Die Mobilfunker dieser Welt präsentierten sich beim größten Branchenevent der Welt in Barcelona ungebrochen. Der Datenboom sorgt für vergleichsweise gute Laune.
Vitorio Colao ist Chef des führenden Mobilfunkanbieters Vodafone und gleichzeitig einer der Hauptsponsoren des Mercedes-McLaren-Rennteams. Deshalb seine rhetorische Frage: »Was sollen wir in diesem wirtschaftlichen Umfeld tun: Vollbremsen oder intelligent Fahren? Weltmeister Luis Hamilton ist in unserem Team und er würde sagen: Beides!«
Der Mann am Steuer von Vodafone ist ein nüchterner Analytiker und bringt auf den Punkt, was seine Branche von anderen unterscheidet: Sie wächst. Mobilfunk legte 2008 um sieben Prozent zu, das Datenvolumen steigt um 19 Prozent, und das Zusammenwachsen mit dem Internet sorgt für ein zusätzliches Plus. Das ist ziemlich Vollgas, gleichzeitig aber, und auch das präsentiert Colao, werden Preise scharf eingebremst. Der Umsatz pro Nutzer sinkt und gleichzeitig muss heftig in Netze investiert werden, um die Anforderungen an die Datennutzung zu erfüllen.
Adolfo Hernandez, Präsident der Alcatel-Lucent Region Europa, Mittlerer Osten, Afrika (EMEA), zitiert den Apple-Effekt. »Als das iPhone online ging, verzehnfachte sich das Datenvolumen in den Netzen. Was wir jetzt sehen: Die mobile Welt und das Web wachsen zusammen.« Verstärkt wird der Effekt dadurch, dass das Apple-Beispiel Schule macht. Steve Ballmer, Microsoft-Boss, kündigte im Hotel Catalyna in Barcelona an, dass sein Unternehmen dem Beispiel von Apple folgen werde und einen eigenen Microsoft-Mobile-Marktplatz anbiete, natürlich auf Basis von Windows Mobile 6.5, das Ende des Jahres marktfähig sein soll.
Zuvor hatte bereits Google mit Android ähnliches vorgemacht. RIM, der Hersteller von Blackberry, und auch Nokia kündigten eigene Marktplätz an. Application-Stores erwiesen sich als der Ankündigungsrenner von Barcelona. Ballmer brachte die Microsoft-Überlegung auf den Punkt: »500.000 Entwickler arbeiten weltweit , um für Microsoft mobile Anwendungen zu programmieren. Wir helfen ihnen, ihre Produkte unter die Leute zu bringen.« Auch hier stand Apple Pate, mit dem Geschäftsmodell nämlich. Die Mannschaft rund um Steve Jobs verdient an der Anwendungsbörse über
eine 30-prozentige Provision hervorragend. Der Suchdienst Yahoo! Mobile – vor allem in den USA ein Schwergewicht
– will sich dazu einen festen Platz auf den Benutzeroberflächen der Handys sichern und zum Ausgangspunkt jedes Suchvorgangs werden.
Neue Handset-Ritter
Genauso wie die Software- und Internetgiganten dieser Welt drängen auch klassische PC-Hersteller ins Geschäft um die Smartphones. Acer etwa, der drittgrößte PC-Hersteller, präsentiert eine Serie – DX900, M900, F900 und X960 – von Smartphones, die die Vorteile des iPhone – den großen Screen – mit den Vorteilen von Blackberry – der Tastatur – verbinden will. Fujitsu hat ähnliche Schritte angekündigt und auch Dell will sein stagnierendes PC-Geschäft mit Handys aufpeppen.
200 Millionen Smartphones werden derzeit verkauft und der Markt wächst um 15 Prozent jährlich. Von allen Seiten drängen Anbieter in den mobilen Markt und die Netzbetreiber plagt eine von Vitorio Colao, dem Vodafone-Chef, formulierte Sorge: »Wie profitieren wir vom Boom und laufen nicht Gefahr, bloß die Infrastruktur für Geschäfte anderer
bereitzustellen?« Gerade die Application-Stores bieten dafür einen guten Ansatz. »Mobilfunker sind Rechnungsprofis«, erklärt Colao. »Im Verrechnen von Diensten haben sie viel Erfahrung, die sie genau dafür sinnvoll anbieten können.«
Der Vodafone-Chef als Branchenprimus richtete auch einen Appell an seine Kollegen: »Lasst uns in diesen Zeiten stark genug sein, um nicht nach Subventionen zu betteln. Die Telekommunikationsindustrie ist der Motor der wirtschaftlichen Erholung. Wir sind Teil der Lösung – und nicht Teil des Problems.«
LTE: Vierte Generation
Der Datenboom braucht leistungsfähige Netze. Das sagt sich der amerikanische Mobilfunkbetreiber Verizon Wireless und verlautbarte in Barcelona, dass er das Netz der vierten Generation von Alcatel Lucent und LM Ericsson bauen lassen werde. Long Term Evolution (LTE) heißt die Technologie, die unter Integration bestehender Strukturen das Letzte aus den Netzen herausholt. Für Alcatel-Lucent stellt der Auftrag einen dringend benötigten Erfolg dar. Die Fusion hatte sich unerwartet schwierig gestaltet und von Analysten war im Vorfeld der Messe in Barcelona immer wieder gemutmaßt worden, Alcatel-Lucent werde sich aus dem Mobilfunkbereich zurückziehen. Diese Gerüchte erhielten
durch den Großauftrag eine Abfuhr.