Neue Technologien filtern Kohlendioxid aus der Atmosphäre und machen den Klimakiller sogar zur Energiequelle.
Kohlendioxid aus der Luft absorbieren und für sich selbst zu nutzen – was für Pflanzen ganz normal ist, kommt Menschen noch immer wie Science-Fiction vor. Nur an einigen wenigen Quellen des den Treibhauseffekt auslösenden Gases, an den rauchenden Schloten der Schwerindustrie, kommen inzwischen schon Kohlendioxid-Waschanlagen zum Einsatz – und dieses Kohlendioxid muss dann möglichst tief und möglichst sicher für möglichst immer endgelagert werden. Doch der Großteil des CO2 gelangt nach wie vor in die Atmosphäre des Planeten – und bleibt dort. Eine Handvoll Unternehmen weltweit sind aber angetreten, das zu ändern.
Beim kanadischen Unternehmen Carbon Engineering zum Beispiel arbeitet man mit Hochdruck an einer Lösung, die CO2 aus der Atmosphäre saugen und dieses dann weiterverarbeiten soll. Eine smarte Idee, die auch Bill Gates finanziell unterstützt. Vereinfacht gesprochen funktioniert das System wie folgt: Mittels gewaltiger Ventilatoren wird Außenluft angesaugt, die dann durch eine kohlendioxidbindende Flüssigkeit geleitet wird. Diese nimmt 80 Prozent des CO2 auf und wird anschließend zu Kalziumkarbonatpellets weiterverarbeitet – bei hohen Temperaturen geben diese das CO2 wieder ab. Durch Zugabe von Wasserstoff lässt sich aus dem aus der Luft gewonnenen Kohlendioxid relativ einfach Treibstoff herstellen – Diesel aus der Atmosphäre. Eine kleine Pilotanlage in Calgary macht es im kleinen Stil bereits jetzt vor: Aus einer bis zwei Tonnen Kohlendioxid entstehen dort täglich etwa 500 Liter Diesel. Der Strom, der für den Prozess aufgewendet werden muss, wird schon jetzt zum Teil aus erneuerbaren Energien gewonnen, und beim Verbrennen des so gewonnenen Diesels entsteht im Unterschied zu fossilen Brennstoffen keine zusätzliche CO2-Belastung der Atmosphäre. Ein Nullsummenspiel mit Zukunft.
Neue Konzepte
Auch in Deutschland arbeitet man fieberhaft an dieser Energievision. Die Dresdner Firma Sunfire forscht dabei an vorderster Front, und das mit Etappenerfolgen: Bereits im April konnte die deutsche Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) voller Stolz und publikumswirksam ihren Dienstwagen mit aus Kohlendioxid gewonnenem Sprit betanken. Der vom Forschungspartner Audi zeitgeistig »E-Diesel« getaufte Treibstoff wird durch Hochtemperatur-Wasserstoff-Elektrolyse hergestellt, ein ähnliches Verfahren wie beim kanadischen Konkurrenten.
Die Ausfilterung des Klimagifts aus der Atmosphäre übernimmt dabei der Schweizer Partner Climeworks. Das ETH-Unternehmen sieht übrigens nicht nur in groß dimensionierten Industrieanlagen wie jenen von Carbon Engineering oder Sunfire zukünftige Einsatzmöglichkeiten. Auch die Versorgung von Gewächshäusern mit zusätzlichem CO2 lässt sich durch Kohlendioxidgewinnung aus der Atmosphäre vereinfachen. Und die Getränke- und Lebensmittelindustrie in Entwicklungsländern sieht man ebenso als zukünftige Abnehmer des aus der Luft gefilterten Kohlendioxids; in manchen Regionen macht der Transport der für Kohlensäure oder Haltbarmachung benötigten Gasmengen einen bedeutenden Anteil an den Kosten aus, die durch lokale Herstellung aus atmosphärischem CO2 vermieden werden können.
Auch wenn sich die Prototypen der kanadischen, deutschen und anderen international tätigen Technikpioniere in hoffentlich naher Zukunft in der Praxis und im großen Stil durchsetzen werden: Eine Abschwächung des Klimawandels wird durch technologische CO2-Gewinnung aus der Atmosphäre nicht zu erwarten sein. Stattdessen stellt die Technologie besonders im Verbund mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen aber einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einem sinnvolleren Umgang mit begrenzten Ressourcen dar. Auch aus dünner Luft lässt sich so Energie gewinnen.