Fazit der Hannover Messe im April: Vernetzung ist heute entlang der gesamten industriellen Wertschöpfungskette gefragt. Dabei breitet die »Integrated Industry« ihre Fühler auch auf das Energienetz aus. Karin Legat aus Hannover
Eine Studie des Züricher Thinktanks Future Matters besagt, dass schon im Jahr 2018 mehr als die Hälfte der neuen Endgeräte aus den Bereichen Elektrogroßgeräte und Unterhaltungselektronik untereinander vernetzt werden können – und zu diesem Zeitpunkt soll die lokale Erzeugung und Speicherung von elektrischer Energie erstmals günstiger als die zentrale Erzeugung und Verteilung sein. Die Schweizer Zukunftsforscher sehen als wesentlichen Umbruch die »Smartness« von Energieverbrauchern und die Smart-Grid-Technologie. Nils Herzberg von SAP: »Der Energiebereich profitiert durch die neue Denkweise. Das Verständnis von Stromflüssen bildet die Basis für Energiemanagement.«
Smart Grid war zentrales Thema in Hannover – einerseits als Kernthema des Smart Grid Forums, bei dem die Anforderungen an das Stromnetz inklusive der stärkeren Abstimmung zwischen Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Verbrauch diskutiert wurden. Andererseits stellten Unternehmen fertige Industrielösungen vor. Zu den Smart-Grid-Ausstellern zählte unter anderem Siemens. Das Unternehmen war mit »Ruggedcom« in Hannover, einem redundanten Kommunikationsnetzwerk, das in jeder Smart-Grid-Anwendung einsetzbar ist. Der taiwanesische Hersteller Delta hat sein neues, intelligentes Batterieenergiespeichersystem »Flex E3« vorgestellt. Es erreicht eine Energieeffizienz von mehr als 96 % und bildet eine perfekte Smart-Grid-Controller-Plattform für Energiespeicherung und -verbrauch. In die smarte IT ging es unter anderem mit GreenPocket. Das Kölner Unternehmen bietet Energieversorgern und Serviceprovidern innovative Applikationen, mit denen Haushalte und Gewerbe ihren Energieverbrauch steuern und nachhaltig optimieren können.
Das Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien präsentierte eine individuell erweiterbare Hard- und Softwarelösung für das Energiemonitoring in produzierenden Unternehmen vor allem im Maschinen- und Anlagenbau. In einem Fertigungslabor der TU wurde ein umfassendes Monitoring umgesetzt, in welchem unterschiedliche Sensor- sowie Betriebsdaten von Maschinen visualisiert und interpretiert werden.
Beste Energieeffizienz
Die beste Energie sowohl für Industrie wie auch Privat ist die eingesparte. Hier punktet der Abgastechnikspezialist Schräder. Durch die Wärmerückgewinnung aus Abgasen wird der Brennstoffeinsatz verringert, die Schadstoffemission reduziert und Rohstoffressourcen werden geschont. Die Technologie eignet sich überall dort, wo hohe Abgastemperaturen entstehen, wie bei Wärmeerzeugung und Produktionsprozessen. Unter Energieeffizienz fällt auch die Windturbinenautomatisierung von Siemens. Durchgängige Netzwerktechnik sorgt für eine reibungslose Zustandsüberwachung sowie Messdatenübertragung und beugt Energieverlusten vor.
Das Thema Energieverlust spricht auch Alexander Horch an, Wissenschafter am Deutschen ABB Forschungszentrum. »Mit unserem kunststoff-isolierten Gleichstromkabelsystem, das eine Spannung bis 525 Kilovolt verträgt, reduzieren wir den Leitungsverlust über weite Strecken auf ein Minimum.« Das Kabelsystem ist das weltweit leistungsstärkste, eignet sich für hohe Spannungsebenen. Neben Kabelsträngen bilden Schaltanlagen einen entscheidenden Faktor bei der Energieübertragung. Energie muss geschalten werden, um etwa bei einem Kurzschluss oder bei Wartungsarbeiten einen Teil des Stromnetzes zu trennen. Dafür gibt es laut Horch viele Möglichkeiten. »Wo ausreichend Platz ist, zum Beispiel außerhalb der Städte, sind die bisherigen Trenner und Leistungsschalter das Mittel der Wahl. Wir haben nun aber eine gasisolierte Schaltanlage auf der Basis von Hexaflourid, SF6, entwickelt.« Dieses Gas isoliert dreimal so gut wie Luft, wodurch die Schaltanlage sehr kompakt ausgeführt werden kann. Unmittelbar verbunden mit Energieeffizienz ist das Thema Produktionsausfall.
Dazu bietet Weidmüller eine Lösung: die kontaktlose Energieübertragung, die speziell für breite Anwendungen im industriellen Umfeld entwickelt wurde. »FreeCon Contactless« überträgt Energie mittels induktiver Resonanzkopplung über einen Luftspalt, der Wirkungsgrad erreicht bis zu 90 %. Bislang erfolgen Energieübertragungen in der industriellen Automatisierung in der Regel mit Steckverbindern. Abgebrannte, verbogene oder verschmutzte Kontakte waren und sind ein häufiger Grund für zeit- und kostenintensive Produktionsausfälle.
Neue Industriekultur
Die Industrie der Zukunft wird sich bei Produktion und Energiemanagement deutlich vom heutigen Status unterscheiden. Statt einer Ansammlung isoliert wirtschaftender Betriebe wird ein vernetztes, hocheffizientes und flexibles System mit intelligentem Energiemanagement agieren. Forscher und Firmen entwickeln unter dem Label Industrie 4.0 gemeinsam diese künftige Produktionsweise. In lernenden Energieeffizienznetzwerken unterstützen sich kooperierende Firmen gegenseitig dabei, ihre Produktion energieeffizienter auszurichten. In zwei EnEff:Stadt-Projekten erarbeiten Forscher Modelle für eine energetische Vernetzung.