Sonntag, November 24, 2024

Der Verband Österreichischer Software ­Innovationen (VÖSI) will die ­heimische Softwarebranche stärken, Rahmenbedingungen für nachhaltige wirtschaftliche Erfolge schaffen und den gesellschaftlichen Diskurs zu Software fördern – im Gespräch mit Präsident Klaus Veselko und Vizepräsidentin ­Gerlinde Macho. 

Titelbild: Gerlinde Macho und Klaus Veselko setzen sich für die Angelegenheit der IT- und Softwareszene ein. Die Branche plagt seit Jahren ein Fachkräftemangel.  (Credit: VÖSI)

Was bedeutet die Änderung im Verbandsnamen von Österreichische Software Industrie zu Software Innovationen? Sind die Unternehmen nicht mehr Teil einer Industrie?

Klaus Veselko: Wir haben den Namen wiederholt in den letzten Jahren diskutiert. Kritiker aus der Softwareszene haben sich nicht mit dem Begriff Industrie anfreunden können, andere wiederum wollten daran festhalten. Nüchtern betrachtet, ist der Verbandsname in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden, zu einer Zeit der Computerindustrie und darauf aufbauend auch einer Softwareindustrie. Wenn wir aber heute sehen, wie Projekte mit Softwareentwicklung ablaufen, wirkt der Ausdruck Industrie etwas verstaubt. Die IT-Branche hat vor Jahrzehnten selbst eine Industrialisierung durchlebt, ist heute aber mitten in innovativen, agilen Prozessen. Der neue Verbandsname beschreibt die Tätigkeiten unserer Mitglieder besser. 

Gerlinde Macho: Wir haben damit auch Innovation unterstrichen, die für Unternehmen und Menschen geschaffen wird. Zwar entstehen in der Softwareentwicklung natürlich auch Anwendungen für Industrieunternehmen, sie sind aber stets für Menschen gemacht. Mit Software wird Neues erschaffen, das in unserer Wirtschaft und Gesellschaft zur Anwendung kommt. 

Die Softwarebranche als Teil des IT-Marktes ist relativ stabil durch die letzten Krisenjahre gekommen. Welche Erwartungen haben die Unternehmen für heuer?

Veselko: Das ist sicherlich von Unternehmen zu Unternehmen verschieden, aber generell ist die Lage sehr gut. Definitiv eine große Herausforderung war die Pandemie. Der Ukraine-Konflikt, die Inflation und Energiekosten berühren auch die Softwareunternehmen in Österreich – in meiner Wahrnehmung ist nicht mit großen Geschäftseinbrüchen zu rechnen. Für 2023 gehe ich aus heutiger Sicht von einem weiteren Wachstum der Branche aus. Bei den mir bekannten Unternehmen gibt es aktuell wenig Befürchtungen und aktuelle Umfragen sprechen von Optimismus, auch wenn er teilweise noch etwas verhalten ist. Es scheint aber, dass wir uns langsam dem Ende der Krisenjahre nähern könnten.

Welchen Ausblick haben Sie als IT-Unternehmerin eines mittelständischen Betriebes, Frau Macho?

Macho: Auch bei MP2 IT-Solutions sind wir optimistisch und erwarten eine gute wirtschaftliche Lage auch in diesem Jahr. Trotzdem gibt es Herausforderungen. Ein limitierender Faktor sind weiterhin Fachkräfte und Personal. Unternehmen müssen hier einfach Aktionen setzen, vorausschauend planen und Maßnahmen für die Ansprache von neuen Mitarbeitenden ergreifen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist IT-Security, der – wenn man es richtig macht – Unternehmen krisensicher aufstellt. Jetzt müssen über die Cybersicherheit hinaus resiliente Systeme geschaffen werden – das ist eine Aufgabe für uns als IT-Unternehmen, ebenso wie für unsere Kunden. Das beinhaltet auch das breite Thema Nachhaltigkeit, das nicht nur Ressourcen einzusparen hilft, sondern bessere Services und Prozesse zum Wohl der Menschen ermöglicht.

Der VÖSI setzt sich mit einer Initiative für Frauen in technischen Berufen ein. Warum ist Diversität auch in der Softwarebranche so wichtig und was sind Ihre konkreten Ziele dazu?

