Bei ihrer sechsten Ausgabe erzielte die Microsoft Tech Conference 2022 einen neuen Rekord von rund 500 Besucher*innen. Ende April verwandelte sich die Expedithalle der ehemaligen Wiener Ankerbrotfabrik für zwei Tage in einen Innovation- und Tech-Hub mit 45 Speaker*innen. UPDATE: Im Gespräch mit Veranstalter Michael Swoboda.
Nach der zweijährigen Corona-Pause konnten sich Interessierte bei Österreichs IT-Veranstaltung des Jahres endlich wieder vor Ort austauschen. Was gibt es Neues im Microsoft-Umfeld rund um Digitalisierung, Internet of Things, Modern Workplace und weitere Innovationen?
Bild oben: Veranstalter und ETC-Geschäftsführer Michael Swoboda und Dominic Sabaditsch von Ingram Micro auf der Bühne in der ehemaligen Ankerbrotfabrik.
Expert*innen, Trainer*innen und Techniker*innen präsentierten in praxisnahen Demos, wie das Wissen tatsächlich angewendet werden kann. »Nach der Corona-Pause haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit die Microsoft Tech Conference auch weiter die beste Möglichkeit in Österreich bleibt, sich auf den neuesten IT-Stand zu bringen und zu vernetzen«, sagt Michael Swoboda, Geschäftsführer des Veranstalters ETC – Enterprise Training Center. »Die heutige IT ist ähnlich komplex wie der menschliche Körper, daher vertrauen immer mehr Firmen auch zu Recht den führenden Fachleuten. Ein paar der Besten haben wir mit der TC22 eine Bühne gegeben.«
Zurück zum alten Normal?
Das fragt der belgische Autor Peter Hinssen in seiner Keynote »Becoming a Phoenix«. Seine Antwort: In dieser Dekade nicht mehr. Denn gerade erleben wir einen Cocktail von »New Normals«, die das Tempo des Wandels vorantreiben. Zoom etwa hatte zu Beginn der Pandemie mit einer Bewertung von 48 Milliarden Dollar einen höheren Wert als die sieben größten Fluglinien der Welt zusammen: »Ganz einfach, weil wir aufgehört haben zu fliegen«, sagt Hinssen, »und stattdessen uns digital getroffen haben.« Unternehmen sollten sich nicht davor fürchten, sondern die Chancen des Wandels sehen, um sich wie ein Phönix aus der »Asche des Alten« zu erheben und gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Denn als das beste Gegenmittel gegen ein sich radikal veränderndes Umfeld hat sich Innovation erwiesen. Disney hat einen Phönix-Flug vorgemacht: Ihre Themenparks und Kinos mussten in der Pandemie schließen, aber ihre Streaming-Plattform erreichte so schnell 100 Millionen Abonnent*innen wie noch keine Plattform davor.
Als weiteres Beispiel nennt Hinssen den Glasproduzenten Saint-Gobain, der seine Wurzeln im 17. Jahrhundert hat. Heute generiert Saint-Gobain Glas durch Sonne und Solarpanele mehr Energie, als für seine Produktion nötig ist. Aktuell wird an Lösungen gearbeitet, Glas als Datenträger anzubieten.
Bild: Sami Laiho sieht neue Anforderungen an die Sicherheit in hybriden Arbeitsumgebungen.
Von einem »New Normal« spricht auch der finnische Windows Security-Experte Sami Laiho in seiner Session zur Zukunft von Windows Security. »Denn die Pandemie hat auch die Arbeitsweise der IT stark verändert«, sagt Laiho, »Jetzt nimmt jeder seinen Computer mit nach Hause und arbeitet an seinem Küchentisch. Wegen des Heimunterrichts müssen Mitarbeiter*innen ihren Computer ihren Kindern leihen. Das sollten sie nicht, tun sie aber trotzdem.« Unter dem »New Normal« der IT versteht Laiho allerdings den Übergang des BYOD-Konzepts (»Bring Your Own Device) hin zu »Zero Trust«, der neuen Norm für Windows-Sicherheit.
Der Begriff habe zwar einen negativen Beigeschmack, »Zero Trust« gibt User*innen aber die Möglichkeit, von Starbucks aus genauso sicher zu arbeiten wie aus dem Firmenbüro. Und zwar mit mehrstufigen Authentifizierungen, wie Push-Benachrichtigungen, die am Telefon bestätigt werden müssen. Vorbei seien die Zeiten, in denen wir vertrauenswürdige interne Netzwerke und das nicht vertrauenswürdige Internet hatten. Prinzipiell gehe es in der Unternehmenssicherheit darum, zu einem Ansatz der geringsten Rechte, Whitelisting von Anwendungen und insgesamt proaktiver Sicherheit überzugehen. So sagte Microsoft schon 2018, dass 85 Prozent aller Sicherheitsbedrohungen durch den Wechsel zu proaktiver Sicherheit gemildert worden wären.
An Partnerständen von Ingram Micro, ACP, Avanade, MP2 IT-Solutions, Nordcloud, K-Businesscom und Tech Data konnten sich die Besucher*innen zu Technologieneuigkeiten informieren.
»Wir sind seit über 20 Jahren Microsoft-Partner und regelmäßig bei Fachkonferenzen dabei. Für uns ist es wichtig, damit unsere Kunden anzusprechen ebenso wie potenzielle neue Mitarbeiter*innen«, erklärt MP2 IT-Solutions-Gründer und Inhaber Manfred Pascher. Er sieht klassische IT-Infrastrukturservices von lokalen Anbietern mit Cloudplattformen wie von Microsoft verschmelzen. »Wir sind dazu als Digitalisierungspartner gut aufgestellt«, bekräftigt Pascher.
