Bei Strom kann Österreich mit einem Anteil von 75 % Erneuerbaren punkten. Pumpspeicherkraftwerke übernehmen einen Großteil der Volatilität, bei Speichertechnologie und Gasverstromung gibt es noch Potenzial.
Text von Karin Legat
Der Rohstoff Gas ist weltweit in ausreichender Menge vorhanden. Offene Themen sind nun aber Ausgleich und Speicher. Gefördert wird Gas an zahllosen Orten, unter anderem im Kaspischen Meer und mittels Fracking, wie derzeit in den USA. Es kann auch chemisch hergestellt werden. In größerem Umfang dient Gas als Energieträger in heimischen Kraftwerken wie Mellach, Timelkam, in Wien Simmering, Donaustadt und in Korneuburg.
Gaskraftwerke stehen vor einem massiven Problem der Wirtschaftlichkeit. »Gasverstromung rechnet sich derzeit nicht«, betont Martin Graf, Vorstand der E-Control. Leo Windtner, Generaldirektor der Energie AG, berichtet aus dem Alltag eines Kraftwerksbetreibers, unter anderem des Gaskraftwerks Timelkam. »Zwei Megawattstunden Erdgas, die für die Produktion von einer Megawattstunde Strom notwendig sind, kommen im Einkauf teurer, als man mit dem Stromverkauf erlösen kann.« Die Schere zwischen Strom- und Gaspreis klafft weit auseinander. Martin Graf legt das in greifbare Zahlen um. »Der Rohstoff kostet 25 bis 26 Euro pro MWh am Spotmarkt, die Produktion einer MWh Strom bei einem Wirkungsgrad von 50 % somit 50 bis 52 Euro. Der Marktpreis liegt dabei aber bei rund 40 Euro.« Mit Kohle kann derzeit laut Umweltbundesamt deutlich günstiger Strom produziert werden, vor allem da die externen Klimakosten nicht eingepreist werden. Ein wesentlicher Faktor dafür ist das kostengünstige Schiefergas in Nordamerika. Energieträger wie Kohle werden substituiert und billigst auf den Weltmarkt gebracht. Das führt zu einer skurrilen Situation: Immer mehr Erneuerbare landen im Energiemix – was gleichzeitig durch den vermehrten Kohleeinsatz in Deutschland den höchsten CO2-Ausstoß bedingt. »Beginnt man mit der Gasverstromung, schreibt man schon ein Minus«, berichtet Windtner und nennt als Beispiel Timelkam. Geplant waren rund 6.500 Betriebsstunden im Jahr, derzeit findet aus den oben genannten wirtschaftlichen Gründen aber praktisch kein Betrieb statt.
Radikale Änderungen notwendig
Geplant war durch den CO2-Emissionshandel eine Korrektur des Kohleeinsatzes. Diese politisch gewollte Verordnung hat nicht gegriffen. »Wer verschmutzt, merkt davon nichts«, kritisiert Marc Hall, Obmann des Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen. »Es besteht ein Überangebot an Zertifikaten, der Preis mit 6 Euro pro Tonne CO2 ist im Keller«, betont Graf. Es braucht eine Anpassung an die Marktlage. Hall sieht in der radikalen Änderung im deutschen Förderwesen den Ausweg. »Der Anschub für Erneuerbare war sinnvoll, aber die Förderungen müssen so wie in Österreich degressiv sein.« Auch das Umweltbundesamt fordert Netzinfrastrukturen, die nicht nur unter nationalen Gesichtspunkten designt sind. Bei allem technischen Denken darf nicht auf die Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch vergessen werden. »Demand-Side-Management macht das System sicher stabiler. Wunder dürfen wir uns aber nicht erwarten«, betont Jürgen Schneider, Bereichsleiter Wirtschaft und Wirkung im Umweltbundesamt.
Teil der Zukunft
Gas bildet für alle Fachleute einen wesentlichen Teil der Energiezukunft. Windtner: »Ein Jahr hat 9.760 Stunden, Gas-und-Dampf-Kraftwerke sind auf rund 6.000 Volllaststunden pro Jahr ausgelegt, Windkraft in guter Lage erreicht lediglich 2.500, eine Photovoltaikanlage in guter Lage liefert 1.100 Volllaststunden.« Gas spielt deshalb eine wesentliche Rolle im Erzeugungsmix. »Die Übertragungsleitungen sind aber nicht ausgelegt auf großräumige Stromtransporte, sondern nur auf Schwankungsausgleich«, warnt Herbert Saurugg von der Initiative »Plötzlich Blackout!«. Daher kommt für Michael Hübner, Experte für Energiesysteme der Zukunft beim bmvit, den Speichertechnologien besondere Bedeutung zu. Elektrochemische Speicher in der Größe eines Pumpspeicherkraftwerks sind seiner Meinung nach unrealistisch. Konventionelle Batterietechnologien brauchen noch Forschung, Entwicklung und größere Marktdurchdringung. Aber auf regionaler Ebene sind Speicher bereits gut etabliert, zum Beispiel im Gebäudebereich.
Auch mit Hybridnetzen und Smart Grid kann das Energienetz stabil gestaltet werden. Hier kommt wieder Gas ins Spiel. Mit der Power-to-Gas-Methode lässt sich in Spitzenzeiten entstehender überschüssiger Strom als Flüssiggas im Gasnetz speichern. Mit allen heimischen Speicherkapazitäten kann der Gasbedarf Österreichs für etwa ein Dreivierteljahr vorgehalten werden. Ein weiterer Vorteil von Gas ist die Flexibilität des Einsatzes. »Unsere Pumpspeicher- und Gaskraftwerke können durch ihre hohe Flexibilität einen wesentlichen Beitrag für stabile Netze liefern«, so Josef Reisel, Geschäftsführer von Alstom. Gas- und-Dampf-Kraftwerke arbeiten bereits nach einer Viertelstunde. »Stillstehende Kohlekraftwerke wieder hochzufahren dauert Stunden«, argumentiert Herbert Saurugg. Um einem Strom-Blackout vorzubeugen, arbeiten die europäischen Übertragungsnetzbetreiber an immer enger werdenden grenzüberschreitenden Kooperationen der Netzbetreiber und an einer europäisch geplanten Abwicklung von Stromtransporten. Dazu zählen auch netzstabilisierende Eingriffe. Trotzdem: Kapazitätsengpässe können dort auftreten, wo ungleiche Erzeugungs- oder Lastverhältnisse bestehen – etwa in Norddeutschland oder in Grenzgebieten, in denen die Netzinfrastruktur nicht an das Nachbarland angepasst ist.
»Wir brauchen die Energiewende«, betont das Umweltbundesamt, »und wir brauchen Gas als Brückentechnologie.« Der größte Umbau muss bei Mobilität und Wärme erfolgen, da der Anteil Erneuerbarer im Strombereich bereits mit 75 % sehr hoch ist. Dort spielen Gaskraftwerke in Kombination mit Erneuerbaren ihre Stärke aus – mit Gasantrieb, der im Kommen ist, und mit Kraftwerksabwärme für Gebäude. Es braucht ein Revival für Gas als Partner der Erneuerbaren.