Sonntag, Dezember 22, 2024
Nicht allen haben die Turbulenzen auf den Aktienmärkten geschadet: Dank saftig erhöhter Preise trotzen die
Energieversorger der Finanzkrise. Mittelfristig werden aber auch erneuerbare Energien profitieren.

 

 

 

2007 war für die meisten österreichischen Energieunternehmen ein Traumjahr. Für die Konsumenten allerdings weniger. Durch kräftige Erhöhungen der Strom- und Gaspreise konnten fast alle Anbieter ansehnliche Gewinne einfahren, als von einer drohenden Finanzkrise nur im fernen Amerika die Rede war. 
2008 könnte trotz der dramatischen Kursstürze und Bankenpleiten ein ähnlich erfolgreiches Jahr für die Energieversorger werden. Wie kaum eine andere Branche überstand der Energiesektor die Turbulenzen relativ unbeschadet. Verlierer sind wie zumeist die Konsumenten, denn die Zuwächse resultieren auch heuer wieder aus saftigen Preiserhöhungen.

  

Preisexplosion

 

In Niederösterreich stieg der Preis für Gas ab 1. November um satte 28 Prozent, in Wien ab 15. November um 21,6 Prozent. Auch der Strom wurde empfindlich teurer – in Wien um acht Prozent, in Niederösterreich um zehn Prozent. Andere Bundesländer waren kaum zurückhaltender, Salzburg hatte die Energiepreise bereits per 1. Oktober angehoben. Die Steirische Gas Wärme schnalzte den Gaspreis um 26,3 Prozent hinauf. Burgenland, Tirol und Vorarlberg kündigten Preiserhöhungen für Dezember bzw. Jänner an – zu diesem Zeitpunkt rudern die ersten Energieversorger jedoch bereits zurück.

Noch im Oktober hatte die EnergieAllianz (EAA) die Anhebung mit der »dramatischen Preisentwicklung auf den internationalen Energiemärkten begründet«. Die Erhöhungen seien im Vorjahr aufgrund der gestiegenen Großhandelspreise auch gerechtfertigt gewesen, meint Walter Boltz, Chef der Aufsichtsbehörde E-Control. Allerdings nicht in diesem Ausmaß.

Die nochmalige Anhebung zu Beginn der Heizsaison entbehrt aber jeder Grundlage, ist doch der Ölpreis, an den der Gaspreis mit vier- bis sechsmonatiger Verzögerung gekoppelt ist, zuletzt deutlich gesunken. Heftige Proteste seitens der E-Control, aber auch vieler Kunden – 1.300 Niederösterreicher erwogen einen Anbieterwechsel – zwangen nun die EVN zu einer Rücknahme der Erhöhung. Einziger Wermutstropfen: Die Senkung des Gaspreises erfolgt in zwei Schritten, am 15. Jänner um zehn und am 15. März um acht Prozent. Bleibt noch immer ein kräftiges Plus von zehn Prozent.

  

Ungewisse Zukunft

 Auch die deutschen Energieversorger zeigen sich dank hoher Strompreise resistent gegen die Finanzkrise. Die RWE, Deutschlands zweitgrößter Anbieter, konnte ihr Betriebsergebnis in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahrs erneut um 5,1 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro steigern. Das für die Dividendenausschüttung relevante Nettoergebnis stieg sogar um knapp 20 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro. Für 2008 erwartet der Essener Konzern ein Umsatzplus von mehr als zehn Prozent.
Trotz dieser beträchtlichen Zuwächse will RWE-Finanzvorstand Rolf Pohlig weitere Anhebungen des Strompreises nicht ausschließen. »Wir sind jetzt in einer guten Position, um neue Wachstums-potenziale zu erschließen«, meint Pohlig. Die Preise für Kraftwerkskomponenten und Beteiligungen könnten schon bald infolge geringerer Nachfrage sinken.Tatsächlich prognostiziert das internationale Marktforschungsinsitut A.T. Kearney in einer aktuellen Studie für die kommenden zwei Jahre einen massiven Rückgang der Merger- und Acquisitionstätigkeiten (M&A) in der Energiebranche. Das Volumen derartiger Deals wird von heuer 382 Milliarden Euro um mehr als 30 Prozent auf rund 260 Milliarden Euro im Jahr 2013 sinken. Grund dafür ist vor allem die eingeschränkte Liquidität der Konzerne. Profitieren würden daher organisch gewachsene Unternehmen mit stabilen Cashflows.

»Fusionen und Übernahmen sind seit der Liberalisierung die größten Wachstumsmotoren von führenden Energieversorgern geworden«, erklärte Matthias Cord, Vice President und Leiter des europäischen Ablegers von A.T. Kearney, bei der Präsentation der Studie. Nicht zuletzt aufgrund des verstärkten Interesses von Finanzinvestoren ist eine weitere Marktkonzentration von derzeit 21 auf 28 Prozent zu erwarten.