„Vor drei Jahren wäre das unvorstellbar gewesen“
ETC-Geschäftsführer Michael Swoboda über Veränderungen im Weiterbildungsbereich, die Hand in Hand mit einer neuen hybriden Arbeitswelt geschehen.
Report: In welcher Weise haben die vergangenen zwei Jahre Unternehmen und auch das Thema Weiterbildung verändert?
Michael Swoboda: Die letzten 24 Monate waren in jeder Hinsicht markant. Österreich war bei der Digitalisierung und Cloudcomputing lange ein Nachzügler in Europa. Das hat sich jetzt komplett gedreht. Den Unternehmen ist bewusst geworden, wie abhängig man von einer funktionierenden IT ist. Und eine funktionierende IT bedeutet heute mehr als einen PC unterm Schreibtisch stehen zu haben. Vielmehr sind die Cloud und teamorientierte Kommunikationstools relevant und die Möglichkeit auch in hybriden Arbeitsumgebungen effektiv arbeiten zu können. Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Das mag nicht jedem gefallen, es ist aber so.
Im Gleichschritt hat sich die Lernlandschaft verändert. 2012 haben wir unsere virtuelle Classroom-Lösung „ETC Live“ auf den Markt gebracht und hatten damals nach anfänglich steigenden Zahlen bald eine Stagnation erreicht. Nur eine begrenzte Teilnehmer*innenzahl war bereit, sich online von zuhause oder vom Büro aus bei einem Seminar zuzuschalten. Viele waren skeptisch ob der Lernqualität und des Fehlens der räumlichen Trainingsumgebung. Und plötzlich, mit Corona, mussten wir ETC Live massiv ausbauen. Denn die Weiterbildung hat in dieser Zeit – vor allem in den Lockdowns – nur auf diese Weise funktioniert. Auch heute nehmen immer noch bis zu 70 % über Video an Schulungen teil. Natürlich freut man sich, auch wieder persönlich zu ETC kommen und dort mit anderen Teilnehmer*innen einen Kaffee trinken zu können. Trotzdem ist die Teilnahme online eine tolle Möglichkeit, um sich etwa die Zeit für die Anreise zu sparen.
Report: Welche Folgen entstehen dadurch für ihre Seminarformate?
Swoboda: Unsere Seminare finden weiterhin über beispielsweise zwei, drei oder fünf Tage statt – auch im virtuellen Raum. Hinzugekommen sind neue Lernformate: Coached Learning etwa dehnt ein Vier-Tage-Seminar auf vier Wochen aus, in denen Teilnehmer*innen teilweise von der Gruppe entkoppelt selbst den Zeitpunkt ihrer Lerneinheiten wählen können. Ergänzt werden dies dann mit Coaching-Sessions und Einheiten mit Teamarbeit. Man lernt mitunter so mehr und kann das Gelernte gleich praktisch anwenden. Vor drei Jahren wäre das unvorstellbar gewesen. Heute ist es genau dieses Maß an Flexibilität mit Homeoffice oder Arbeitszeiten mit Pausen, die vielleicht teilweise auch eine Kinderbetreuung ermöglichen, was unsere neuen Angebote boomen lässt. Dem schulden wir eine Lösung. Wir holen die Menschen heute in einer Welt ab, in der sie eine freiere Zeiteinteilung gewohnt sind. Man geht nicht mehr „from 9 to 5“ ins Büro. Lernen hat sich verändert und es ist etwas, das einen konstant begleitet.
Report: Wird es in Zukunft also vor allem Online-Lernformate geben?
Swoboda: Nicht ausschließlich. Wir merken immer noch, dass Menschen auch begleitet werden wollen. Die persönliche Anleitung ist weiterhin wichtig, insbesondere wenn man sich mit Neuem beschäftigt. Deswegen sind gemischte Formate mit selbst wählbaren Einheiten in Kombination mit Trainer*innen-Sessions und Gruppenarbeit so essenziell. Es ist wie beim Fußball: Ein Coach peitscht die Mannschaft auf das Spiel ein, motiviert und erklärt Spielzüge. Auch unsere hybriden Lernformate beginnen stets mit einer Einheit, in der zuerst einmal Wesentliches zu den Inhalten, Erwartungen und Zielen erläutert wird.
Report: Müssen Online-Lerneinheiten anderes gestaltet werden?
Swoboda: Mit den Fragestellungen der lerndidaktischen Optimierung von videobasiertem Training beschäftigt sich bei ETC ein Team von 15 Expert*innen. Beispielsweise sind Zehn-Minuten-Wissenseinheiten zu lang für Video – wir erstellen unsere „Nuggets“ in einer Länge von durchschnittlich ein bis drei Minuten. Das ermöglicht ein einfaches Anschauen auch einmal zwischendurch zuhause. Wissen wird damit völlig neu vermittelt. Hybrides Lernen bedeutet bei uns mehr als aufgezeichnete Mitschnitte von Live-Sessions, sondern eigens produzierte Lernvideos in Kombination mit der Wissensvermittlung durch Trainer*innen tatsächlich live am Bildschirm oder in Präsenz in einer unserer Niederlassungen.
Inhalte gibt es auf dieser Welt unendlich viele. Reine Onlineformate setzen sich trotzdem nicht durch. In den vergangenen Jahren wurden von Unternehmen zwar oft E-Learning-Produkte um teures Geld angeschafft. Aber nur Videos anschauen – ohne Interaktion, Support und die Möglichkeit des Fragenstellens – wird von den Mitarbeiter*innen nicht akzeptiert. Lernen lässt sich nicht zu hundert Prozent digital abdecken.
Das Miteinander ist etwas sehr Menschliches, Lernen ist eben ein sozialer Akt.