Der Wissenschaftliche Beirat Funk hat Ende 2022 ein Update gegeben. Fazit: Es gibt keinen Nachweis der Gesundheitsgefährdung für den Menschen durch Mobilfunk.
Anhand der Studienlage des letzten Jahres kamen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Rahmen einer Konferenz des WBF (Wissenschaftlicher Beirat Funk) zu dem Ergebnis, dass eine vom Mobilfunk ausgehende Gefahr für die Gesundheit des Menschen auch weiterhin ausgeschlossen werden kann. Geprüft und bewertet wurden 159 – im Zeitraum von Juli 2021 bis inklusive Juni 2022 auf internationaler Ebene publizierte – wissenschaftliche Arbeiten. Begutachtet wurden Veröffentlichungen von Studien (Human-, Tier- und Zellstudien) sowie sonstige wissenschaftliche Arbeiten auf folgenden Gebieten: Befindlichkeit und Schlaf, Gehirn und Nervensystem, Kinder und Jugendliche, männliche Fertilität, Hals-Nasen-Ohren, Augen, Krebserkrankungen, Zellbiologie und Dosimetrie.
Der Wissenschaftliche Beirat Funk ist dem Bundesministerium für Finanzen als beratendes wissenschaftliches Gremium zugeordnet. Bei den Mitgliedern handelt es sich um renommierte österreichische Wissenschafter unterschiedlicher technischer und medizinischer Fachbereiche.
Wie die Expertinnen und Experten feststellten, gab es im aktuellen Prüfzeitraum eine überwiegende Zahl von Reviews und Meta-Analysen und nur relativ wenige – neu durchgeführte – Originalarbeiten. Kritisiert wurde auch diesmal wieder die Zunahme von Arbeiten mangelnder wissenschaftlicher Qualität.
„Auch auf meinem Fachgebiet – also im Hinblick auf Kinder und Jugendliche – liegen uns in erster Linie Reviews vor, die sich mit immer denselben zugrundeliegenden Arbeiten beschäftigen. Somit ergaben sich auch keine neuen Aspekte gegenüber der alten Studienlage“, so Kurt Widhalm, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Humangenetiker und Ernährungsmediziner.
Allerdings berichtete Prof. Widhalm von einer italienischen Studie, in deren Rahmen eine deutliche Zunahme der Verwendung digitaler Technologien durch Kinder und Jugendliche seit Beginn der Covid-19-Pandemie erhoben wurde. Hier kam es zu einer Steigerung von 15 %, knapp 62 % davon sind der Nutzung von Smartphones zuzuschreiben.
Inwieweit diese Entwicklung negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit sich bringt, die mit einer Belastung durch Mobilfunkstrahlung nichts zu tun haben, sollte systematisch untersucht werden. „In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel Übergewicht bei jungen Menschen ein Thema, aber auch psychische und emotionale Beeinträchtigungen. Wir vom WBF halten hier eine umfassende Technologiefolgenabschätzung für dringend nötig“, forderte Gerald Haidinger, Zentrum für Public Health an der MedUni Wien, Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin, und Vorsitzender des WBF.
Bis heute konnte nach wie vor kein Kausalzusammenhang zwischen den Wirkungen des Mobilfunks und der Entstehung von Gehirntumoren nachgewiesen werden. Auch Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf Gehirnfunktionen – zum Beispiel über Neurotransmitterveränderungen – wurden in der Literatur erörtert. Die Studien liefern aber auch hier insgesamt keine gesicherten Erkenntnisse über diese Effekte und deren Relevanz beim Menschen.
„Trotz der unveränderten Sachlage werden wir uns in den nächsten Jahren weiter damit beschäftigen, Schwellenwerte für neurophysiologische Interaktionen auszuloten und gegebenenfalls auch Resilienzmechanismen zur Anpassung an solche Effekte im Gehirn näher zu diskutieren“, erläuterte Wulf Haubensak, Leiter der Abteilung für Neuronale Zellbiologie am Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien.