 

 

Kaufgelüste

 Der Hunger der Energieriesen ist nach wie vor ungebrochen. Ende September, am Höhepunkt der Finanzkrise, übernahm der Energiekonzern Electricité de France (EdF) seinen Konkurrenten British Energy um die stolze Summe von 15,6 Milliarden Euro. Mit diesem Schachzug sicherten sich die Franzosen die Nutzungsrechte für Grundstücke jenseits des Ärmelkanals zum Bau neuer Atomkraftwerke – und stach abermals die deutsche Konkurrenz eiskalt aus.

Den ebenfalls interessierten deutschen Konzerne RWE und Eon war der Deal dann doch eine Nummer zu groß. Der Kaufpreis beträgt etwa das 15-fache des Vorsteuergewinns der British Energy, branchenüblich sind Kaufangebote in siebenfacher Höhe. Bedenken signalisierten die RWE-Aufsichtsräte aber auch aus ökologischen Gründen. Seit die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 den Atomausstieg beschloss, beschränken sich die deutschen Energiekonzerne auf den Betrieb konventioneller Kraftwerke, die aber wegen der EU-Emissionsnormen zunehmend teurer werden. Die staatliche EdF muss dagegen weder widerständische Aktionäre noch die Europäische Kommission fürchten und spart mit den CO2-armen Atomkraftwerken jährlich mehrere Milliarden Euro an Abgaben. Durch diesen Wettbewerbsvorteil verdiene die EdF so viel, »dass sie nach fünf Jahren praktisch jedes andere Energieunternehmen kaufen könnte – außer vielleicht Gazprom«, klagte RWE-Chef Jürgen Großmann im deutschen »Handelsblatt«.

  

Öko im Trend

 Ein Ausweg aus der Misere könnte das Ökostromgeschäft sein, wo sich die deutschen Riesen RWE und Eon ebenfalls stark engagieren. Nach Einschätzung der Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) werden die erneuerbaren Energien zu den Gewinnern der Finanzkrise zählen. Nachhaltige Investments in den Klimaschutz seien in dem stark verunsicherten Finanzsektor auf der »sicheren« Seite angesiedelt – Kapitalanlagen in Wind- und Solarparks, aber auch in Firmenfinanzierungen würden zunehmend attraktiver, so Kemfert.
Eine milliardenschwere Kooperation hat Eon erst kürzlich mit Siemens geschmiedet. Der Elektronikkonzern liefert 500 Windradanlagen an den Energieversorger, mit geschätzten Gesamtkosten von 1,38 Milliarden Euro ist der Vertrag für Siemens »das bisher größte Rahmenabkommen im Windenergiegeschäft«, so der Chef der Sparte erneuerbare Energien, Rene Umlauft. In den nächsten vier Jahren will Siemens vom sechst- zum drittgrößten Hersteller von Windkraftanlagen weltweit aufsteigen. Der Konzern liegt gut auf Kurs: Allein im zuletzt präsentierten dritten Quartal hat sich das Auftragsvolumen mit rund 2,1 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr verdreifacht.   

   

Berg- und Talfahrt für Energieaktien

 So viel vorweg: Die Finanzkrise ist auch an börsenotierten Energiekonzernen nicht spurlos vorübergegangen. Verglichen mit anderen Unternehmen scheinen sie aber noch einmal mit einem blauen Auge davon zu kommen.

Die heimischen Energieversorger mussten durchwegs drastische Kursstürze verkraften – so verlor die EVN-Aktie innerhalb eines Jahres mehr als 50 Prozent ihres Werts, der Verbund immerhin rund 35 Prozent. Die Talfahrt scheint momentan gestoppt, große Sprünge sind an der derzeit depressiv gestimmten Wiener Börse aber kaum zu erwarten. Die EVN zeigt sich dennoch optimistisch und will in den kommenden zwei Jahren über 750 Millionen Euro in Niederösterreich investieren. Auf Höhenflüge, die seit 2006 die Anleger verwöhnten, müssen auch OMV-Aktionäre vorerst verzichten. Minus 66 Prozent im letzten Jahr und die gescheiterte Übernahme der ungarischen MOL geben wenig Anlass zur Hoffnung. Der bedingt durch die schlechten Konjunkturdaten weiter fallende Ölpreis – ein Barrel der Sorte Brent notiert bereits zeitweise unter 40 US-Dollar – trägt ein Übriges zur tristen Performance der Energieunternehmen bei.
Ein schwacher Trost: Österreich ist nicht allein. Die deutsche EON beispielsweise befindet sich seit Jahresbeginn auf Talfahrt, unterbrochen von einigen kleineren Kletteranstiegen. Insgesamt verlor aber auch die Aktie des deutschen Energieriesen mit minus 46,21 Prozent in einem Jahr deutlich an Wert. 

 

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