Staatssekretär Florian Tursky besuchte das neue Forschungs- und Produktionszentrum von AT&S in Leoben. Das Zentrum soll unter anderem dafür sorgen, dass Europa - und Österreich - in Sachen Mikrochipherstellung unabhängiger wird. Die Zeit drängt.
Die Weichenstellung für Österreichs Mikroelektronikindustrie steht an. Der erfolgreiche „Gipfel“ am Donnerstag im Bundeskanzleramt zeigte die Entschlossenheit von Politik und Industrie, das Land hier stark zu positionieren. Denn: Im internationalen Vergleich hinkt Europa hinterher. Asiatische und US-amerikanische Unternehmen dominieren alle Stufen der Mikrochipherstellung. Und während Europa nur 10 Prozent der Mikrochips produziert, werden rund 20 Prozent der weltweiten Produktion hier gekauft. Mit dem European Chips Act will die EU-Kommission gegensteuern: Bis 2030 soll die EU ihren Anteil an der weltweiten Chipherstellung auf 20 Prozent verdoppeln.
Österreich kann dabei eine bedeutende Rolle spielen. Bundeskanzler Karl Nehammer formulierte dazu ein starkes Ziel: „Mikrochips made in Austria sollen genauso bekannt werden wie Lipizzaner und Mozartkugeln.“ Um das zu erreichen, ist es im ersten Schritt entscheidend, strategische Technologielücken in der Lieferkette für zunehmend komplexe Hochleistungsprozessoren zu schließen.
Europas Fuß in der Tür
Dabei sind sogenannte Back-End-Technologien von zentraler Bedeutung: Verbindungstechnologie und Substrate, die für die Verarbeitung vom Halbleiter zum fertigen Mikrochip benötigt werden. Das Forschungs- und Produktionszentrum, das AT&S derzeit im Rahmen von IPCEI Mikroelektronik II realisiert, bringt solche Prozess-Technologie nach Österreich - und soll für Europa ein wichtiges Asset auf dem Weg zum globalen Markt für Mikroelektronik werden.
„Wir bei AT&S bieten mit unserem neuen Forschungs- und Fertigungszentrum ein Best-Practice-Beispiel, in welche Richtung es für Europas Mikroelektronikindustrie gehen könnte“, meint CEO Andreas Gerstenmayer beim Besuch von Florian Tursky, Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation, und skizzierte die Lage: „Europa muss wesentliches Know-how und Kompetenzen aufbauen, um sich aus Abhängigkeiten zu befreien und Zugriff auf entscheidende Elemente der Lieferkette zu erlangen.“ Staatssekretär Tursky betonte: „Im Hinblick auf ein funktionierendes EU-Chip-Ökosystem und die angestrebte technologische Souveränität Europas wird Mikroelektronik immer wichtiger. Nur mit deren Schlüsseltechnologien werden wir den von der EU angestrebten Weg ins digitale Jahrzehnt erfolgreich beschreiten können.“
V.l.: Staatssekretär Florian Tursky wurde von AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer durchs neue R&D- und Produktionszentrum in Leoben geführt. (Foto: ATS/Braunrath)
Aufbauend auf bestehenden Programmen wie IPCEI ME II macht das Bekenntnis der EU zu künftigen Investitionen im Rahmen des Chips Acts deutlich, dass die Politik die Bedeutung der Mikroelektronik erkannt hat. Es sei jetzt entscheidend, wettbewerbsfähige Förderbedingungen zu realisieren – sowohl global als auch im europäischen Kontext, findet Andreas Gerstenmayer: „Derzeit besteht die einmalige Chance, Österreich und Europa auf der Überholspur zu positionieren. Dafür brauchen wir mehr Forschung und Entwicklung, bessere Bedingungen für Unternehmen, die bei uns produzieren, und ein Investitionspaket, das mit den Subventionen für die Chipindustrie in den USA und China mithält.“
Das europäische Leuchtturmprojekt, das AT&S im Rahmen von IPCEI ME II an seinem Headquarter in Leoben errichtet, ist ein für Europa und die westliche Welt einzigartiges Entwicklungs- und Produktionszentrum für Verbindungstechnologie und Substrate im technologischen High-End-Bereich für Hochleistungs-Mikroprozessoren. Langfristig könnte dieses neue High-Tech-Zentrum die Etablierung von Mikroelektronik-Packaging-Technologien in Europa anstoßen.
Technologie- und Wissenslücken schließen
Bei Mikroelektronik-Packaging handelt es sich um einen Technologiebereich mit erheblichem Wachstumspotenzial. Für zahlreiche High-End-Anwendungen könnten damit signifikante Leistungssteigerungen bei zugleich reduziertem Energieverbrauch erreicht werden. Das gilt besonders für komplexe Prozesstechnologien - wie etwa 2-Nanometer-Chipprozessoren, bei denen Forscher*innen zunehmend an die physikalischen Grenzen der Transistor-Miniaturisierung stoßen. Aber auch für Zukunftsfelder wie Künstliche Intelligenz, Hochleistungsrechner, Edge Computing, IoT, Cloud Computing, 5G/6G, Server, Netze.
Hier fehlt Europa derzeit noch immer das technologische Know-how. Die hiesige Mikroelektronikindustrie ist vor allem in Nischen für den Automobil- und Industriesektor erfolgreich. AT&S ist hier als Produzent von Mikroelektronik für Datenzentren und Hochleistungscomputern die Ausnahme. Die Chancen sind da, auch wenn die Zeit drängt. „Die hier produzierten Substrate können mit klugen Entscheidungen zur Keimzelle eines blühenden europäischen Mikroelektronik-Ökosystems werden. Angesichts des sich verstärkenden demografischen Wandels erfordert dies auch eine gezielte Zuwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften mit entsprechenden integrativen Rahmenbedingungen“, betonte CEO Gerstenmayer.