Sonntag, Dezember 22, 2024

Forscher von Siemens messen erstmals Energieverluste eines ganzen Stadtteils. Die Werkzeuge: Drohnen, Heißluftballons und eine 3D-Modellierungs- und Analyselösung aus Graz.

Ein signifikanter Treiber des weltweit steigenden Energiebedarfs betrifft das Heizen und Klimatisieren von Gebäuden. Technische Verfahren wie etwa das thermografische Erfassen von Bauobjekten gewinnen dazu stark an Bedeutung. Auch Siemens setzt eine Analysesoftware zur Erkennung von Maßnahmen für Energieeffizienz ein. Die Grazer Forschungsgruppe »Video-Analytics « hat dazu eine eigene 3D-Modellierungssoftware zum Erfassen von Energieund Wärmeverlusten in Gebäuden entwickelt. Die Arbeit der Experten geht dabei auch über die Grenzen von einzelnen Objekten hinaus: Derzeit wird in Gleisdorf erstmals ein ganzer Stadtteil thermisch analysiert, um eine flächendeckende und effiziente Sanierung zu ermöglichen. Die Siemens-Experten wollen im Projekt »Hotspots« eine neue Technologie zum Erfassen von Energieverlusten in ganzen Stadtvierteln entwickeln. Die Bildverarbeitungssoftware arbeitet mit Fotos, die aus der Luft – von Drohnen oder Heißluftballons – aufgenommen werden. Die Software erstellt ein dreidimensionales Modell, das Energieverluste sichtbar macht. Gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology (AIT), dem AEE Institut für Nachhaltige Technologien und den Stadtwerken Gleisdorf suchen die Forscher nach sogenannten »Critical Spots«, das sind Gebäude oder Gebäudekomplexe, die besonders großes Potenzial zur Optimierung aufweisen. Das Projekt wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen des Programms »Stadt der Zukunft « unterstützt. »Unser Ziel ist es, ein Entscheidungsinstrument zu entwickeln, mit dem Energieeffizienzmaßnahmen interaktiv ausgewählt werden können. Es simuliert Effekte von verschiedenen Optimierungsschritten und berechnet die optimalen Maßnahmenkombinationen für die ›Problemzonen‹ der Stadt«, erläutert Projektleiterin Claudia Windisch aus der Forschungsabteilung von Siemens. Stadtentwickler können damit bauliche Maßnahmen auf einer nachvollziehbaren und messdatengetriebenen Basis auswählen. Das Risiko von Ad-hoc-Entscheidungen oder Fehlinvestitionen wird drastisch reduziert. »Bis 2015 sollen auf Initiative der Energieversorger Feistritzwerke-STEWEAG und Stadtwerke Gleisdorf in Abstimmung mit der Stadtgemeinde und gemeinsam mit der Bevölkerung 20 % des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen eingespart werden «, berichtet Walter Schiefer, Geschäftsführer der Feistritzwerke.

Problemzonen rasch erkennen

In Gleisdorf wird zunächst die Datengrundlage generiert: Flächendeckend werden Thermalbilder von Gebäuden bzw. eines Stadtgebiets erfasst – mit Heißluftballons, die mit Wärmebildkameras ausgestattet sind. Sämtliche Aufnahmen und Daten werden nach gesetzlichen Vorgaben gehandhabt. Die Einzelbilder liefern bereits erste Hinweise auf Wärmeverluste. Mit einer weiterentwickelten Software von Siemens werden diese Daten in ein 3DModell der Stadt umgewandelt. Damit lassen sich einzelne Gebäude und kleinere Stadtteile dreidimensional rekonstruieren und mit thermischen Informationen verknüpfen. »Die ersten Daten werden wir bereits im März 2015 mithilfe von Heißluftballons erfassen und für die Auswahl von Sanierungsmaßnahmen nutzen. Im nächsten Winter vergleichen wir die Daten und analysieren, welchen Mehrwert das Projekt den Beteiligten gebracht hat«, berichtet Windisch.

Bessere Luftqualität, höhere Energieeffizienz

Nach einer Analyse des flächendeckenden 3D-Modells soll ein dreidimensionales Luftgasschichtenmodell zudem Aufschluss über die Luftgüte und mögliche Ursachen für Luftverschmutzung im analysierten Stadtteil geben. Die Datenaufnahmedafür erfolgt aufgrund der geringeren Flughöhe und des höheren Detailierungsgrades mit Drohnen. Werden kritische Punkte im Stadtgebiet frühzeitig erkannt und thermisch saniert, steigt nicht nur die Lebensqualität und der Wert der Immobilien: Es können auch Strafzahlungen wegen Grenzwertüberschreitungen von Luftgüte oder Stickoxidemissionen vermieden werden. Die Bewohner profitieren von verbesserter Luftqualität, behaglicherem Wohnklima und reduzierten Energiekosten. Die Stadtwerke wiederum können mehr Gebäude mit der bereits vorhandenen Infrastruktur versorgen bzw. die Versorgungsinfrastruktur kleiner dimensionieren. Claudia Windisch wurde für die Bilderfassungs- und Analyse-Technologie im Jänner mit dem »eAward 2015« in der Kategorie »Industrie und Gewerbe« ausgezeichnet. Die Jury des heimischen Wirtschaftspreises ist von der »innovativen Herangehensweise an ein brennendes Thema« überzeugt und spricht von einer »genialen Lösung«, die »beeindruckende Ergebnisse« liefert.


Contracting-Projekt

Die Stadt Wiener Neustadt hat Siemens mit einem Energiespar-Contracting beauftragt. Im Frühjahr 2015 beginnt Siemens mit der energietechnischen Modernisierung von öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kindergärten sowie dem Stadttheater und Stadtmuseum. Diese Arbeiten sollen Ende August 2015 fertiggestellt sein. Insgesamt lassen sich damit mehr als 100.000 Euro pro Jahr sparen. Investiert wird rund eine Million Euro. Die Investitionskosten werden aus den eingesparten Energiekosten bestritten. Danach profitiert die niederösterreichische Gemeinde zu 100 % von den reduzierten Betriebskosten und der durch die Modernisierung bewirkten Wertsteigerung der Immobilien. »Aus einem EU-weiten Vergabeverfahren für unseren kommunalen Contracting-Gebäudepool ist die Firma Siemens als klarer Sieger hervorgegangen. Qualität und Umfang der erarbeiteten Lösungen haben uns überzeugt«, erklärt Martin Hesik, Energiebeauftragter der Stadtgemeinde Wiener Neustadt. Die Einsparungen werden großteils durch folgende Maßnahmen erzielt: Optimierung der Regelungstechnik aller Gebäude, Sanierung der Fenster, Dämmung der oberen Geschoßdecken, Einbau von energieeffizienten Pumpen und teilweise Umrüstung der Beleuchtung auf LED.

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