich. Daten werden von Unternehmen genutzt, um die Energieeffizienz zu optimieren oder generell Prozesse zu verbessern. Dafür benötigen die Firmen entsprechende Konnektivität, Netze und energieeffiziente IT-Umgebungen, wie etwa Cloudinfrastrukturen. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass die Digitalisierung auch ein Treiber für Energiebedarf und Emissionen ist. Wir setzen hier auf ein Bündel an Maßnahmen für eine Reduktion des CO2-Ausstoßes – zum Beispiel die Reduktion des Energieverbrauchs in Netzteilen, die gerade weniger stark genutzt werden, oder mit dem Bezug von Strom aus Erneuerbaren für den Rechenzentrumsbetrieb.

So viel Erzeugung aus erneuerbaren Energien, wie in den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen benötigt, wird es in absehbarer Zeit aber nicht geben.

Aumer: Laut dem »Earth for All«-Bericht des Club of Rome kann eine vollständige Deckung des Energiebedarfs in Zukunft möglich werden. Die große Frage ist, ob die Mengen allein in Österreich produziert werden. Möglicherweise werden wir Modelle haben, in denen diese Energie auch in anderen Ländern erzeugt und zu uns transportiert wird. Es ist aber unbedingt notwendig, Systeme komplett umzudenken. Einfach nur den einen Energieerzeuger durch einen anderen abzulösen, oder in unserem Fall auch Fahrzeuge im Vertrieb eins zu eins durch E-Autos zu ersetzen, ist zu kurz gegriffen.

Was bedeutet das für den Vertrieb und Service?

Aumer: Am Anfang sollte immer die Überlegung stehen, Fahrten zu vermeiden und auf Alternativen im Kundenkontakt zu setzen. Dann können vielleicht auch mit Hilfe von KI Routen optimiert und so gefahrene Kilometer reduziert werden. Durch eine Vernetzung von Maschinen, Anlagen und der Menschen werden Monitoring und Steuerungen auch remote möglich. Das bringt eine neue Effizienz – für uns als Dienstleister ebenso wie für unsere Kunden.

Sind die Anforderungen und Berichtspflichten bei ESG-Themen (Anm. Environmental, Social, Governance) für größere Unternehmen mit entsprechenden Teams leichter zu stemmen?

Aumer: Es ist auch für die großen Unternehmen nicht einfach. So gilt es in der Wirtschaft, überhaupt einmal Standards für das Reporting festzulegen – damit es einfach formuliert ist und klar Umsetzungen und Ziele beschreibt. Bereits jetzt werden bei Ausschreibungen Informationen zu ESG und unseren Aktivitäten und Maßnahmen abgefragt. Das geschieht mehrmals pro Woche, jeder will es in einem anderen Format. Aus diesem Grund werden standardisierte Systeme und Berichtsformate entstehen müssen, über die Daten dann einfach auch in verschiedensten anderen Prozessen genutzt werden können. Wir alle müssen das vereinfachen, damit man nicht jedes Mal das Thema neu erfinden und neu denken muss.

Wird dies besonders bei Rechenzentrums-Services nachfragt?

Aumer: Das geht quer durch, so betrifft es auch Telekommunikationsdienstleistungen. Die Unternehmen bereiten sich über kurz oder lang auf die Reporting-Pflicht über ihre ganze Wertschöpfungskette vor. Bei der Berücksichtigung von Scope-3-Emissionen ist das gesamte System bis hin zu Dienstleistungen, Geschäftsreisen, verwendeten Produkten, Transport und Lieferung inkludiert. Auch in der A1 Unternehmensgruppe versuchen wir bereits, ESG-Risiken in unseren Lieferantenbeziehungen zu bewerten. Auf europäischer Ebene gibt es schon Zusammenschlüsse von Telekomunternehmen, die gemeinsam Audits von Lieferanten durchführen, um Ressourcen zu bündeln.

Ich erwarte hier das Entstehen neuer Plattformen oder Agenturen für das Einmelden von ESG-Daten und entsprechend zugänglichen Ratings, wie es sie bereits etwa im Finanzierungsbereich gibt. Auch die Wirtschaftsprüfungskanzleien müssen diese Rating-Methoden attestieren, im Beraterumfeld werden ebenfalls Plattformen dazu aufgebaut. Wir verwenden als Informationsquelle EcoVadis, das Unternehmen systematisch auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsfaktoren prüft.

Romana Aumer, A1: »Wir alle müssen an einem Strang ziehen und Nachhaltigkeit in den Wertschöpfungsketten über die Unternehmensgrenzen hinaus anstreben.« (Foto: A1)

Mit dem Digitalen Produktpass in der EU sollen Komponenten und Produkte ebenfalls transparent gestaltet werden.