Macho: Lediglich 18 Prozent Frauen sind laut einer VÖSI-Studie aus dem Jahr 2021 unter den Beschäftigten der IKT-Branche in Österreich zu finden. Das ist erschreckend wenig und zeigt auf, dass es hier noch wirklich viel zu tun gibt – bei gleichzeitig einem seit Jahren herrschenden Fachkräftemangel in den Unternehmen. Zahlreiche Studien haben bereits nachgewiesen, dass divers zusammengesetzte Teams nicht nur effizienter, sondern auch innovativer zusammenarbeiten. Genau das braucht einfach auch die Softwarebranche und es ist für die Lösungen essenziell, die wir entwickeln. Diversität betrifft nicht nur das Geschlecht, sondern spielt bei vielen weiteren Merkmalen eine Rolle – beim Alter, bei der fachübergreifenden Arbeit von Frauen und von Männern gleichermaßen.

Mit der Gründung der Special Interest Group »WOMENinICT« wollen wir den geringen Frauenanteil in der Branche adressieren und Frauen in der IKT sichtbar machen. Wir vernetzen unsere Botschafterinnen und holen auch die Männer ins Boot. Denn wir müssen gemeinsam die Zusammenarbeit verbessern – über die Grenzen von Unternehmen und Verbänden hinaus, also auch mit dem Vernetzen mit anderen Initiativen, die sich für Chancengerechtigkeit engagieren. Zudem entstehen gerade viele neue Berufsbilder in der IT, die eine Arbeit in dieser Branche für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv machen.

Veselko: Ich kann das bestätigen. Allein der Zulauf und das Interesse an den Veranstaltungen von WOMENinICT zeigt, wie wichtig das Thema ist. Die Gruppe ist gerade drei Jahre alt geworden und verfügt bereits über eine große Community. Diversität insgesamt ist ein gesellschaftlich wichtiges Thema. Ich befürchte aber, dass es in vielen Köpfen noch nicht so richtig angekommen ist. Die Welt und damit auch die IT und Softwarebranche bestehen eben nicht nur aus Männern, die weiß und zwischen 30 und 40 Jahren alt sind. Es gibt auch jüngere und ältere Menschen. Nutzen wir doch die jeweiligen Stärken dieser verschiedenen Gruppen. Nur dann werden Unternehmen in ihren Projekten und Entwicklungen von Services und Produkten auch erfolgreich sein.

Vor rund einem Jahr hatten wir gut 150.000 Beschäftigte in der Softwarebranche in Österreich. Wenn wir es schaffen, den Anteil von rund 20 % – 30.000 Frauen – zu verdoppeln, werden in den nächsten Jahren 30.000 neue Arbeitskräfte hinzukommen Eine Parität bei Frauen und Männern würde langfristig sogar rund 75.000 Zugänge bedeuten. Das würde Wachstum möglich machen, es bedarf aber langfristiger Anstrengungen. Der VÖSI will, so gut wir können, auch Maßnahmen dazu in den Unternehmen unterstützen.

Macho: Mit der Gründung der Special Interest Group »Accessibility in ICT« sprechen wir auch das Thema Barrierefreiheit in der Digitalisierung an. Das betrifft die Anwender*innen ebenso wie die Fachkräfte in der Arbeitswelt. Wir wollen nun mit Aktionen und Workshops auf Inklusion und die Vorteile für Unternehmen aufmerksam machen. Von der besseren Nutzerfreundlichkeit durch barrierefreie Produkte und Services können wir alle profitieren. Das betrifft ebenso weitere Initiativen des ­VÖSI, wie Special Interest Groups zu den Themen Safety & Security oder Enterprise Architecture Management, bei denen Interessierte offen mitwirken können.

Wir sehen den Austausch und Transfer von Wissen über diese Plattformen als notwendig, da viele Unternehmen für sich alleine nicht über die entsprechenden Ressourcen oder ein Netzwerk verfügen. Gerade um Trends zu erkennen und Know-how zu Innovationen aufzubauen, ist der Blick über den Tellerrand wichtig. 


Über den Verband

Der Verband Österreichischer Software Innovationen (VÖSI) ist eine Interessengemeinschaft der bedeutendsten österreichischen IT-Unternehmen. 1986 gegründet, sind rund 45 große und mittlere Software- und IT-Dienstleistungsunternehmen im VÖSI organisiert.
Info: www.voesi.or.at

 

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