Freitag, November 22, 2024
Geld anlegen per Robo-Advisor?
Tobias Leodolter ist CIO und Co-Founder von rendity.

Was kann der automatische Anlageberater? Ein Gastkommentar Tobias Leodolter, CIO und Co-Founder rendity.

Künstliche Intelligenz, Robotics und Automatisierung sind mittlerweile im Alltag der Menschen angekommen und machen das Leben in vielen Bereichen einfacher. Ein populäres Beispiel in diesem Zusammenhang sind Spracheingabe- und Fernsteuerungsmöglichkeiten via Smartphone. Auch aus der digitalen Vermögensverwaltung ist der Megatrend Robotik nicht mehr wegzudenken. Künstliche Intelligenz, in Form von sogenannten Robo-Advisors, wird heute für die Umsetzung optimaler Anlagestrategien genutzt. Robo-Advisors sollen bei der Diversifikation von Portfolios passende Produkte finden und durch die Beantwortung von Fragen die richtige Anlage für jeden Nutzer identifizieren. Eine Statista-Umfrage zeigt, dass Robo-Advisors im Jahr 2020 ein Vermögen von insgesamt 1 Billion US-Dollar verwalteten. Heuer wird der gesamte Markt voraussichtlich um weitere 33 % wachsen und einen Wert von über 1,4 Billionen US-Dollar erreichen. Aber was bedeutet es, wenn künstliche Intelligenz Vermögen verwaltet? Und wie können diese Systeme überhaupt intelligent zum Geld anlegen einsetzt werden?

Was macht ein Robo-Advisor?

Ein Robo-Advisor ist ein auf digitaler Technik basierendes System zur automatisierten Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Es handelt sich um eine Software, die nach einem bestimmten Algorithmus Anlagemöglichkeiten vorschlägt und so das Portfoliomanagement für den Kunden übernimmt. Mit der Genehmigung des Nutzers kann der Robo-Advisor auch eigenständig Anlageentscheidungen über einen zur Verfügung gestellten Betrag tätigen. Dadurch können auch unerfahrene Anleger Geld anlegen, ohne sich lange Zeit mit Anlageprodukten beschäftigen zu müssen. Während bei der klassischen Anlageberatung ein menschlicher Berater Risiken und Aussichten abschätzt, richtet sich der Algorithmus nach den vorliegenden Daten. Kurz gesagt: Der Robo-Advisor schaut sich vergangene Entwicklungen an, erkennt Muster und lernt daraus – immer weiter.

Drei Typen der Robo-Advisors

Bei der Umsetzung der errechneten Anlagestrategie lassen sich drei Robo-Advisor-Typen unterscheiden:

- Der Full-Service-Robo-Advisor übernimmt die komplette Vermögensverwaltung und kümmert sich auch selbstständig um das Rebalancing, also die stetige Anpassung der Anlagestruktur.

- Der Half-Service-Robo-Advisor bietet einen eingeschränkten Service an. Er empfiehlt seinem Kunden zwar Anlageprodukte im Rahmen einer Anlagestrategie, sobald allerdings die Anlagestruktur angepasst werden muss, braucht er die Zustimmung des Anlegers.

- Der Self-Service-Robo-Advisor kann als eine Art Ratgeber betrachtet werden. Er gibt dem Anleger lediglich Tipps zum Thema Geldanlage. Die Vermögensverwaltung (Depoteröffnung, Käufe, Verkäufe, Rebalancing) muss der Anleger gänzlich in Eigenregie meistern.

Vorteil des Robo-Advisors: Er hat keine Emotionen

Während Anleger häufig vor ihrem Portfolio sitzen, überlegen, ob sie eine Risikostreuung vornehmen, oder auf sichere Produkte setzen sollen, wie hoch die Rendite wirklich sein muss und ob sich eine Investition lohnt, entscheidet der Robo-Advisor innerhalb von Sekunden. Sobald sich der Markt verändert, kann der Algorithmus darauf reagieren. Er analysiert die Kurse und weiß, wo ein Zufallsrisiko einzuberechnen ist. In Studien haben Finanzökonomen herausgefunden, dass Menschen vor allem den Verlust von Vermögen bereuen. Da der Robo-Advisor keine emotionalen Entscheidungen tritt, interessiert sich nicht für den Verlust. Er reagiert auf das Minus, indem er neu investiert, bis die Summe wieder ausgeglichen ist. Auch für Anleger wäre diese Strategie umsetzbar, wenn sie die investierten Beträge komplett von ihrer Wahrnehmung materieller Werte entkoppeln könnten. Aber Menschen investieren gern in Produkte, die sie kennen, vermeintlich verstehen und die sie als vertrauenswürdig einschätzen. Auch ein anderer Aspekt, die Markenbindung, ist dem Robo-Advisor egal. Ein Anleger, der beispielsweise der Deutschen Bank positiv gegenübersteht und der Bank of America negativ, wird nicht in Wertpapiere der letztgenannten investieren. Durch die emotionslose Verfolgung aller Kurse kann der Robo-Advisor mit Investitionen in Amerika oder Asien möglicherweise höhere Gewinne erzielen als in deutschen Fonds.

Robo-Advisor versus Anlageberater

Auch wenn Robo-Advisors rationalere und profitablere Entscheidungen treffen, können sie den Anlageberater jedoch nicht gänzlich ersetzen. Denn die Branche lebt auch davon, dass Berater Anlagetipps für den Kunden bereithalten, die er selbst zur Geldanlage noch nicht in Betracht gezogen hat. Zum Beispiel werden alternative Finanzprodukte wie Crowdinvesting vom Robo-Advisor meist nicht im Portfolio berücksichtigt. Während sich der Robo-Advisor auf klassische Anlageprodukte rund um den Kapitalmarkt fokussiert, kann ein Finanzberater reflektieren, welche Produkte für den jeweiligen Kunden geeignet sind und ihn von einer besser passenden Option überzeugen. Gerade Großanleger werden sich weiterhin für die Anlagetipps menschlicher Experten interessieren. Aber auch Anleger, die eine emotionale Bindung zu ihrem Kapital haben, werden ihr Geld keinem Algorithmus überlassen, der, für sie, intransparent diversifiziert. Letztlich ersetzen Robo-Advisors keine erfahrenen Fachkräfte, aber sie können sie ergänzen: In Form eines „Hybrid Advisors“, der sowohl die Vorteile der traditionellen als auch der robotergestützten Anlageberatung in sich vereint.

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