Zellbiologische Untersuchungen mangelhaft
Demgegenüber zeigte sichChristopher Gerner, Vorstand des Instituts für Analytische Chemie der Universität Wien, enttäuscht über die aktuellen Studien mit humanen Zellen hinsichtlich gentoxischer Wirkungen: „Die vorliegenden Arbeiten sind mangelhaft bis vollkommen absurd, eine absolute Katastrophe. Die einzige brauchbare wissenschaftliche Originalarbeit beschreibt den professionellen Umgang mit
experimentellen Daten – sie gibt eine gute Anleitung für künftige wissenschaftliche Arbeiten.“
Mobiltelefone und männliche Fertilität
Nach wie vor besteht eine große Diskrepanz zwischen In-vitro-Studien und Humanstudien. „Zwei systematische Reviews schließen die Möglichkeit eines negativen Effekts von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf die Hormonachse und verschiedene Spermiogramm-Parameter nicht aus“, so Stephan Madersbacher, Vorstand der Abteilung für Urologie und Andrologie an der Klinik Favoriten/Wien. Nach eingehender Diskussion relativierten die ExpertInnen des WBF diese Feststellung aufgrund der teilweise mangelhaften Qualität der Einzelstudien, auf denen die betreffenden Reviews basieren: „Daher ist die Aussagekraft der beiden Übersichtsarbeiten, die uns aus dem Beobachtungszeitraum vorliegen, begrenzt – wir werden diese Thematik aber weiterhin sehr genau beobachten“, fasste der WBF-Vorsitzende Gerald Haidinger zusammen.
Achtung bei kardiologischen Implantaten
Wie Christian Wolf, Internist und Arbeitsmediziner sowie Stv. Vorsitzender des WBF, berichtete, waren einmal mehr kabellose Ladetechnologien mit Magneten ein wichtiges Thema in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion. „Es wird davor gewarnt, dass ein solches Mobilfunkgerät, das direkt über dem implantierten Herzschrittmacher oder Defibrillator – etwa in der Innentasche des Sakkos – getragen wird, im Ernstfall zu Funktionsstörungen führen kann. Empfohlen wird hier ein gewisser Sicherheits-abstand – dieser ist am besten der Bedienungsanleitung des betreffenden kardiologischen Gerätes bzw. des Mobiltelefons zu entnehmen“, sagt Wolf.
Forschung zu 5G schreitet voran
Georg Neubauer, Austrian Institute of Technology, lobte die weitgehend gute Qualität der aktuellen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Dosimetrie, vorzugweise zu 5G. Im Hinblick auf die Richtung, in die sich die dosimetrischen Untersuchungen entwickeln, kommentierte Neubauer: „Die Mess- und Berechnungsmethoden werden tendenziell komplexer und die Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich entsprechend zunehmend mit aufwendigen mathematischen und statistischen Fragestellungen. Auch eine immer stärkere Kombination von Themen findet statt. Dabei bleibt die praktische Umsetzbarkeit der Ergebnisse vieler Studien mitunter fraglich.“
Neubauer stellte zudem fest, dass gleichzeitig mit dem Ausrollen von 5G ein teilweiser Rückbau von 3G, etwa in Deutschland, begonnen wurde. Dies hat Einfluss auf die Gesamtexposition. Die dynamische Sendesignalführung, die eine optimierte Versorgung der Benutzerinnen und Benutzer ermöglicht, bewirkt im Vergleich zu Vorgängertechnologien dynamischere Expositionsszenarien. „Die Verdichtung der Netze führt aber nicht automatisch zur Erhöhung der Exposition, im Gegenteil – die Studienlage deutet eher auf eine Verringerung hin. Und die Nähe zur Antenne bestimmt nicht zwingend das Ausmaß der Exposition“, verdeutlichte Neubauer.
Klar sei derzeit aber jedenfalls eines: Sämtliche Studienergebnisse der letzten Monate – wie bereits jene der Jahre zuvor – bekräftigen, dass auch angesichts der (allfälligen Zusatz-)Belastung durch 5G die von der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) festgelegten Grenzwerte bei weitem unterschritten werden.
Auch wenn die derzeitige Studienlage keine Gesundheitsgefährdung durch den Mobilfunk nahelegt, mahnt der WBF auch weiterhin zum umsichtigen Umgang mit der Mobilfunktechnologie.
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