Sonntag, Juni 30, 2024

Realität und Digitales werden künftig stärker miteinander verschmelzen, meint Christian Winkelhofer, Managing Director für neue Technologien von Accenture Österreich. 

Vergangenes Jahr war das Metaverse noch in aller Munde - dieses Jahr holt die Technologieberatung Accenture in ihrer Zukunftsstudie „Tech Vision 2023“ die physische Welt zurück ins Scheinwerferlicht. Dort spürt man den Willen zur digitalen Transformation, als auch den Einzug von KI deutlicher als je zuvor. In der Studie untersuchten die Forscher*innen, welche Trends hinter dieser Entwicklung stehen, und wie sich Unternehmen auf diesen Wandel vorbereiten. 

Wirtschaftsmotor KI 

Schon seit jeher verschiebt der technische Fortschritt die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit. Generative KIs wie ChatGPT haben laut Accenture-Studie schon heute das Potenzial, die globale Wertschöpfung um 7 Prozent zu steigern. Allein in den letzten fünf Jahren hat sich die Performanz von KI exponentiell verbessert. Auch das Einsatzspektrum erweitert sich: Gab es zuvor hauptsächlich spezialisierte Modelle, können heutige KIs bereits eine Reihe unterschiedlichster Tätigkeiten übernehmen. 

Dieses Potenzial hat auch die Wirtschaft erkannt. Rund 42 Prozent der für die Tech-Vision befragten internationalen Entscheider*innen plant bereits konkrete Investments in ChatGPT. In Österreich ist die Stimmung besonders optimistisch: Hier sehen rund 99 Prozent der Führungskräfte Künstliche Intelligenz als langfristig elementaren Bestandteil ihrer Strategie. 

Digitale ID

Mit der zunehmenden Verschränkung von Realität und Digitalem wird aber auch die „Digitale Identität“ immer wichtiger. Allein aus praktischen Gründen bietet es sich an, verschiedene Online-Identitäten zusammenzuführen, um den Datenaustausch zu beschleunigen. Eine E-Mail-Adresse reiche dafür in Zukunft nicht mehr aus, erklärt Christian Winkelhofer, Managing Director für neue Technologien von Accenture Österreich: „In Österreich gibt es schon einige passable Umsetzungen, zum Beispiel die eID, die von der Verwaltung zur Verfügung gestellt wird. Früher hat man Kontaktdaten verwendet, eine Telefonnummer, eine Mailadresse – das aber sind Daten, die sich nicht für eine Identitätsfeststellung eignen.“ Künftig brauche jede Person eine einzelne eigene Identität im digitalen Raum, sagt er. 

Elementar sind dabei gute Aufklärung, ausdrückliche Zustimmung und strenge Datenschutzrichtlinien, um private Daten zu schützen - die EU arbeitet bereits an einem Regelwerk. Inwieweit solche Daten von der Wirtschaft verwendet werden dürfen, bleibt abzuwarten. Außerdem muss die Frage beantwortet werden, welche Funktionen die eID in Zukunft erfüllen soll, wo sie eingesetzt werden soll – und wo besser nicht. 

Wo es schneller gehen könnte, ist bei der Digitalen Identität von Dingen – hier treibt und bremst der technologische Fortschritt. Ein Beispielfall ist die eigene Solaranlage, die zurück ins öffentliche Netz speist: Netzbetreiber und Produzent*in müssen messen, ob und wie viel Strom erzeugt wird, und den Betrag richtig zuordnen. Hierzu benötigen sie die digitale Identität des Geräts.
 

Die Verbreitung einer digitalen Identität für Personen und Dinge steht erst am Anfang, betont Christian Winkelhofer: „Wir müssen zuerst hinterfragen, welche Funktion eine derartige Identität überhaupt erfüllen muss“, sagt der Manager. „Führungskräfte in Österreich bevorzugen laut unserer Umfrage öffentliche und zentralisierte E-ID-Lösungen.“

Daten und Transparenz

Um Daten nutzbar zu machen, muss man sie zunächst sammeln. Viele Datensammlungen liegen allerdings nicht in einer digitalen Form vor - oder nicht unbedingt in einer Form, in der man sie weiterverwerten kann – das Stichwort lautet hier Open Data. Dabei können gut gepflegte, offene und transparente Daten die Grundlage für neue Geschäftsmodelle bilden: So beispielsweise bei der Logistikplattform Xeneta, welche öffentlich verfügbare Daten zu Frachtrouten aggregiert, anreichert und neu bewertet, und so Auskunft über Logistikketten und Auslastung geben kann – wichtige Informationen für Unternehmen im Bereich Supply Chain. 

Ein anderes Beispiel ist das Grazer Scale-up smaXtec, das mittels Sensoren wichtige Gesundheitsparameter von Kühen trackt und Landwirten so hilft, frühzeitig zu erkennen, ob eine Kuh krank wird. Der Sensor - ein sogenannter Bolus - misst aus dem Magen der Kuh heraus die Körpertemperatur, Fress - und Trinkverhalten und ihre Bewegungsaktivität. Eine KI wertet die Daten anschließend aus und kann aufkommende Krankheiten drei bis fünf Tage früher erkennen – sodass der*die Landwirt*in schnell Maßnahmen ergreifen kann. So hat das Unternehmen bereits über 300.000 Kühe erfasst.

„Daten haben in Österreich überdurchschnittlich an Bedeutung gewonnen”, erklärt Winkelhofer, „wir nehmen an, dass das ein gewisser Nachholeffekt ist.“ Zu diesem Thema gehört seiner Ansicht aber auch: Wer seinen Kund*innen Datensicherheit garantieren kann, und darüber hinaus Transparenz schafft, welche Daten gesammelt und wofür sie verwendet werden, schaffe Vertrauen. „Und wer Vertrauen schafft, hat ganz klar einen Wettbewerbsvorteil.“

Digitale Wissenschaft

Auch in der Wissenschaft wird Maschinelles Lernen bereits eingesetzt, beispielsweise für die Generation von Testdaten oder das Testen von Hypothesen. Hier hat KI zu einer Beschleunigung der wissenschaftlichen Prozesse geführt und zur Kostenreduktion beigetragen. Damit einhergehend werden an den Universitäten eigene KI-Abteilungen geschaffen, die sich mit den Einsatzgebieten, Chancen und Risiken der Algorithmen auseinandersetzen und Richtlinien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz zur Verfügung stellen. Laut Umfrage hadere die österreichische Wirtschaft – im internationalen Vergleich – aber noch damit, die Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu transferieren und kreativ einzusetzen.

Vorausschauendes Denken gefragt

Die Konvergenz der analogen und digitalen Welt weckt neue Innovationsmöglichkeiten, die es zu finden und entsprechend zu nutzen gilt. Dafür müssen Führungskräfte nun neue Strategien formulieren, meint Winkelhofer. Dazu gehöre unter anderem die Frage, wo sich KI im eigenen Unternehmen sinnvoll einsetzen lässt, die Prüfung technischer und fachlicher Architekturen und vor allem klare und offene Kommunikation mit Mitarbeiter*innen und Kund*innen, um das Zusammenspiel von Mensch und Maschine erst möglich zu machen. Christian Winkelhofer: „Die technische Entwicklung ist klar vorgezeichnet. Die Themen werden kommen, die Themen werden relevant sein – es liegt an den Führungskräften, den Organisationen und der Verwaltung, diese Schritte zu gehen und zu nutzen.“  

(Bilder: Stefan Csaky)

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