Sonntag, Dezember 22, 2024

Das Bundesrechenzentrum feiert 25-jähriges Bestehen. Der ­Report sprach mit Geschäftsführerin Christine Sumper-­Billinger über Veränderungen am Markt und Erwartungen an einen ­besonderen Arbeitgeber in der IT-Branche, der Services für die Gesellschaft und Wirtschaft in Österreich gestaltet. (Titelbild: Klaus Vyhnalek)


Report: Wie haben sich die Erwartungen der Arbeitnehmer*innen in den vergangenen Jahren an das BRZ verändert?

Christine Sumper-Billinger: Spätestens mit der Ausgliederung des damaligen Rechenamts aus dem Finanzministerium vor 25 Jahren hat sich die Rolle der IT von einer reinen Prozessunterstützung in der Verwaltung zu einem Enabler von Innovation gewandelt. Das spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt wider, der sich in den letzten Jahren stark gedreht hat. In Zeiten des Arbeitskräftemangels sind es die Unternehmen, die sich bewerben und regelrecht um Mitarbeiter*innen buhlen. Auch wir müssen hier entsprechende Flexibilität hinsichtlich Arbeitsort und Arbeitszeiten bieten. Angefeuert durch die erfolgreichen Homeoffice-Modelle in der Pandemie fordern die Menschen wesentlich größere Flexibilität ein. Das ist sicherlich stärker in der IT als in anderen Branchen möglich.

Auch Teilzeitmodelle werden mehr nachgefragt, im BRZ haben wir bereits 16 Prozent der Mitarbeitenden in Teilzeit. Wir bieten das auch jüngeren Kolleg*innen an, da gerade auch diese Generation immer stärker auf eine Work-Life-Balance schaut. Nicht nur der berufliche Erfolg ist Motivator allein, sondern das Gleichgewicht von Familie, Beruf und Freizeit. Als zertifiziertes Unternehmen nach dem Audit »berufundfamilie« schauen wir stark auf diese Vereinbarkeit und unterstützen bewusst etwa auch Karenzierungen von Männern.

Seit gut drei Jahren erlebe ich in Interviews oft, dass Bewerber*innen betonten, sinnstiftend arbeiten zu wollen. Auch hier hat die Pandemie sicherlich einen Beitrag geleistet: Die Arbeit im BRZ ist einzigartig, Produkte und Services für die Bürger*innen Österreichs mitgestalten zu können. Unsere Mitarbeiter*innen sind an vorderster Stelle in der Arbeit für die Gesellschaft.

Report: Wie haben sich die Anforderungen der Kunden verändert?

Sumper-Billinger: Unsere Kunden fordern wesentlich mehr Innovation von uns ein und auch der Beratungsansatz ist stark in den Fokus gerückt. Die fortschreitende Digitalisierung in der Verwaltung, steigende Erwartungen an die Servicequalität, gepaart mit der bevorstehenden Pensionierungswelle im öffentlichen Dienst lassen die Anforderungen an die IT steigen. Diese Entwicklungen tragen insgesamt zu einer hervorragenden Auftragslage beim BRZ bei. Mit dem Einsatz der Kolleg*innen war unser Umsatzsprung um 100 Millionen Euro innerhalb von zwei Jahren auf über 400 Million Euro 2021 gut bewältigbar. Wesentlich dazu beigetragen haben auch unsere guten Partnerschaften mit der IT-Wirtschaft.

Report: Mit welchen Projekten ist dieser Umsatzanstieg generiert worden?

Sumper-Billinger: Es waren Themenstellungen, wie die Umsetzung der von der Bundesregierung geschnürten Corona-Hilfspakete für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer*innen – etwa der Fixkostenzuschuss und der Umsatzersatz. Im Gesundheitsbereich waren es etwa der grüne Pass, auch die weitere Modernisierung der Finanzverwaltung mit dem Unternehmensserviceportal und die fortschreitende Digitalisierung des Zolls oder der Justiz. Und schließlich erbringen wir als Full-Service-Provider mit der Übernahme des IT-Betriebs des Arbeitsmarktservices zahlreiche Leistungen – in Summe steht dies für rund die Hälfte des Umsatzanstiegs.

Report: In welcher Weise ist das BRZ vom Fachkräftemangel betroffen? Wie viele Leute suchen Sie derzeit?

Sumper-Billinger: Wie alle in der IT sind auch wir vom Fachkräftemangel betroffen, können das aber trotz unseres starken Wachstums mit verschiedenen Maßnahmen gezielt abfedern. Im BRZ sind aktuell 107 Position quer durch den Garten der IT-Skills ausgeschrieben. 198 Stellen haben wir heuer bereits besetzen können.

Report: Mit welchen Maßnahmen setzen Sie diesem Mangel entgegen?

Sumper-Billinger: In den letzten Jahren haben wir stark ins Employer-Branding investiert und konnten zuletzt auch wieder den Best Recruiters-Award in Gold in der IT-Branche gewinnen – wir gehen hier innovative Wege auch mit Social-Media-Kampagnen, um jüngere Kolleg*innen zu erreichen. So gibt es Instagram-Livetalks zu Fachthemen oder eine BRZ FemCareer Night, um speziell Frauen anzusprechen.

Insgesamt haben wir ein breites und diverses Spektrum. Wir sprechen Interessierte direkt über LinkedIn und Instagram an und haben auch Kooperationen mit Fachhochschulen, Universitäten, eine neuere Zusammenarbeit mit Pride Biz und Aktionen beim vergangenen Pride-Month im Juni oder auch mit dem Unternehmen myAbility einen Partner für die Ansprache von Menschen mit Einschränkungen. Wir haben uns auch engagiert, um aus der Ukraine Geflüchteten Jobs zu vermitteln.

