Montag, Juli 01, 2024

Die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) organisiert und finanziert österreichweit die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungsabfällen. ARA-Vorstand Werner Knausz im Interview über die Marktöffnung 2015, Tarifänderungen und Trends in Verpackungsmengen.

Die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) organisiert und finanziert österreichweit die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungsabfällen. ARA-Vorstand Werner Knausz im Interview über die Marktöffnung 2015, Tarifänderungen und Trends in Verpackungsmengen.

(+) Plus: Ab 2015 regelt eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes, dass künftig auch im Haushaltsbereich unterschiedliche Sammel- und Verwertungssysteme ihre Leistungen anbieten können. Welche Auswirkungen wird das auf die Endkonsumenten haben? Wird die Servicequalität aufrechterhalten werden können?

Knausz: Nun, der Wettbewerb in diesem Markt kommt, aber Herr und Frau Österreicher werden hoffentlich nichts davon merken. Zum einen – und hier ist dem Umweltministerium mit dem Abfallwirtschaftsgesetz ein guter Wurf gelungen – ist die Qualität der Sammlung, Sortierung und Verwertung aufrechtzuerhalten. Parallelsysteme sind per Gesetz verboten, jeder der neuen Marktteilnehmer muss anteilig auch zur Finanzierung der bestehenden Systeme beitragen. Aus Sicht unserer Kunden, vornehmlich die Unternehmen aus Industrie, Handel und Gewerbe, bringt die Marktöffnung ebenfalls positive Effekte. Denn auf einem heiß umkämpften Markt widmen sich Anbieter logischerweise noch stärker ihren Kunden.

(+) Plus: Mit welchen Preisentwicklungen ist heuer zu rechnen?

Knausz: Mit 1. Jänner 2014 hat die ARA die Tarife für die Kunststoff- und für die Papierpackungen im Haushalt noch einmal um je 5 % gesenkt. Das führt zu einer jährlichen Entlastung von rund 5 Mio. Euro für die Kunden. Mehr wird sich voraussichtlich heuer auf der Tarifebene nicht tun.

(+) Plus: Wie sieht es damit 2015 aus?

Knausz: Allgemein würde man erwarten, dass in einem liberalisierten Markt die Tarife sinken müssten – andernfalls wäre eine Marktöffnung ja wenig sinnvoll. Dennoch wissen wir bereits, dass es ab 1. 1. 2015 garantiert teurer wird. Aufgrund von Verhandlungen zwischen dem Ministerium, der Wirtschaft und den Kommunen werden wir einen neuen Kostenblock in der Größenordnung von jährlich 20 Mio. Euro hinzubekommen. Auf Basis heutiger Tarife bedeutet dies eine Steigerung von 15 bis 20 %. Wir werden versuchen, Kosten einzusparen, um dies abzufedern. In dieser Höhe und innerhalb nur eines Jahres werden wir das, ebenso wie unsere Mitbewerber, aber nicht schaffen. Die Ursache für die Kostensteigerung liegt nicht in der Liberalisierung, sondern betrifft eine Umschichtung bereits bestehender Kosten aus dem Bereich der Restmüllsammlung. Übrigens gibt es im EU-Raum bislang einen einzigen vergleichbaren liberalisierten Markt mit einem Wettbewerb der Sammelsysteme im Haushaltsbereich: Deutschland. Bei unserem Nachbarn sind die Tarife bei Kunststoffverpackungen um 25 % höher als bei uns, bei Papier sind es sogar 50 %.

(+) Plus: Worauf begründet sich der neue Kostenblock von 20 Mio.?

Knausz: Unser Sammel- und Verwertungssystem in Österreich basiert grundsätzlich auf einer Finanzierung, welche die Herkunft der Verpackungen berücksichtigt. Für jene Mengen, die getrennt gesammelt werden, beispielsweise in der gelben Tonne, sind direkt die Produzenten verantwortlich. Jene Mengen, die im Restmüll landen, werden dagegen von den Gemeinden über die Müllgebühr finanziert. Die Kommunen haben nun argumentiert, dass die Verpackungsproduzenten ja die eigentlichen Verursacher auch des Materials im Restmüll sind – und damit auch für dessen Sammlung, Sortierung und Verwertung zahlen sollten. Daraufhin wurde eine Abgeltung eines Teiles der Restmüllkosten durchgesetzt: eben jene 20 Mio Euro.

(+) Plus: Ist geplant, in neue Geschäftsfelder vorzustoßen, etwa im Ausland aktiv zu werden?

Knausz: Es gibt die europäische Verpackungsrichtlinie seit fast 20 Jahren. Sie gibt vor, wie in der Europäischen Union mit Verpackungen umzugehen ist. Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten aber leider die Umsetzung der Regelungen weitestgehend frei. Aus diesem Grund haben wir in den einzelnen Staaten völlig unterschiedliche Gesetze und Verordnungen dazu – bei 28 Mitgliedstaaten gibt es ebenso viele Regelungen zur Umsetzung. Für global tätige Unternehmen wie Nestle, Coca-Cola oder Unilever werden damit Zahlungen für die Sammlung und Verwertung ihrer Verpackungen innerhalb der EU zu einem wahnsinnig komplexen Unterfangen. Wirtschaftlich gesehen ist das eine Katastrophe. In den vergangenen Jahren hat es mehrere Ansätze gegeben, hier Prozesse zu vereinheitlichen. Eine Angleichung der Gesetze scheint jedenfalls nicht möglich zu sein, da kein Staat diese Kompetenz abgeben möchte. Wir haben für in der EU tätige Unternehmen seit 2013 eine neue Dienstleis­tung, dass die verpflichtenden Abgaben in zumindest bereits 20 Ländern an eine einzige Stelle, die ARA, entrichtet werden. Wir leiten die Beiträge dann an die Systembetreiber in den anderen Ländern weiter. Und ich denke, die restlichen Länder werden auch noch folgen. Wir setzen auf Kooperation, ein Agieren der ARA als Systembetreiber außerhalb Österreichs ist daher nicht angedacht.