Aumer: Auch hier brauchen wir Daten, zu verwendeten Materialien beispielsweise oder der Reparaturfähigkeit von Produkten. Es sind Speicherlösungen für diese Daten notwendig – eine entsprechende digitale Infrastrukturebene für Wertschöpfungsketten. Der Fokus liegt derzeit auf Produktpässen für Fahrzeugbatterien. Es ist damit zu rechnen, dass immer mehr Produkte reguliert werden, darunter auch elektronische Geräte und Mobiltelefone. Erst auf Basis dieser Daten sind dann auch Maßnahmen und Umsetzungen einer Kreislaufwirtschaft möglich.

Die Lieferkettenrichtlinie ist derzeit noch in einer finalen Diskussion. Natürlich werden auch wir erst mit der gesetzlichen Bestimmung und Klarheit diese in unseren Systemen zwingend berücksichtigen und umsetzen. Aber Unternehmen tun gut daran, sich damit schon jetzt zu beschäftigen. 

Sehen Sie diese Anstrengungen als wichtig, um neue Mitarbeiter*innen anzusprechen?

Aumer: Wir sehen, dass sich gerade die Jüngeren, etwa unsere Lehrlinge, für ESG-Themen stark interessieren. Für diese Gruppe ist es einfach wichtig, da es ihre Zukunft betrifft. Als Unternehmen arbeiten wir daran, unseren Beitrag zu leisten. Wir können in Bewerbungsgesprächen bereits bei vielen Fragestellungen – und diese Fragen werden tatsächlich gestellt –, mit konkreten Umsetzungen punkten.

Viele Junge zieht es in Technologieunternehmen, die an Produkten und Dienstleistungen für eine lebenswerte Zukunft arbeiten. Auch wir wollen unseren Teil beitragen und spüren auch die gute Stimmung in unserem Unternehmen dazu. Dabei stehen wir mit den breiten Einsatzmöglichkeiten von IoT-Lösungen erst am Beginn von Ressourcenschonung in der Wirtschaft und Gesellschaft.

Was sind für Sie gute Beispiele für Nachhaltigkeit und auch resiliente Betriebsumgebungen durch Technologielösungen?

Aumer: Gerade in der Landwirtschaft wird man viele Prozesse auf den Klimawandel einstellen müssen. Mit dem Einsatz von Sensoren können Fruchtfolgen und Bewässerung zielgerichtet gemanagt werden. Das beinhaltet im großen Stil auch den Einsatz von Drohnen für Pflanzengesundheitsanalyse oder effiziente Schädlingsbekämpfung. Das Monitoring von Umwelteinflüssen und auch Prognosen mit Hilfe von KI werden Teil des Arbeitsalltags auf einem Bauernhof werden. Eine Drohnenfluginfrastruktur ist heute auch für Such- und Rettungseinsätze dienlich, Projekte dazu setzt das Rote Kreuz bereits um.

Im Infrastrukturbereich baut A1 mit Campus-Netzwerken für die Industrie abgesicherte, eigene Systeme für die Vernetzung von Maschinen und die Kommunikation auf. Betriebe, in denen kritische Prozesse laufen, müssen sich auf die Vernetzung verlassen können. Terminals auf Gabelstaplern für Logistik und Lagerwirtschaft lassen sich mit 4G und 5G hervorragend steuern, insbesondere auf weitläufigen Arealen. Wichtig dabei: Die Daten des Unternehmens bleiben im eigenen privaten Netz und kommen mit dem Internet nicht in Berührung. 


Transparenz in der Lieferkette

Das EU-Parlament hat am 1. Juni 2023 das »EU-Lieferkettengesetz« verabschiedet. Es dient zur Verbesserung menschenrechtlicher und umweltbezogener Standards in globalen Wertschöpfungsketten. Die Sorgfaltspflichten umfassen die Identifizierung von Risiken, die Einführung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie die Einrichtung von Mechanismen zu Beschwerde- und Entschädigungszwecken.

Aktuell wird die praktische Ausgestaltung der Richtlinie im Trilog-Prozess von EU-Kommission, Parlament und Rat verhandelt. Direkt betroffen werden voraussichtlich Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 40 Millionen Euro sein. Ebenso wird es eine Regelung für Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU mit relevantem Geschäft in Europa geben. KMU werden indirekt vom EU-Lieferkettengesetz betroffen sein, da diese als Partner und Lieferanten ebenfalls zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten aufgefordert werden können.

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