Donnerstag, Februar 06, 2025

Wenn Adblocker Werbung verkaufen, wird ein ohnehin an den Grundfesten des Publizierens im Internet rüttelnder Service endgültig zum Erpressertum.

Der einen Werbungsblocker verwendet, will keine Werbung im Internet sehen – und das meist aus gutem Grund. Auf der Jagd nach jedem Klick hat sich das Geschäft mit Werbeeinschaltungen auf allen möglichen Internet­seiten zur für viele Leser unerträglichen Belastungsprobe entwickelt. Popups, die das Lesen erschweren, nervig losplärrende Werbevideos, seitenfüllende Anzeigen, die sich vor den Text schieben, und aufdringliche Stylings, die ganze Startseiten mit den oft nicht unbedingt gut lesbaren Farben des bezahlenden Werbekunden kolorieren, haben wohl bei fast allen Internetnutzern früher oder später schon für Ärger gesorgt.

Die Lösung für viele: ein Adblocker. Eine Vielzahl der kleinen Browser-Erweiterungen schaltet Werbungen im Internet seit Jahren radikal ab, geschätzt knapp 200 Millionen Internetnutzer nutzen die eine oder andere Variante davon.

Für jedes schwierige Problem gibt es eine einfache Lösung – und die ist falsch, wie es so schön heißt. Denn die Radikalkur, sämtliche Werbung zu blockieren, führt zwar wie gewünscht zur Werbepause, sie hat aber auch unerwünschte Nebenwirkungen: Die sich seit Jahren verstärkende Krise von Verlagen und des Journalismus im Ganzen ist auch durch das Wegbrechen von Werbeeinnahmen just wegen der Zunahme von Adblockern bedingt.

Gratiscontent im Internet finanzierte sich eben hauptsächlich durch Online-Werbung, doch die erreicht immer weniger Leser. Dass die verbleibenden, ohne Werbestopp surfenden Seitenbesucher dann ausgerechnet deshalb noch aggressiver beworben und somit belästigt werden, ist ebenso ein Kollateralschaden wie die Zunahme von Clickbait-Journalismus à la Buzzfeed, der billig produziert und schnell geklickt wird. »Fünf Gründe, weshalb guter Online-Journalismus ausstirbt – Nummer drei wird Sie schockieren!«

In der Zwickmühle

Die Lösungsansätze für das Dilemma sind ebenso unterschiedlich wie mäßig erfolgreich. Bezahlsperren im Netz, treuherzige Aufforderungen, den Adblock auszuschalten sowie technische Gegenmaßnahmen konnten die zerrüttete Beziehung zwischen den von Werbungsgeld abhängigen Seitenbetreibern und werbemüden Kunden nicht kitten. Die kostenlose Bereitstellung von Nachrichten, Reportagen und anderen Inhalten ist zur Selbstverständlichkeit geworden – dass dies durch Werbung finanziert wird, wird vor allem bei kleineren Seiten als Zumutung betrachtet. Dass in diesem Drama nun ausgerechnet Adblock Plus, einer der größten kommerziellen Werbeblock-Anbieter, sich als kompromissbereiter Vermittler vorstellt, lässt sich mit dem Wort Chuzpe ganz gut zusammenfassen.

Adblock Plus wolle künftig nämlich verstärkt ein heikles Geschäftsfeld ins Auge fassen: Werbung. Schon das seit Jahren umstrittene »Acceptable Ads«-Modell der Firma sorgte für gehobene Augenbrauen, erlaubte es doch schon bisher trotz Werbeblock die Anzeige von speziellen, bei Adblock akzeptierten »sanften« Werbeformen. Schon seit Jahren bezahlen Werbetreibende Adblock Plus dafür, in den verhältnismäßig kleinen Kreis dieser »Whitelist« aufgenommen zu werden. Mit dem Mitte September angekündigten Marktplatz für das »Acceptable Ads«-Programm soll diese fragwürdige Zweitnutzung eines Werbeblockers als Werbeplattform fundamental erweitert und ausgebaut werden.

Gegen eine prozentuelle Beteiligung an den erlös­ten Umsätzen können sich werbende Firmen das Privileg erkaufen, bei Nutzern des Werbeblockers auf Internetseiten anstelle der vom Seitenbetreiber geschalteten Werbeanzeigen dargestellt zu werden. Im Gegenzug könnten sich die Publikationen auch bequem Werbetreibende aus dem Marktplatz aussuchen, um so zumindest ein paar Anzeigen an ihre Besucher zu bringen.

Die Beziehung zwischen Medien, die von Werbung leben, und ihren Konsumenten, die sich davon oft gestört fühlen, wird sich dadurch wohl kaum verbessern. Nur für einen sieht diese Zukunft rosig aus: den Gatekeeper, der von beiden Seiten dafür kassiert, dass er ein Geschäft, das er zuvor fast zerstört hat, gegen Gebühr wieder aufleben lässt.

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