(+) Plus: Sie unterstützen das »Chris­tian Doppler Labor für Anthropogene Ressourcen«. Was sind die Hintergründe dieser Zusammenarbeit, woran wird geforscht?

Knausz: Die Abfallrahmenrichtlinie der EU wurde vor einigen Jahren in österreichisches Recht umgesetzt und besagt sinngemäß, dass ab 2020 für sämtliche Stoffe eine Recyclingquote von mindestens 50 % gelten wird. Wir haben in der gesamten Europäischen Union nun das Problem, dass niemand weiß, was das tatsächlich in Mengen bedeutet. Nehmen Sie nur Kunststoff her, der ja nicht nur in Verpackungen verwendet wird, sondern auch in Haushaltsgeräten oder Autos zum Einsatz kommt, oder als Abflussrohr vergraben wird. Bei einer solchen nicht messbaren Menge tut man sich naturgemäß schwer, vernünftige kosteneffiziente Lösungen zu finden. Gemeinsam mit dem Christian Doppler Labor untersuchen wir nun diese Mengen bei den Stoffgruppen Aluminium und Kunststoffe. Das Labor ist bei diesen Untersuchungen bereits sehr weit fortgeschritten und wird sich heuer mit der nächsten Frage der Lebenszyklen der unterschiedlichen Produkte daraus beschäftigen. Hier stoßt man in neue Richtungen vor, die über den herkömmlichen Recyclingteil bei Verpackungen und Elektroaltgeräten hinausgehen. Letztlich geht es bei der Unterscheidung zwischen Schnelldrehern – beispielsweise Kunststoffflaschen – und langsam drehenden Produkten, wie ein Kühlschrank oder ein Abflussrohr, um die Berücksichtigung der abfallwirtschaftlichen Marktmengen, wie es im Fachjargon heißt. Es gilt nun erstens festzustellen, wie die Abfallströme real aussehen und zweitens die Lebensdauer von Produkten und auch den Sättigungsgrad beispielsweise bei Haushaltsgeräten in den Märkten abzuschätzen und darauf aufbauend sinnvolle Erfassungs- und Recyclingaktivitäten zu setzen.

(+) Plus: Wie haben sich die Marktmengen an Verpackungen in Österreich eigentlich in den letzten Jahren entwickelt?

Knausz: Viele haben den subjektiven Eindruck, dass Verpackungen immer mehr werden. Früher hat man seine Kartoffeln noch im 25-kg-Sack gekauft. Heute passiert das kaum noch. Durch den Trend zu Ein-Personen-Haushalten werden die Verpackungsgrößen kleiner. Damit sind die Mengen in Stückzahlen tatsächlich stark gestiegen. Die Industrie hat aber ihre Hausaufgaben gemacht und das Verpackungsmaterial selbst weiter entwickelt. So hatte eine PET-Flasche vor zehn Jahren ein um 30 % größeres Gewicht als heute. Seit 1991 gibt es regelmäßige Messungen der in Umlauf gebrachten Verpackungsmengen. Seit 1991 hat es kein einziges Jahr gegeben, in dem die Marktmengen an Verpackungen in Tonnen gemessen höher als 1991 gewesen wäre. Gleichzeitig ist seit 1991 das BIP – also die österreichische Wirtschaftsleistung – um mehr als 40 % gestiegen.

(+) Plus: Dies hat wohl vor allem mit dem Rückgang der Glasflaschen zutun.

Knausz: Eigentlich nein. Zwar sind Glasflaschen natürlich schwerer als Kunststoffgebinde, doch hat es seit 1991 auch keinen nennenswerten Rückgang an umgesetzten Glasflaschen gegeben. Die Kunststoffflasche hat zwar Glas substituiert, Glas hat sich aber erfolgreich neue Märkte gesucht. Wir haben heute eine breite Palette an Produkten mit Glasverpackung, die es früher in dieser Form nicht gab, etwa Mix-Getränke oder Convenience Food.

(+) Plus: Die Österreicher gelten als Sammeleuropameister. Lässt sich dieses Niveau auf Dauer noch halten?

Knausz: Das hohe Niveau wird auf jeden Fall gehalten werden können – das ist aber keineswegs selbstverständlich. In Deutschland kam es zur Marktöffnung vor acht Jahren und seitdem geht es mit den Sammel- und Recyclingquoten bergab. In Österreich gibt es auch mit der Öffnung eine per Gesetz verpflichtende Öffentlichkeitsarbeit der Systembetreiber, um den herrschenden hohen Standard zu sichern. Die ARA finanziert mit einem Betrag von 3,5 Mio. Euro jährlich rund 300 sogenannte AbfallberaterInnen in ganz Österreich, die Menschen vom Kindergarten bis zum Altersheim erklären, wie und warum getrennt gesammelt werden soll – um Ressourcen zu schonen, die Verschmutzung unserer Umwelt zu vermeiden und Rohstoffe für die heimische Industrie zu sichern. Der Gesetzgeber hat nun festgelegt, dass die Marktplayer auch künftig die kommunale Abfallberatung anteilig mitfinanzieren müssen. Diese Arbeit ist für die Sammelsysteme extrem wichtig. Stoppt der Informationsfluss, geht die Sammelbereitschaft der Bevölkerung empirisch nachweisbar zurück und Fehlwürfe und Kosten steigen.

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