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, setzen wir auch auf Ausbildung im eigenen Haus. Wir bilden heuer 40 Leute aus, beispielsweise Java-Programmierer*innen, im Operationsmanagement oder auch im Testmanagement, in SAP-Entwicklung und SAP-Betrieb. Wir haben dank dieser guten Ausbildung eine mit 5,6 Prozent vergleichsweise niedrige Fluktuation. Aufgrund der persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten halten die Kolleg*innen dem BRZ die Treue – trotz der vielen Angebote für Wechsel zu anderen Firmen, die sie erhalten.

Christine Sumper-Billinger verantwortet den kaufmännischen Bereich sowie die Personalagenden bei dem IT-Dienstleister des Bundes. Auch das BRZ sei vom allgegenwärtigen Fachkräftemangel in der IT betroffen, sagt sie. (Bild: Klaus Vyhnalek)

Report: Auf welchen Ebenen sollten wir in Österreich ansetzen, um junge Menschen für technische Berufe zu begeistern?

Sumper-Billinger: Als HR-Zuständige würde ich mir wünschen, dass entsprechende Akzente auch im Bildungssystem gesetzt werden. Mit zum Beispiel einer Unterrichtsstunde Programmieren könnten Kinder an die Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung herangeführt werden. Heute gibt es kein Berufsbild mehr, das ohne IT auskommt – auch nicht bei Mediziner*innen am Operationstisch. Kinder sind begeisterungsfähig. Daran sollten wir setzen, um dem Fachkräftemangel speziell in der IT entgegenzuwirken.

Auch wir leisten unseren Beitrag mit der Teilnahme an Initiativen wie dem Wiener Töchtertag, mit Familientagen im BRZ, um die Arbeitsplätze von Mama und Papa vorzustellen und zu zeigen, was man alles mit IT machen kann. Wir haben Lehrstellen und bieten in einer integrierten Ausbildung Trainees relativ bald an, direkt in den Projekten mitzuarbeiten. Dieses »training on the job« kombiniert mit zahlreichen Kursen wird übrigens oft auch per Mundpropaganda der Kolleg*innen weiterempfohlen. 

Report: Wie sind Ihre Teams zusammengesetzt? Oft wird von Diversität und heterogenen Teams als Garant für die Innovationskraft gesprochen. Zeigt sich das tatsächlich in der Praxis?

Sumper-Billinger: 25 Prozent der Kolleg*innen sind weiblich, was für ein IT-Unternehmen in Österreich gut ist. Der Branchenschnitt ist geringer, er beträgt um die 18 Prozent. Das BRZ ist ein – mitunter für viele überraschend – sehr offenes Unternehmen mit 172 Mitarbeiter*innen aus 35 Nationen, die einen Teil unserer Belegschaft von insgesamt 1.570 Kolleg*innen ausmachen (Anm.: Vollzeit-Äquivalente). Ob verschiedene Nationalitäten, Gendergerechtigkeit oder Inklusion – ein Unternehmen lebt von der Diversität. Diese beflügelt die Teamarbeit, fördert Innovationen und bringt in Organisationen verschiedene Sichtweisen und Anschauungen ein. Das ist gerade in öffentlichen Unternehmen wichtig, die Services für eine Bevölkerung schaffen, die ja ebenfalls divers ist.

Um das Potenzial der Vielseitigkeit heben zu können, braucht es aber einen team­orientierten Führungsstil. Positives und wertschätzendes Führen, Raum für Innovation etwa mit eigenen Challenges geben, damit Mitarbeiter*innen auch »out of the box« denken können: Innovation hängt auch stark von einer Vertrauenskultur ab, die auch Fehler zulässt. Wir setzen auch hier auf die Schulung von Führungskräften. Bei online stattfindenden oder hybriden Meetings kann das Zwischenmenschliche schnell einmal auf der Strecke bleiben. Hier sind dann Werkzeuge und Methoden gefragt, um Teams zu unterstützen.

Report: Welche Arbeitsort-Modelle ­bietet Sie?

Sumper-Billinger: Nach den positiven Erfahrungen, die wir in der Pandemie mit Homeoffice gemacht haben, haben wir die bereits bestehenden Teleworking-Möglichkeiten nochmals erweitert: unsere Kolleg*innen müssen nur an durchschnittlich zwei Tagen pro Woche im Büro vor Ort sein, wobei es hier eine flexible Durchrechnung gibt. Die Umsetzung im Detail obliegt den Führungskräften und den Teams. Aber wir wissen, dass der persönliche Austausch vor Ort weiterhin enorm wichtig ist. Mit dem Bund als Kunden, dessen Mitarbeiter*innen ebenfalls nicht vollständig im Homeoffice sind, müssen auch wir eine entsprechende Servicierung bei Besprechungen liefern.

Der Anspruch an den Arbeitsplatz hat sich jedenfalls verändert. Vor drei Jahren war es unseren Kolleg*innen sehr wichtig, neben der Homeoffice-Möglichkeit weiterhin den eigenen Schreibtisch im Büro zu haben. Heute sehen das viele anders. Weiterhin wichtig ist, Rückzugsbereiche im Büro und Plätze für Besprechungen zu haben. Unsere 60 Besprechungsräume sind allesamt für hybride Meetings ausgestattet. Wir arbeiten derzeit tiefgehend mit unseren Mitarbeiter*innen und einem externen Beratungsunternehmen an einem gemeinsam Arbeitsraumkonzept, um die unterschiedlichen Bedarfe decken zu können.

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